Die beste Sanierung ist die, die man nicht merkt. Dafür muss man mitunter auf
Wärmedämmung, Isolierglas und andere Neuheiten der Bauindustrie verzichten.
Das erfordert ein mutiges Bekenntnis zum Bestand von Architekt, Denkmalamt
und Bauherr. Das Architekturbüro Baumschlager Hutter Partners sanierte das
denkmalgeschützte Pförtnerhaus in Heerbrugg so, dass es bleiben konnte,
wie es war. Neue, reversible Einbauten schaffen zeitgemäßen Wohnkomfort.
Wunderschön und überraschend vielseitig.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer

Das Pförtnerhaus in Heerbrugg steckt voll überraschender Details. Aus seinem Mansarddach ragt ein achteckiges Giebeltürmchen, in dem eine halbgewendelte Holztreppe schwungvoll nach oben führt. Ein dekoratives zinnoberrotes Fachwerk rahmt die Fenster, die es belichten, daneben wölbt sich eine Gaupe mit dunkelgrünen Fensterläden aus dem Dach. Im Pförtnerhaus treffen Landhausstil, Historismus und Art déco aufeinander. Es steht am Beginn der Straße zu Schloss Heerbrugg auf dem Balgacher Berg. Um das Jahr 1910 wurde es vom Architekten Wendelin Heene gebaut, der auch die Villa der Unternehmerfamilie Schmidheiny plante. Seit 2017 gehören die Villa und das Pförtnerhaus dem Unternehmer Bruno Rieser, 2018 mieteten sich die Architekten Baumschlager Hutter Partners in der Villa ein.

Man betritt das Pförtnerhaus im Nordwesten an der Schlossstraße, das Grundstück fällt südostwärts zum Garten hin stark ab. Daher öffnet sich das Untergeschoß direkt ins Freie. Der Gärtner nutzte es für seine Gerätschaften, in den 1960ern wurde eine Garage mit drei Stellplätzen angebaut. Seither war der Gärtner auch Chauffeur. Seine Frau wohnte bis kurz vor ihrem hundertsten Lebensjahr im Haus. Dass es kein Bad hatte, nahm sie hin. Die abgenutzten Böden, die alten Holzvertäfelungen, die salbeigrün und grau gestrichenen Türstöcke und Sockelleisten: Alles ist gezeichnet vom Gebrauch. Nichts wurde vorschnell ausgetauscht, viele Zeitschichten richteten sich hier in friedlicher Koexistenz häuslich ein.

Zum Glück verliebte sich Architekt Jesco Hutter in das Haus. Er nahm die Schönheit, die all seiner Patina innewohnt, sofort wahr. Als ihn der Bauherr fragte, was man tun sollte, war die Antwort klar: „Stehen lassen, wie es ist. Wir sanieren es so, dass seine Qualitäten erhalten bleiben.“ Die Architekten mieden alle Eingriffe, die der Persönlichkeit des Hauses schaden könnten. Sie wussten dabei die Denkmalpflege des Kantons und den Bauherrn auf ihrer Seite. Der Bestand wurde derart behutsam adaptiert, dass man es kaum merkt. „Das Haus ist etwa hundert Jahre alt.“, sagt Hutter. „Es hat Poesie.“ Er trat selbst den Beweis an, dass man so ein altes Haus problemlos auch heute bewohnen kann – und zog sehr zufrieden ein.

„Mit mehr Dämmung würde man das Haus kaputt machen.
Der Einsatz neuer Materialien macht hier keinen Sinn und ist auch nicht ökologisch.
Die Fenster bestimmen in ihrer Zartheit den Charakter des Hauses.“

Jesco Hutter
Architekt

Der Grundriss blieb, wie er war. Keine Unterzüge, keine Durchbrüche. „Es ist ein sehr kompakter Grundriss. Wir haben so gut wie nichts verändert, keine Türen und keine Wände gestrichen, den originalen Boden und die Lampen erhalten. Alles, was da war, blieb.“ Alte Lichtschalter aus Bakelit, Tapeten aus der Zwischenkriegszeit, Dielen aus lackierter Tanne, Holzvertäfelungen, die Abdeckungen der Heizkörper. Alles eine Einheit, alles sorgfältig gereinigt, repariert, ergänzt. „Die Denkmalpflege war extrem glücklich.“ Fenstertausch und Wärmedämmung verweigerten die Architekten – und setzten sich durch. Das geht nur dank Denkmalschutz. „Mit mehr Dämmung würde man das Haus kaputt machen. Der Einsatz neuer Materialien macht hier keinen Sinn und ist auch nicht ökologisch.

Die Fenster bestimmen in ihrer Zartheit den Charakter des Hauses.“ Jedes einzelne wurde ausgebaut, geschliffen, neu gekittet. Sehr wohl gedämmt wurde das Dach – das macht viel Sinn und beeinträchtigt das Haus in keiner Weise. Einiges Mobiliar ging im Laufe der Zeit verloren, Bad und Dusche hatte es noch nie gegeben. Die Architekten führten alle neuen Einbauten reversibel aus und beschränkten sich auf wenige, hochwertige Materialien. Sie entwarfen eine freistehende schwarze Kücheninsel – ein formal reduzierter, schlichter Quader, der auf Füßen am Boden steht und gut zum Bestand passt. Die neuen Heizkörper sind aus Stahl, die Leitungen aus Messing und alle über Putz geführt. Dusche und Bad wurden eigens entworfen, die Wanne steht frei auf dem alten Dielenboden und ist aus dem Naturstein Emperador.

Die einstige Gärtnerwerkstatt im Untergeschoß entpuppt sich als große Entdeckung. Sie ist von preußischen Kappen überwölbt, von gut viereinhalb Meter hohen, patinagetränkten Wänden umgeben und öffnet sich mit drei hohen Fenstertüren zum Garten. Jesco Hutter hat ein langes, durchgewetztes schwarzes Ledersofa aufgestellt, ein paar Fauteuils und eine Stereoanlage. Man fühlt sich wie in einem sehr angesagten Club in London, Berlin oder New York.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Pförtnerhaus Heerbrugg
Bauherr RI-MA Immobilien, Widnau
Architektur Baumschlager Hutter Partners, www.baumschlager-hutter-partners.com
Statik D+S Baustatik, Widnau
Fachplanung Lärmschutz: PML, Rebstein, Heizung, Klima, Lüftung und Sanitär: WWS, St. Margrethen
Ausführung 07/2018–02/2019
Grundstücksgröße 3400 m²
Nutzfläche 150 m²
Bauweise Altbausanierung, Massivbau
Besonderheiten im Inventar für erhaltenswerte Gebäude eingetragen; unter Beibehaltung der we- sentlichen Elemente stilgerecht restauriert
Ausführung Dachdecker: Sonderegger, Widnau; Gipser: profigipser, Kriessern; Maler: Renè Frei, Diepoldsau; Waschbecken und Badewanne: Max Frei, Widnau; Küche: Baumann, Berneck; Betten: Mohr, Andelsbuch
Auszeichnungen Ausgewählte Häuser des Jahres 2020, Anerkennung beim Wettbewerb „Respekt und Perspektive. Bauen im Bestand“
Baukosten ca. 700.000 Euro (Gesamtkosten)