Mit der Rheinblickhalle und der Volksschule bildet das von Stöckler Gruber Architekten geplante Kinderhaus ein zweites Zentrum von Gaißau. Beton, Glas und Holz sind die dominierenden Materialien, Farbe bringen die Kinder in den Zweigeschoßer.

Autor: Edith Schlocker | Fotos: Darko Todorovic

Es sei schon recht nützlich, eigene kleine Kinder zu haben, wenn es um das Planen eines Kindergartens geht, sagt Michael Stöckler, der mit seiner Frau und Architektenkollegin Doris Gruber zwei Buben hat. Ob dieses Wissen darüber, was Kids brauchen und mögen, den Ausschlag dafür gegeben hat, dass die beiden 2012 den von der Gemeinde Gaißau geladenen Wettbewerb für den Bau eines Kinderhauses gewonnen haben, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass sie sich mit ihrem Projekt gegen potente Konkurrenz durchgesetzt haben mit ihrem sich in der Fläche ausbreitenden Haus, das sie an den Rand eines bestehenden Spielplatzes gestellt haben. Um diesen durch das – durch einen Zaun gesicherte – Freigelände des neuen Kinderhauses noch zu vergrößern.

Der Ort, an dem das Gaißauer Kinderhaus steht, ist zentral gelegen und höchst heterogen bebaut. Direkt neben dem Neubau steht ein altes Einfamilienhaus, dem sein baldiges Ablaufdatum deutlich anzusehen ist, vis-à-vis stehen die 27 Jahre alte Rheinblickhalle und die neun Jahre jüngere Volksschule. Beides solide Stahlbetonbauten mit Putzhüllen, weshalb das neue Kinderhaus auf Wunsch der Gemeinde kein Holzhaus werden sollte. Dass es derzeit aber sicher das „schönste Haus im Ort“ sein dürfte, traut sich nicht nur Bürgermeister Reinhold Eberle zu sagen.

Der Raum im Erdgeschoß, in dem die Kindergartenkinder essen, ist hübsch mit für die Größe der Esser maßgeschneiderten Bugholzmöbeln eingerichtet.

Ein Haus, das laut Stöckler wie ein Kartenhaus aufgestellt worden ist. Stehend auf einer Betonplatte, die wiederum durch Pfähle im labilen Untergrund fest verankert ist. Sein markantes Gesicht verpassen dem zweigeschoßigen Riegel markante – vorgefertigte – Rahmen aus Sichtbeton. Sie bilden die Stützen für die zweieinhalb Meter tiefen Loggien an drei Seiten des Obergeschoßes bzw. den geschützten Zonen darunter. So hart diese äußere Ebene daherkommen mag, so weich ist die ganz in Holz und Glas aufgelöste innere.

Ein Eindruck, der auch den Innenraum dominiert. Links neben dem Haupteingang ist die stimmig mit von den beiden Architekten entworfenen Möbeln eingerichtete Dorfbibliothek situiert. Zum großen offenen Foyer hin verglast und als origineller Aufprallschutz mit den bunten Abdrücken kindlicher Hände versehen. Im Erdgeschoß liegen auch das hübsch mit weißen Bugholzmöbeln eingerichtete Esszimmer für die Kinder, die Garderobe sowie ein großer Bewegungsraum. Die Wände sind wie im ganzen Haus, wenn nicht gläsern, dann weiß oder aus Weißtanne, genauso wie die bündig gesetzten Türen. Diese „Farblosigkeit“ wurde in Abstimmung mit den Kindergartenpädagoginnen ganz bewusst gewählt, soll die Hülle doch neutral sein, Farbe durch die Kinder in das Haus einziehen.

Die gelb gefließten Sanitäranlagen sind kindgerecht bzw. für die speziellen Bedürfnisse der Benutzer des Kinderhauses und ihrer Betreuer(Innen) konzipiert.
In den Gruppenräumen wird die Balance zwischen Intimität und Offenheit geschickt gewahrt. Holz, Glas und die Farbe Weiß dominieren, Farbe bringen die Kinder ins Haus.

Die zentralen Räume für die drei Kindergarten- und zwei Spielgruppen befinden sich im Obergeschoß. Von unten erschlossen durch eine zentrale, fast skulptural frei im Raum stehende hölzerne Treppe. Jeder der Gruppenräume öffnet sich nach außen zu einer geschützten Loggia, deren Brüstungen gläsern sind. Was den kleinen Menschen freie Blicke garantiert und sie dadurch nicht zu verhängnisvollen Kletterversuchen verleitet.

