Die Olympischen Sommerspiele 1972 in München waren auch
Festspiele von Architektur, Kunst und technologischer Innovation.
Das Veranstaltungsgelände ist ein Vorbild an Nachhaltigkeit.
50 Jahre später ist der neue Sportcampus der Technischen Universität München,
kurz TUM Campus im Olympiapark, von Dietrich|Untertrifaller Architekten
und Balliana Schubert Landschaftsarchitekten den Werten von damals
ebenso wie den Anforderungen von Gegenwart und Zukunft verpflichtet.

Text: Franziska Leeb | Fotos: Aldo Amoretti, David Matthiessen

Wo Athletinnen und Athleten aus aller Welt ihre größten sportlichen Momente erleben, stehen heute Architektur und Inszenierung meist im Zeichen des Gigantismus und der Macht weniger Konzerne, oft auf Kosten der lokalen Bevölkerung. Anders der Münchner Olympiapark: Seit 50 Jahren ist er Veranstaltungsstätte, wertvoller Erholungsraum, attraktiver Wohnort und vieles mehr zugleich. Die Architekturikonen von Frei Otto und Behnisch und Partner bilden mit den anderen Bauten im Zusammenspiel mit der von Günther Grzimek modulierten Landschaft und dem Leitsystem von Otl Aicher ein Gesamtkunstwerk, in dem das fortschrittliche Konzept bis heute nachwirkt. 1998 wurde das Ensemble unter Schutz gestellt, aktuell wird die Ernennung zur UNESCO-Welterbestätte angestrebt.

Weniger im kollektiven Gedächtnis der Öffentlichkeit verankert als das Zeltdach des Olympiastadions, ist der von den Architekten Heinle, Wischer und Partner nördlich davon in einer strengen Rasterstruktur angelegte Gebäudekomplex. Während der Spiele diente er als Trainingsstätte sowie Rundfunk- und Fernsehzentrum. Bereits im Nachnutzungskonzept war er als Hochschulsportanlage vorgesehen. Da gravierende Mängel den Betrieb einschränkten, entschied man sich für einen Neubau.

2015 überzeugte der gemeinsame Entwurf von Dietrich|Untertrifaller Architekten und den Zürcher Landschaftsarchitekten Balliana Schubert die Wettbewerbsjury. Die Aufgabenstellung war komplex. Hunderte Kurse bieten den Angehörigen der Münchner Hochschulen ein breites Sportangebot, 9000 Sport-aktive strömen pro Woche aufs Gelände. Zudem werden in 20 Studiengängen der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften 3000 Studierende ausgebildet, Spitzenforschung betrieben und das Wissen vor Ort angewendet: 14 Sporthallen, 12 Hörsäle, 15 Diagnostikräume, fünf Werkstätten, Bibliothek, Cafeteria, 300 Büros und 20 Hektar Sportflächen im Freien.

„Über allem stand der Anspruch,
einen Ort des Austauschs, der Bewegungsfreude,
des Wohlfühlens und der Inspiration zu schaffen.“

Much Untertrifaller
Architekt

Dies alles galt es räumlich zu verknüpfen, um kurze Wege zwischen Theorie und Praxis sowie fächerübergreifend Orte der Begegnung zu schaffen, transparente Einblicke in die tägliche Arbeit zu geben, aber auch die notwendige Diskretion zu gewähren. All diese Anforderungen seien „ideal und mustergültig umgesetzt worden“, lobte Till Lorenzen, Geschäftsführer der Fakultät, anlässlich der feierlichen Eröffnung Mitte Mai, wo noch Bagger und Abrissbirnen am Werk waren, um die Reste der Bestandshallen zu entfernen. Denn der Neubau entstand im laufenden Betrieb auf der gleichen Fläche wie der Bestand.

Ein rational ausgeklügelter Entwurf bewahrte davor, dass diese Umstände ins baustellenlogistische Chaos führen. Die rechteckigen Baukörper der Hallen- und Büroclusterinnenhöfe fügen sich mit dazwischenliegenden Innenhöfen zu einer klaren Struktur in einem strengen Geviert. Die neuen Sporthallen wurden anstelle der alten Institutsgebäude positioniert. Erst jetzt wird der neue Instituts-Cluster eingefügt. Sporthallen, Institutsbereiche und die komplette Dachkonstruktion sind in Holzbauweise errichtet. Für insgesamt 33.000 Quadratmeter Dach- und Wandflächen brauchte es 5200 Kubikmeter Holz. Eine Innovation ist das stützenfrei 19 Meter über Terrasse und Laufbahn auskragende Dach. Es besteht aus eigens entwickelten 28 Meter langen Hohlkastenelementen, die im Werk bei St. Pölten millimetergenau gefertigt wurden.

Aus Stahlbeton errichtet wurden das Untergeschoß, die Treppenkerne, das Audimax, die Technikspangen zwischen den Sporthallen, die Kletterhalle und die zentrale Erschließungsachse. Diese führt als „Rue Intérieure“ vom Eingang im Osten auf die Terrasse im Westen, um dort in die „Rue Extérieure“ überzugehen, an die das Gros der Sportflächen angeordnet ist. Gebäude und Freiraum schmiegen sich in die Mulde der Grzimek’schen Landschaft. Es erschien nicht angemessen, mit der spektakulären Stadionarchitektur in Konkurrenz zu treten, meint Much Untertrifaller. Denn: „Anders als übliche Sportstätten, wo es wenige ständige Nutzer und punktuell sehr viele Besucher gibt, haben wir hier das Gegenteil.“ Ein schlichter, aber repräsentativer Baukörper, das Dach als einzige große, nützliche Geste und Räume, in denen man sich gern aufhält und trifft. Auch das entspricht dem demokratischen Geist der Spiele von 1972.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Technische Universität München (TUM) Campus im Olympiapark München
Bauherr Staatliches Bauamt München 2
Architektur Arbeitsgemeinschaft Dietrich|Untertrifaller, Balliana Schubert, www.dietrich.untertrifaller.com
Statik Merz Kley Partner, Dornbirn; www.mkp-ing.com
Fachplanung Haustechnik: Vasko+Partner, Wien; Elektro: bbs-project, Tiefenbach; Thermische Simulation: Hausladen, Kirchheim; Akustik: Obermeyer, München; Landschaft: Balliana Schubert, Zürich; Brandschutz: BSSP, München; Bauleitung: Ernst², Stuttgart
Wettbewerb 2015
Planung 2016-2023
Ausführung 2017-2023 (Bauabschnitt 3)
Grundstück 34.900 m²
Nutzfläche 37.900 m² (zzgl. Keller)
Bauweise Holz-Beton-Verbundbauweise
Besonderheiten 19 Meter auskragendes Vordach
Ausführung Holzbau: Rubner, Brixen (IT); Fassade: Gebrüder Schneider, Stimpfach; Dach: Täumer, Landsberg am Lech; Holzdecken: Vogl, Roßbach; Metalldecken: Kaefer, Bremen; Elektro: Bauer, München