Die neue Firmenzentrale von Kaufmann Bausysteme steht auf einem sehr
spitzwinkeligen Dreieck am Ortseingang von Reuthe und flankiert die Bundesstraße. Der Bau von Holzmodulen ist ein wichtiger Unternehmensgegenstand der Bauherrschaft. Was lag da näher, als alle Möglichkeiten auszuschöpfen,
mit denen das hochgradig vorgefertigte Raummodul zur Gestaltung
eines Großraums beitragen kann?

Text: Claudia Rinne | Fotos: Cornelia Hefel

Man kann die Vorteile des Bauens mit industriell vorgefertigten Modulen gar nicht oft genug hervorheben. Die Arbeitsbedingungen sind in der Werkhalle besser als auf der Baustelle. Durch die Unabhängigkeit von den Wetterverhältnissen und die enge Zusammenarbeit verschiedener Gewerke steigt auch die Qualität der Verarbeitung. Standardisierung und Serialität bieten Sicherheit und senken die Kosten. Die Montage eines Gebäudes aus Modulen dauert ab Fundament, je nach Größe, nur wenige Tage oder Wochen. Wenn es um die Einheiten eines Wohnheims oder um Hotelzimmer inklusive Bad geht, also um Einzelraummodule oder Raumzellenbauweise im engsten Sinn, sind die Vorteile am größten. Der Vorfertigungsgrad kann außer allen Installationen und Sanitärobjekten auch Teppiche, Innenwandverkleidung, Leuchten und Einbaumöbel umfassen, manch eine Raumzelle ist schon mit wehender Gardine geliefert worden. Anders als bei Konfektionsware oder Kantinenessen geht es dabei nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern um die größte transportable Einheit.

Für das Programm „Wohnen 500“ wurden Raumzellen so variiert und spezifiziert, dass sie zu Zwei- bis Vierzimmerwohnungen kombiniert werden können. Dreidimensionale Vorprodukte können aber auch nur aus einer Rahmenkonstruktion bestehen. Damit wurden sie allererst für den Bildungsbereich interessant. In Frankfurt oder Berlin stehen schon viele Schulen aus Fabrikaten von Kaufmann Bausysteme, und keine sieht aus wie die andere. Ein Klassenraum besteht in der Regel aus drei Modulen, von denen die beiden äußeren je eine offene Längsseite haben, das mittlere zwei. Zusammengefügt ergeben sich rund 60 Quadratmeter in sehr guter räumlicher Proportion.

Für große Aufenthaltsräume wurden einfach mehr Module mit offenen Längsseiten in die Mitte genommen. Der Einsatz von Raummodulen, die nach drei Seiten offen sind und dadurch zu noch größeren Räumen kombiniert werden können, lag nah, als Kaufmann Bausysteme selbst eine neue Firmenzentrale brauchte. Drei Architekturbüros mit guter Erfahrung im Modulbau bildeten eine Arbeitsgemeinschaft und planten das langgestreckte, dreigeschoßige Gebäude am Ortseingang von Reuthe mit einer Trakttiefe von elf Metern oder zwei Modulen. Es steht auf Gemeindegrund, im Baurecht für 40 Jahre. Das Gelände senkt sich zur Mitte, früher stand Wasser in der Vertiefung. Bannt es jetzt der Brunnen am Haupteingang? Es stellte sich heraus, dass es sich nur um Hangwasser handelte. Das konnte gut kanalisiert werden. Der Fels beginnt unter dem Haus schon in vier Meter Tiefe, nur am nördlichen Ende gab es die Möglichkeit, Erdsonden zu setzen.

„Wir haben miteinander geplant.
Das Konzept ist rasch gestanden,
aus der Form heraus hat das Raumgefüge eine
große Klarheit bekommen.“

Caroline Feldkircher
Bauherrin

An der Bundesstraße nimmt man nur die beiden Obergeschoße wahr. Die Zufahrt liegt am nördlichen Ende des Gebäudes an der kleinen Straße, die ins Dorf führt. Auf dieser Seite ragt die massive Tiefgarage zu einem guten Teil aus dem abfallenden Gelände heraus. Neben dem eingezogenen Eingang liegt die Garagenzufahrt, am südlichen Ende bildet eine große Terrasse vor der Kantine im ersten Obergeschoß ein optisches Gegengewicht. Die großen Fensteröffnungen sind regelmäßig aneinandergereiht, aber unregelmäßig und asymmetrisch ununterbrochen. Hinter den geschlossenen Modulen liegen die beiden vertikalen Erschließungen, über der Kantine auch ein daran anschließender Besprechungsraum aus sechs Modulen. Lediglich zwei metallene Doppelstützen und ein Blick an die Decke lassen ahnen, dass er aus Rahmenmodulen besteht. Über dem Haupteingang liegen zwei kleinere Besprechungsräume.

Der lange Raum in der Mitte jedes der beiden Obergeschoße ist ein Mittelding zwischen Enfilade und Großraumbüro: Die offenen Arbeitsplätze mit je vier Tischen sind an der Straßenseite in kleinen Buchten hinter hüfthohen, kirschroten Tresen aufgereiht, Dreifachverglasung schirmt den Lärm ab. Auf der Hälfte werden die Buchten von einem geschlossenen Modul unterbrochen. An der gegenüberliegenden Seite wechseln sich offene Arbeitsplätze mit nur zwei Tischen mit Einzelbüros hinter Glas ab. Konstruktiv gehört der Mittelgang zu den offenen Viererplätzen, das heißt, diese Module sind fast doppelt so lang wie die gegenüberliegenden. Seriell, aber flexibel. Und abwechslungsreich gestaltet.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Bürogebäude Kaufmann Bausysteme, Reuthe
Bauherr Kaufmann Bausysteme
Architektur Johannes Kaufmann und Partner, Dornbirn
Statik Arbeitsgemeinschaft NKBAK, Frankfurt a. M.; SPS, Salzburg; Johannes Kaufmann, Dornbirn, www.jkundp.at
Fachplanung Bauphysik: Lothar Künz, Hard; Brandschutz: K&M, Au; Haustechnik: Kaufmann Bausysteme, Reuthe
Planung 2019–2020
Ausführung Herbst 2019–Sommer 2020
Grundstück 2395 m²
Nutzfläche 1079 m² (zzgl. Parkebene: 701 m²)
Bauweise Erdberührende Wände: Beton; Raum-module in Holzrahmenkonstruktion; Dach begrünt; Fassade Douglasie; Holz-Alu-Fenster Fichte; Büros mit Teppichen; Riemenböden Douglasie; Sanitärräume Fliesen; Treppen aus Betonfertigteilen; Akustikdecken mit Heizung und Kühlung
Ausführung Baumeister: Oberhauser & Schedler, Andelsbuch; Holzbau: Kaufmann Bausysteme, Reuthe; Dach: Rusch, Alberschwende; Elektro: Meusburger, Bezau; Haustechnik: AWA, Au
Energiekennwert 57,2 kWh/m² im Jahr
Baukosten 4,1 Mill. Euro