Im Ort verwurzelt
Das Ortsgefüge von Egg-Großdorf ist so harmonisch wie fragil.
Bausünden finden sich kaum, Neuerungen müssen achtsam erfolgen. Das Haus
der Bauherren war nicht mehr zu retten. Cukrowicz Nachbaur Architekten
ersetzten es durch einen Neubau, der in Bauart, Kubatur und Lage dem Bestand
nachfolgt. Stimmig fügt er sich an die alte Scheune. Ein sehr guter Grundriss,
durchdachte Details und herausragendes Handwerk ermöglichen lichtes,
modernes Wohnen: Weltoffen und mit direktem Bezug zum Freiraum.
Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer
Mit Calderóns „Das große Welttheater“ am Vorarlberger Landestheater fing alles an. Das Bühnenbild war von Cukrowicz Nachbaur Architekten, in der gelösten Stimmung nach der Premiere sprach die Produktionsleiterin Andreas Cukrowicz an: Es gäbe da ein altes Bauernhaus umzubauen. Die meisten Projekte der Architekten resultieren aus Wettbewerben. „Wir machen kaum Einfamilienhäuser“, sagt Cukrowicz. „Wenn, dann planen wir sie nur für ganz spezielle Leute, denen es wirklich ein Bedürfnis ist, sich mit uns auf einen Prozess einzulassen.“ Der finanzielle und emotionale Einsatz privater Bauherren ist so hoch wie bei keiner anderen Bauaufgabe. „Ohne Vertrauen geht das nicht.“ Dafür kann etwas ganz Besonderes entstehen.
Die Chemie stimmte, Cukrowicz schaute sich das Haus in Großdorf an. Einträchtig fügen sich hier Wälderhäuser zum Dorf. Einige von der Zeit gezeichnet und verzogen, andere recht neu. Keines zu laut, alle durch ein Straßengeflecht verbunden. Gemeinsam sind sie der Ort. „In Großdorf bildet viel alte Bausubstanz aus der Landschaft heraus ein charakteristisches Ensemble“, so Cukrowicz.
Die Bauherren datieren das Haus auf 1842, seine Substanz wurde immer wieder geflickt. „Es hätte keinen Sinn gemacht, das zu restaurieren.“ Doch es stand richtig, Orientierung, Dachneigung und Maßstab passten, der Stall blieb erhalten, das Haus wurde durch einen Neubau ersetzt. Er fügt sich in die Kubatur des alten, ist aber weder Kopie, noch Rekonstruktion. Er bessert die Schwächen des Bestands aus und schafft so hohe Wohnqualität. „Wir haben das Haus auf seinen Ursprung rückgeführt und typologisch bereinigt“, so Cukrowicz. Das ist mutiger, als es klingt: hieß es doch, eine Raumhöhe von 2,10 Meter beizubehalten. „2,10 Meter sind hoch genug, wenn man die Flächen und Details richtig setzt“, sagt Cukrowicz. Er hat recht.
„Das Haus war Flickwerk.
Es zu restaurieren, machte keinen Sinn.
Wir haben es auf seinen Ursprung rückgeführt
und typologisch bereinigt. Uns war wichtiger,
dass es sich eingliedert, als dass es schreit.“
Andreas Cukrowicz
Architekt
Das Haus wendet seine lange Südwestseite der Straße zu. Rückseitig Felder, im Nordwesten schließt der Stall an, im Südosten steht der Nachbar etwas von der Straße abgerückt. Dadurch entsteht ein kleiner Platz. So geht Dorf. Früher waren die Dachvorstände verkeilt, heute berühren sie einander gerade nicht. Eine Korrektur. Typisch für Bauernhäuer im vorderen Bregenzerwald ist der Querflur, der normal zum First die Zimmer erschließt. Außerdem haben sie einen Schopf: Dieser von Holzlatten umschlossene, ungeheizte Bereich wirkt als Klimapuffer und Eingangsraum. Diese Elemente detaillierte man unprätentiös modern. Der Stall bekam ein neues Schiebetor, mit dem sich auch der angrenzende Vorbereich des Eingangs schließen lässt – der Stall ist dann offen. Als Musiker will ihn der Bauherr für Proben und Konzerte nutzen.
Man betritt das Haus vier Stufen erhöht durch den Schopf. Das Beschattungselement neben der Eingangstür mit seinen eingefrästen Symbolen eine Hommage an die Hausherren. Sie filtern die Sonnenstrahlen wunderbar zart. In einem Nieselregen aus Licht steht man im Querflur und blickt zwischen den Stufen einer leichten Holztreppe hindurch in die Landschaft. Sein nährendes Ende bildet – wie im klassischen Bauernhaus – die Flurküche. Diese liegt hier an einer Glasschiebetür auf die Terrasse. Sie schafft den Bezug ins Freie, den es früher nie gab. Das Haus ist fast nur aus Weißtanne und bei Möbeln auch Ahorn. Warm zeichnet die einfallende Sonne die Struktur des Holzes nach. Lebendig schimmernd wie ein Fell. Ein Regal, das man von zwei Seiten bestücken und durchblicken kann, fungiert als Raumteiler. Die Fensterlaibungen reichen bis an die Decke: so erscheint der Wohnraum sehr großzügig. Der Ofen ist aus dem alten Haus. Er wurde Stück für Stück abgebaut und wieder zusammengesetzt. Die ganze Familie baute mit, wunderbare Handwerker standen ihnen mit Rat und Tat zur Seite. „Wir haben rund 750 m2 Weißtanne getäfelt und als Riemenboden verlegt“, sagt der Bauherr. Sie machten es perfekt. Die Bauzeit war zehrend, sie lohnte sich. „Wir sind glücklich mit unserem Haus“, sagt die Bauherrin. „Jeden Tag.“ Es ist wieder der familiäre Treffpunkt, der es immer war. Alle kommen, Kinder tollen um die Treppe und erkunden den Dachboden. Eine Raumreserve zum späteren Ausbau. Zuerst ist der Proberaum im Stall dran.
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at
Daten & Fakten
Objekt Wohnhaus M., Egg-Großdorf
Bauherr Anton und Susanne Meusburger
Architektur Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT Miriam Perez Morel, Andreas Cukrowicz, www.cn-architekten.com
Planung ab 2015
Ausführung 02/2017–04/2018
Bauweise Untergeschoß Stahlbeton; darüber Holzständerbau mit Massivholzdecken; hinterlüftete Schindelfassade Besonderheiten Konstruktionsholz aus eigenem Wald; Täfer, Fußböden und Fassadenschirm in Eigenleistung
Ausführung Baumeister: Erich Moosbrugger, Andelsbuch; Holzbau: Nenning, Hittisau; Dach: Rusch, Alberschwende; Fenster: Joachim Flatz, Egg; Tischler: Kaufmann, Reuthe; Kachelofen: Roman Voppichler, Egg; Heizung, Sanitär, Installation: Siegfried Steurer, Andels- buch; Elektro: Willi, Andelsbuch
Energieausweis 39,4 kWh/m² im Jahr (HWB)