Zuhause auf Zeit
Kein Gebäude steht für sich allein. Es ist Teil eines räumlichen,
sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhangs, der bereits vorhanden ist.
Diese Struktur bleibt dabei nie dieselbe. Sie verändert sich mit der Zeit
und mit jedem neuen Element. Wenn mit dieser Tatsache bewusst
umgegangen wird, ergeben sich neuartige Typologien und Konzepte.
Ein Beispiel ist das Apartmenthaus für Studierende in Hohenems.
Autor: Tobias Hagleitner | Fotos: Benno Hagleitner
Das Projekt ist Bestandteil, Folge und zugleich nächster Schritt eines Entwicklungsprozesses, der in der Hohenemser Innenstadt seit einigen Jahren in Gang ist. Seit 2012 ist das Projektentwicklungsteam um Markus Schadenbauer bemüht, das historische Stadtensemble um die Marktstraße nach und nach zu sanieren und mit Blick fürs Ganze zu revitalisieren. Nicht die schnelle Rendite steht im Vordergrund, sondern die gesamtheitliche Aufwertung auf lange Sicht. Steigende Kundenfrequenz und gute Mietauslastung bei gleichzeitiger Vielfalt des Angebots in der vormals fast ausgestorbenen Geschäftszeile sprechen für sich.
Der Erfolg hat viel damit zu tun, dass sich der Fokus der Entwickler nicht auf das eine Objekt, auf die eine Immobilie beschränkt, dass stattdessen versucht wird, die räumlichen Zusammenhänge und Beziehungen zu betrachten und das bei der Gestaltung und Bewirtschaftung zu berücksichtigen. Den Kern dieser Konzeption vom Raum bildet im konkreten Fall die verkehrsberuhigte innere Marktstraße als Hohenemser Geschäfts- und Einkaufzone. Der Straßenzug steht unter Ensembleschutz und wird mit inhabergeführten Ladenlokalen neu belebt. In „zweiter Reihe“, wo ehemals Schuppen, Stall und Werkstatt waren, ist Platz für Wohnraum, Büros und Gewerbe. Umgesetzt wird das stets mit Gespür für die spezifischen Qualitäten des kleinteiligen Bestands, was entscheidend zur Attraktivität und stimmigen Atmosphäre des Gesamten beiträgt. Die dritte Bautiefe hingegen leistet anderes. Sie bietet mit größeren zulässigen Bauhöhen das Potenzial für Neubebauung mit mehr Dichte. Hier können Nutzungen etabliert werden, die Frequenz, Belebung, Kaufkraft in die Stadt bringen.
„Junges, internationales Publikum
tut der Belebung der Innenstadtzone gut.“
WMarkus Schadenbauer
Projektentwickler
Das Studenten- und Apartmenthaus mit seinen vier Geschoßen entspricht diesem Profil passgenau. Dennoch überrascht das Angebot auf den ersten Blick, gibt es doch im Städtchen keine Uni oder Fachhochschule. Der Sinn ergibt sich, wenn das Rheintal als der zusammenhängende Stadtraum wahrgenommen wird, der es mittlerweile faktisch ist – nicht zuletzt dank engagiertem Öffi-Ausbau der vergangenen Jahre. Das Haus deckt somit problemlos den Bedarf der Fachhochschule Dornbirn. Sie braucht temporären Wohnraum für Studierende aus der ganzen Welt, die im Rahmen akademischer Austauschprogramme in Vorarlberg zu Gast sind. Aber auch junge Leute, die in der Region Praktikum oder Lehre machen, die für gewisse Zeit hier unterrichten oder forschen, fragen die neue Unterkunft nach. In Ferienzeiten bietet sich das Haus zur touristischen Nutzung an.
Die Funktionsfähigkeit des Hauses an diesem Standort ist abhängig vom passenden Mobilitätskonzept. Die Bushaltestelle ist in unmittelbarer Nähe, der Bahnhof zehn Minuten entfernt, zudem wird eigens ein Fahrradverleih betrieben, der sehr gut angenommen wird. Für die behördlich vorgeschriebenen zwölf Pkw-Stellplätze in der Tiefgarage gibt es hausintern folglich nur wenig Nachfrage. Sie werden von Nachbarn angemietet und erfüllen damit trotzdem ihren Zweck.
Daten & Fakten
Objekt Studenten- und Apartmenthaus Schlossbergstraße, Hohenems
Bauherr Investorengemeinschaft vertreten durch Schadenbauer Projekt- und Quartierentwicklung, Hohenems
Statik Mader & Flatz, Götzis
Architektur HEIN architekten, Bregenz, www.hein-arch.at
Fachplanung Vermessung: Zündel, Dornbirn; Geotechnik: Dönz, Schruns; Bauphysik: DI Günter Meusburger, Schwarzenberg; Brandschutz: K&M, Lochau; Bauleitung/Ausschreibung: Schmelzenbach, Riefensberg
Planungsbeginn 12/2016
Fertigstellung 1/2019
Grundstücksfläche 1094 m²
Nutzfläche 1130 m² (zzgl. Tiefgarage)
Bauweise Massivbau Beton und Ziegel, außengedämmt; Fassade: Weißtanne, geschoßweise vorspringend (konstruktiver Holzschutz); Böden: geschliffener Estrich, (Allgemeinflächen), Parkett Esche; Fenster: Weißtanne; Heizung über Fernwärme
Energiekennwert 25,5 kWh/m² Im Jahr (HWB)
Ausführung Baumeister: Haberl, Lustenau; Pilotierung: Nägele, Röthis; Heizung, Lüftung, Sanitär: ERFU, Hohen-ems; Elektro: Obwegeser, Hohenems; Zimmerei: Hirschbühl, Riefensberg; Dach: Tectum, Hohenems; Fenster: Metzler, Hohenems; Estrich: Vigl & Strolz, Schoppernau; Innentüren: Spettel, Alberschwende; Schlosserei: Johannes Wolf, Hohenems; Küchen/Möbel: Fechtig, Andelsbuch