Das Hotel Bären in Mellau im Bregenzerwald ist berühmt für sein Frühstück im hauseigenen Café Deli.
Das liegt nicht nur an den modern interpretierten
regionalen Speisen und dem regional gerösteten Kaffee,
sondern auch daran, dass das Frühstück lange dauern darf. Die Gäste logieren nicht alle im Hotel,
viele von ihnen
leben in Mellau und Umgebung. Im Café Deli begegnen sich Einheimische und Touristen
auch in anderer
Rollenverteilung als im Tourismus üblich.

Autorin: Claudia Rinne | Fotos: Angela Lamprecht

Das Konzept des offenen Hotels bildete sich bei den Hoteliers Josef und Maria Frick während einer mehrmonatigen Reise in der Westpazifikregion heraus. Man kann es sich als Synthese aus Weltoffenheit und Ortsverbundenheit vorstellen, und es hat immer Saison. Zurückgekehrt in den Bregenzerwald, übernahmen die beiden Reisenden das ehrwürdige Hotel Bären in Mellau. Es war zu der Zeit auf die Vermietung von Ferienwohnungen zugeschnitten und bot damit fast das Gegenteil von dem, was sie im Sinn hatten. Die anstehende Generalsanierung durfte also eine kleine Revolution bedeuten.

Das Gebäude war nach dem verheerenden Brand von 1870 massiv aus Achbausteinen und teilweise aus Holz von einem aus Tirol stammenden Baumeister errichtet worden und überragte alle Häuser der Umgebung. Auch heute noch steht es repräsentativ auf einem unregelmäßig geschnittenen Grundstück am Dorfplatz und lehnt sich nirgendwo an. Der Eingang lag im Halbstock und man kann sich ausmalen, wie im Souterrain die Stahlbäder im eisenhaltigen Wasser aus dem Mellental genommen wurden, mit denen der Gasthof Bären im 19. Jahrhundert um Gäste warb.

Mit der Planung und Ausführung des Umbaus betraute das Ehepaar Frick den Architekten, Bruder und Schwager Bernd Frick, und als erstes fuhren sie gemeinsam auf Caféhausrecherche. Sie fand nicht etwa in Wien, sondern in Berlin statt. Schon lange spielen Weltoffenheit und lange Nächte in dieser Stadt eine große Rolle, daher gibt es Frühstück bis zum Abend.

2015 ging der Umbau in Mellau los. Das Dach wurde als Warmdach erneuert und auf zwei Ebenen ausgebaut, mit neuen Zimmern, einer Sauna und einem Entspannungsraum, von dem aus man in die Berge oder in den Sternenhimmel schauen kann. Die Betten und Badezimmertüren sind aus dem Holz des abgetragenen Dachstuhls gefertigt. Anstelle der Ferienwohnungen entstanden Zimmer mit Kitchenette, die Zwischendecken wurden, wo nötig, trittschallgedämmt.

„Einfach, bescheiden und erdverbunden
im besten Sinne darf es sein –
mit kommunikativer Offenheit und
inspirierender Ruhe.“

Bernd Frick,
Architekt

Das Souterrain wurde zum Erdgeschoß, indem das umliegende Gelände an zwei Seiten abgesenkt und mit gestocktem Beton modelliert wurde. Der Haupteingang befindet sich jetzt auf dem neuen Niveau, links von ihm liegt eine Bar, darüber eine Pizzeria.
Rechts von ihm entstand das Café Deli. Hier an der Westecke wurde das Gebäude in seiner ganzen Tiefe und über die beiden unteren Geschoße entkernt. Eine neue Zwischendecke wurde eingezogen, ein mächtiger Gewölbebogen wurde von Putz und Farbe befreit und bildet die Grenze zwischen Gastraum und Küche. Unter dem Bogen ist das Buffet auf einem breiten Tresen aus Stampflehm aufgebaut. Für die Inneneinrichtung wurde altes und neues Mobiliar gemischt. Tischgestelle aus dunkel beschichtetem Quadratrohr versprühen Midcentury-Charme, die Holzstühle sind so divers wie die Gäste. Die gesamte Front ist verglast. Dabei ist das Innere des Cafés nicht etwa der Umgebung preisgegeben, weit eher wirkt das Schaufenster als Gravitationspunkt am flach terrassierten Platz.

Der Gebrauch dieser neuen Situation durfte sich einige Jahre lang einspielen. 2019 kam der Feinschliff. Das Empfangspult wurde in Stampflehm ausgeführt und über dem Café Deli entstand ein weiterer Frühstücksraum, darin eine Bibliothek mit Büchern, Tourentipps und Spielen. An der Nordostseite konnte ein Yogaraum eingerichtet und im Inneren mit Hotel und Café verbunden werden.

Die Küche wurde durch einen Anbau an der Ostseite erweitert, in dem auch Anlieferung und Recyclingwirtschaft neu geregelt sind. Da das Gelände an dieser Seite nicht abgesenkt ist, liegt die Fußbodenoberkante des metallumhüllten Volumens unter dem Umgebungsniveau, während es zum ebenfalls integrierten neuen Eingang der Pizzeria nur wenige Stufen hinaufgeht. Ein großes Küchenfenster schaut nach Süden, auf einen etwas abgerückt stehenden, geschlossenen Unterstand für Fahrräder oder Skier. Er ist ebenfalls neu, ebenfalls aus dunkel beschichtetem Metall. Form, Material und Farbe machen aus der Notwendigkeit, an einem freistehenden, exponierten Gebäude Ergänzungen vorzunehmen, die Tugend einer wohlüberlegten, klaren Aussage. Am Platz wurde ein Brunnen errichtet, diagonal gegenüber dem Anbau. So wird das Ensemble mit dem Zitat ortsspezifischer Motive, Metall und Wasser, vollendet.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Hotel Bären GmbH & CoKG
Bauherr Maria und Josef Frick
Architektur Frick Architekt ZT, Reuthe; www.frick-architekt.com
Statik Mader I Flatz ZT, Bregenz
Fachplanung Bauphysik: DI Günter Meusburger, Schwarzenberg; Bauleitung:
Schmelzenbach, Riefensberg
Planung 2014 und 3/2019–8/2019
Ausführung 2015 und 7/2019–12/2019
Grundstücksgröße 1121 m²
Bauweise Bestand ertüchtigt; Zwischendecken zum Teil schallvergütet; Warmdach in Holz-Elementbauweise; Gewölbesanierung; Küchenerweiterung: Stahlbeton; Heizung: Fernwärme
Besonderheiten Innovationspreis Vorarlberg Tourismus
Ausführung Baumeister: Oberhauser & Schedler, Andelsbuch; Zimmerer: Gerhard Berchtold, Schwarzenberg; Fenster: Kurt Flatz, Alberschwende; Fassade: Felder, Andelsbuch; Holzböden: Christian Dietrich, Lauterach; Elektro: Jürgen Albrecht, Mellau; Kücheneinrichtung: FHE Franke, Dornbirn
Energiekennwert 33 kWh/m² im Jahr (HWB)