Heerbrugg im Kanton St. Gallen liegt strategisch günstig unweit der Rheintalautobahn, die Bahnanbindung ist gut.
Der Ort wächst stark, sein Zentrum wurde verdichtet.

In Bahnhofsnähe planten die Architekten Baumschlager Hutter Partners einen
markanten Neubau mit dunkler, metallischer Fassade, weißen Deckenstreifen und 33 Wohnungen. Loggien, kompakte Grundrisse, große Fenster, wertige Materialien und ein Restaurant im Erdgeschoß bieten hohe Lebensqualität. Nicht selbstverständlich.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

Heerbrugg liegt unweit von Lustenau an der Rheintalautobahn. Die Ortschaft im Kanton St. Gallen erstreckt sich über das Gemeindegebiet von Au, Balgach, Berneck und Widnau, die immer mehr zur Siedlungsagglomeration zusammengewachsen sind. Hatte die Gemeinde 1960 noch 1194 Einwohner(innen), lebten 2020 bereits 3225 Menschen dort, Au hat 4682 Einwohner(inne)n. Die Gemeinde wächst stark, daher wurde das Zentrum stark verdichtet. Das Gebiet um den Bahnhof Heerbrugg liegt in Au. Hinter alten, walmbedachten Häusern entstanden an der Bahnhofsstraße ein großes Einkaufszentrum und ein markanter, ellipsenförmiger Büro- und Wohnturm, der nicht zu übersehen ist. An der Kreuzung mit der Auer Straße, der Hauptdurchzugsstraße des Ortes, setzt ein Wohnhochhaus aus den 1960ern einen weiteren städtebaulichen Akzent.

Gegenüber liegt das 2192 m2 große Areal der Brauerei Schützengarten. Dort planten die Architekten Baumschlager Hutter für die i+R Wohnbau einen Neubau. Die drei alten Häuser mit Gastronomie, die es früher hier gab, wurden abgerissen. „An diesem Ort sollte es wieder ein Restaurant mit Bar geben. Unser Erdgeschoß ist vier Meter hoch und als großer, halb-öffentlicher Sockel mit Vordach ausgebildet,“ sagt Norbert Eisenbart von Baumschlager Hutter. Das neue Lokal liegt am prominenten, straßenseitigen Eck des Gebäudes, hat einen Schanigarten und heißt – wie sein Vorgänger – „Sternen“.

„Die Wohnung ist toll. Von der Straße hört man so gut wie gar nichts, wenn man die Fenster zumacht.“

David Urai
Bewohner

Wohnbedarf und Verwertungsdruck sind hoch. „Im Vordergrund steht die Rendite.“ Nicht jeder Bauträger investiert in Architekturqualität. Langfristig aber zahlt es sich aus: für die Stadt und höhere Wohnzufriedenheit. Baumschlager Hutter strukturierten das Volumen des Neubaus, was die Belichtung wesentlich verbessert, weil es keine Dunkelzonen in der Mitte, die große Bauvolumen sonst mit sich bringen, entstehen lässt. Einige Wohnungen kommen so zu zweiseitig belichteten Loggien, die sonst nicht möglich wären. Auf den Sockel des vier Meter hohen Erdgeschoßes wurden drei schlankere, dreigeschoßige Bauteile mit einem zurückspringenden Dachgeschoß gruppiert. Das ermöglicht den obersten Wohnungen große Terrassen und lässt dieses Geschoß aus der Perspektive der Passant(inn)en verschwinden. So wird das Bauvolumen gegliedert und wirkt weit weniger massiv als es ist. Die Geschoßdecken aus Sichtbeton sind sichtbarer Bestandteil der Fassade: Dadurch sind die einzelnen Ebenen ablesbar und wirkt das Gebäude wie ein schwarzes Zebra mit weißen Streifen. Es hat also einen hohen Wiedererkennungswert.

Zur eleganten Erscheinung des Wohnbaus trägt die Fassade wesentlich bei. Sie ist nicht einfach verputzt, sondern mit dunkel eingefärbten, profilierten Aluminiumstäben verkleidet. Diese U-Profile erzeugen eine elegante, vertikale Plastizität, sie verschmutzen kaum, weil sie vom Regen gleichermaßen automatisch gewaschen werden und schimmern je nach Wetterlage anders. Das Wichtigste aber ist: „Diese strukturierte hinterlüftete Fassade reflektiert den Lärm und bietet so einen akustischen Schutz“, sagt Eisenbart. „In diese Fassade wurde mehr investiert als üblich, das Haus hat auch eine wichtige Lage am Ort.“ Sie trägt zum städtischen Erscheinungsbild des Hauses bei und schirmt mit breiterem Lamellenabstand auch straßenseitige Fenster ab, ohne Ausblick und Lichteinfall zu beeinträchtigen.

Insgesamt 33 Wohnungen gibt es in dem Haus, eine davon bewohnt David Urai, ein Vermessungsingenieur, der bei einer internationalen Firma in Heerbrugg arbeitet. Urai und seine Freundin haben lang eine Wohnung gesucht, er ist sehr glücklich mit seinen 66 m2, dem unbefristeten Mietvertrag und dem fairen Preis. „Die Wohnung ist toll. Von der Straße hört man so gut wie gar nichts, wenn man die Fenster zumacht.“ Neun Quadratmeter Balkon, eine Raumhöhe von 2,40 Meter – also mehr als vorgeschrieben – und die hochwertige Innenausstattung sind für ihn ein großes Plus.

„Dieser Vollholzboden aus Eiche ist wundervoll. Er ist so weich. Barfuß darauf zu gehen, ist großartig.“ Auch die Sichtbetondecke mag er – und die weiße Wohnküche mit den Einbauschränken und dem Dunstabzug. Die Ablageflächen sind für seinen Geschmack etwas klein, dafür bietet das Fenster einen schönen Ausblick. Sein Lieblingsplatz – von hier sieht man nämlich direkt in den Sonnenaufgang.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Überbauung Zentrum Heerbrugg
Bauherr i+R Wohnbau, Heerbrugg
Architektur Baumschlager Hutter Partners, Heerbrugg; www.baumschlager-hutter-partners.com
Statik CDS Bauingenieure, Heerbrugg; www.cds-bauingenieure.ch
Fachplanung Geologie: Andres, St. Gallen; Elektro: Schmidheiny, Widnau; Energie: Intemann Au (CH); Brandschutz: PML, Rebstein; Bauphysik: Baumann, Dietfurt; Schallschutz: PML, Rebstein
Planung 03/2015-10/2016
Ausführung 10/2016-04/2018
Grundstück Grundstücksgröße: 2200 m²
Nutzfläche: 2480 m²
Bauweise Massivbauweise (Beton); mineralische Dämmung; hinterlüftete Metallfassade
Besonderheiten Minergie-Standard; Gasheizung mit Sonnenkollektoren; Kontrollierte Gebäudelüftung
Ausführung Baumeister: Keller, Rheineck;
Flachdach: Höchner, Thal; Lüftung,
Heizung, Sanitär: Intemann, Au (CH);
Elektro: Frei, Widnau
Baukosten 9,5 Mill. Euro (netto)