„Wenn man als Architekt vor der Aufgabe steht, einen Kindergarten zu entwerfen, ist es nicht schlecht, selbst kleine Kinder zu haben.““

Michael Stöckler, Architekt

Zwischen jedem Gruppenraum gibt es noch einen Ausweichraum. Wichtig war es den Architekten, die Balance zwischen Zonen des Privaten und solchen des Offenen zu schaffen. Die Loggias sind jeweils auf drei Seiten durchgängig, die Gruppen sind raffiniert räumlich vernetzt, in dem durch Oberlichten wunderbar hellen Zentralraum rund um die Stiege gibt es unterschiedlich große, farbig fein ausgeschlagene gepolsterte Sitznischen. Die WCs mit ihren getischlerten Kabinen sind fröhlich gelb verfließt, in einem nach den Theorien von Arno Stern eingerichteten, von oben belichteten Malraum sind der kindlichen Kreativität keine Grenzen gesetzt.

Das Zentrum des Kinderhauses von Gaißau ist die mächtige, frei im Raum stehende, mittig geknickte hölzerne Stiege.
Rund um den Stiegenausschnitt breitet sich im Obergeschoß ein großer offener, durch Oberlichten lichtdurchfluteter Raum aus. Mit buntem Stoff gepolsterte Sitznischen laden zum Faulenzen ein.

Das Arbeiten sei in diesem neuen Kinderhaus seiner Großzügigkeit und Atmosphäre wegen „ein Traum“, schwärmt Barbara Blum, die Leiterin des Kindergartens. Und auch der Gaißauer Bürgermeister Reinhold Eberle ist glücklich über dieses „Jahrhundertprojekt“ für die 1850-Einwohner-Gemeinde und bedauert es fast, nicht selbst noch ein Kindergärtler zu sein.

Die Übergänge zwischen Loggia und Gruppenraum sind fließend durch eine raumhohe Verglasung. Die Böden sind im ganzen Haus aus Holz, Wände und (Akustik-)decken weiß.
Vom Gaißauer Kloster in das neue Kinderhaus ist die öffentliche Dorfbibliothek übersiedelt. Die Möblierung durch die Architekten ist schnörkellos klar, die raumhohen gläsernen Wände zum Foyer sind mit den Abdrücken von Kinderhänden dekoriert.

Daten & Fakten

Objekt Kinderhaus Gaißau

Bauherr Gemeinde Gaißau

Architektur stöckler gruber architekten, Lochau

Statik Ingo Gehrer, Höchst

Fachplanung Bauphysik: Lothar Künz, Hard; Elektro: Walter Bischof, Tschagguns; Heizung, Klima, Sanitär: Egon Ebenberger, Fußach

Wettbewerbe 6/2015; 8/2015–8/2016

Ausführung 8/2016–2/2018

Grundstück 4490 m²

Nutzfläche 1430 m² (zzgl. Spielplatz 1300 m²)

Besonderheit Betonfertigteilrahmen als statische und gestalterische Fassadenelemente

Bauweise Massivbauweise (Ziegel, Beton)

Ausführung Baumeister: Brunner Bau, Höchst; örtliche Bauleitung: Flatschacher Bauprojekt Leitung, Dornbirn; Fertigteile: Nägele, Sulz-Röthis; Elektro: Josef Pircher, Bregenz; Sanitär: Dorf-Installationstechnik, Wolfurt; Klima: Gruber, Wolfurt; Maler: Manuel Beiler, Höchst; Sonnenschutz: Berthold, Rankweil; Fenster: Böhler, Wolfurt; Zimmermann: Hildebrand, Gaißau; Spengler: Jäger, Lauterach; Trockenbau: TMF, Hohenems; Estrich: Küng, Thüringen; Parkett: René Bechtold, Klaus-Weiler; Türen und Trennwände: Lenz Nenning, Dornbirn; Fliesenleger: Felder, Lustenau; Möbel: Sternath, Hard; Hanno Bickel und Längle Hagspiel, Höchst

Energiekennwert 17 kWh/ m² im Jahr

Baukosten 3,47 Mill. Euro