Die Zukunft der Landwirtschaft ist nachhaltig. Das Bäuerliche Schul- und
Bildungszentrum in Hohenems vermittelt das so gut, dass es ständig wächst.
Die bereits dritte Erweiterung von Hermann Kaufmann Architekten und
dem Büro Querformat setzt das Prinzip Nachhaltigkeit kongenial um.
Der Zubau ist überwiegend aus Holz. Das nachwachsende Material erzeugt
eine gute Atmosphäre, flexible Raumkonzepte erfüllen höchste pädagogische
Standards und schaffen Schüler(inne)n so optimale Bedingungen zum Wachstum.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Norman Radon

Der verantwortungsvolle Umgang mit Grund und Boden bildet die Basis für fast alles: Nahrung und Landschaft. Seit etwa hundert Jahren gibt es eine Ausbildung für Landwirte/Landwirtinnen, 1974 wurde das Bäuerliche Schul- und Bildungszentrum Vorarlberg (BSBZ) in Hohenems eröffnet. Es liegt unweit der Rheintalautobahn am nordwestlichen Ortsrand. Jugendliche aus ganz Vorarlberg absolvieren hier ihre Ausbildung. Im Betonsockel gibt es Werkstätten für Holz-, Metall-, Obst-, Milchverarbeitung und mehr. Immer wichtiger wird auch die Erwachsenenbildung. 1988 wurde die Schule erstmals erweitert, 2006 zum zweiten Mal, damals sanierte man auch Internat und Turnsaal. Die jüngste und bereits dritte Erweiterung ist ebenfalls eine Kombination aus Sanierung und Neubau. Die Arbeitsgemeinschaft aus Querformat und Hermann Kaufmann Architekten gewann 2016 das dazu ausgelobte Generalplanerverfahren.

Die Architekten erweiterten den inhomogenen Schulkomplex so, dass er als gewachsenes Ganzes erlebbar wird. Dabei setzten sie möglichst viele erneuerbare Rohstoffe ein. „Unser Schulschwerpunkt widmet sich dem Thema Ressourcenmanagement und erneuerbare Energie“, betont Direktor Markus Schwärzler. „Eine auf drei Dachflächen verteilte, große Photovoltaikanlage und eine Biomasseheizung stellen weitere Bindeglieder zwischen schulischer Infrastruktur und Unterricht dar.“

„Unser Ziel war es, den Neubau
und die bestehenden Klassentrakte als ein
Gesamtensemble zu gestalten.“

Hermann Kaufmann
Architekt

Der Haupteingang liegt im Quertrakt zwischen Internat und Turnsaal, beides Bauteile aus dem Jahr 1974. Vor dem Internat breiten sich an der Rheinhofstraße weite Felder aus, nordwestwärts schließen die Kapelle sowie die Klassentrakte der Jahre 1988 und 2006 an. „Unser Ziel war es, den Neubau und die bestehenden Klassentrakte als ein Gesamtensemble zu gestalten“, erklärt Hermann Kaufmann. „Wir mussten also sowohl für das Äußere als auch für das Material- und Farbkonzept im Inneren eine homogene Sprache finden.“ Die Längs- und Quertrakte aus verschiedenen Baustufen fassen beim Eingang einen Vorplatz und dahinter zwei Höfe ein. Diese sind zwar unterschiedlich – der erste eher lang und schmal, der zweite fast quadratisch – doch sie bilden ein wiederkehrendes Element, an das sich anknüpfen lässt. Außerdem ermöglichen Innenhöfe Blickverbindungen und erleichtern so die Orientierung.

Die Architekten schlossen an diese Typologie an. Sie führten den straßenseitigen Erschließungsgang, der den Trakt von 2006 an Kapelle und Internat anbindet, fort und fügten den neuen Klassentrakt als L-förmigen Winkel an. So entsteht ein schöner dritter Innenhof am Ende des Bestands. Er bereichert den Alltag der Schüler(innen) um Freiräume, schließt die Flure zum Umgang zusammen und weist den Weg zum nächsten Ausbau: einen weiteren Hof. Proportion und Materialität des Zubaus fügen sich gut ins Ensemble. „Wir haben den rotbraunen Farbton des Bestands übernommen“, so Paul Steurer von Querformat. Die Architekten legten Wert auf fließende Übergänge zwischen den Bauteilen. Auch haustechnisch sind nun alle Klassen auf demselben Stand. Wie ein roter Teppich überzieht der Kautschukboden die Treppen und Gänge, die sich zu den sogenannten Marktplätzen erweitern. „Sie sind Teile der Erschließung“, sagt Steurer. Neue Pädagogik setzt auf räumliche Vielfalt für unterschiedliche Wissensvermittlung. Die Marktplätze bilden den Gemeinschaftsbereich zum Chillen und autonomen, informellen Lernen. Sie öffnen sich mit großen Fensterfronten zur Landschaft und sind so intelligent wie vielseitig möbliert. Computerarbeitsplätze stehen als Boxen im Raum, deren Innenwände mit Filz verkleidet sind. Das ermöglicht Konzentration.

1,20 Meter tiefe Wandelemente mit Oberlichtbändern, die zugleich Regale, Sitznischen, Waschbecken und mehr sind, bilden die Raumteiler zu den angrenzenden Klassen. „Wir haben Holz aus heimischen Wäldern verwendet“, erklärt Steurer. Offene Räume erfordern große Spannweiten. Daher kamen Holzbetonverbunddecken aus Stahlbeton und Holz zum Einsatz. Ihre Unterseite ist schallabsorbierend ausgeführt, LED-Beleuchtung flächenbündig integriert. Je zwei Klassen mit bis zu 32 Schüler(inne)n teilen sich einen gemeinsamen Marktplatz. Die durchlaufenden Fensterbänder geben den Blick auf die Gemüsegärten frei – die Lernfelder der Zukunft.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
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Daten & Fakten

Objekt BSBZ Bäuerliches Schul– und Bildungszentrum Vorarlberg, Hohenems
Bauherr Land Vorarlberg, Abteilung Hochbau
Architektur Arbeitsgemeinschaft Querformat ZT + Hermann Kaufmann + Partner ZT; www.querformat-zt.com; www.hkarchitekten.at
Statik gbd ZT, Dornbirn; www.gbd.group
Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: Koller & Partner, Bregenz; Elektro: Klaus
Ehgartner, Nenzing; Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Örtliche Bauleitung: Albrecht Baumanagement, Dornbirn; Signaletik: Atelier Andrea Gassner, Feldkirch
Grundstücksgröße 20.263 m²
Nutzfläche 2590 m² – (Neubau Trakt E)
Bauweise Erdgeschoß: Sichtbeton, Obergeschoße: konstruktiver Holzbau
Besonderheiten Holzbetonverbundecken mit schallabsorbierender Untersicht
Energiekennwert 29 kWh/m² im Jahr
Baukosten 12 Mill. Euro