Boden der Zukunft – Raum und Möglichkeitsraum definieren
Raumplaner Arthur Kanonier, Professor an der TU Wien über Wohnen,
Bodenverbrauch und Raumplanung in Vorarlberg.
Derzeit verfehlt Österreich mit einem Bodenverbrauch von umgerechnet 11,5 Hektar pro Tag das Nachhaltigkeitsziel (2,5 Hektar) der Regierung um mehr als das Vierfache. Vorarlberg verliert pro Jahr 100 Hektar landwirtschaftliche Fläche durch Verbauung. Es werden vielfach ertragreiche Flächen in den Tallagen zubetoniert und versiegelt, welche die Grundlage der Lebensmittelerzeugung darstellen. Im Rahmen der Gesprächsreihe „Zukunftsstorys“ fand kürzlich unter dem Motto „Unser Boden der Zukunft – Verlorener Raum oder Möglichkeitsraum?“ ein Gespräch von Zukunftsforscher Klaus Kofler mit Prof. Dr. Arthur Kanonier, Professor für Raumplanung, Bodenpolitik und Bodenmanagement an der TU Wien, in der Stadtbibliothek Dornbirn statt. Inhalt waren die immensen Herausforderungen der gegenwärtigen Verbauung unserer Lebens-, Wirtschafts- und Naturräume.
Boden ist mehr als Fläche
Die Bodenpreise in Vorarlberg steigen seit Jahren kontinuierlich und deutlich an – und das wird sich auch künftig nicht ändern, so der gebürtige Dornbirner Dr. Kanonier. Er führte aus, was für eine knappe Ressource Boden darstellt: Er kann weder beliebig erzeugt noch verlegt oder verschoben werden. Boden ist Träger vielfältiger Funktionen – er hat Regulierungs- und Produktionsfunktion, Rohstoff-, Archivfunktion und Trägerfunktion. Der Nutzungsdruck steigt stetig, die Nutzungsansprüche nehmen tendenziell zu. Ein geringer Dauersiedlungsraum und intensive Raumnutzung führen bei Elementarereignissen zu hohen Schäden. Fehlen Retentionsflächen, so können Starkregenfälle und Überflutungen zu stunden- oder tagelangen Ausfällen der Verkehrswege und Wirtschaft führen.
Gesetz vor Evaluierung
Raumplanung hat eine „dem Besten dienende Gesamtgestaltung des Landesgebiets“ anzustreben. Die raumplanerische Entwicklung der Gemeinden und des Landes fußt auf dem – laut Verfassungsgericht – zu evaluierenden Vorarlberger Raumplanungsgesetz. Sie dient der Erhaltung der Vielfalt von Natur und Landschaft, vor allem jedoch der nachhaltigen Sicherung der räumlichen Existenzgrundlagen der Menschen für Wohnen, Wirtschaft und Arbeit, einschließlich der Sicherung von landwirtschaftlichen Flächen unter Berücksichtigung der bodenabhängigen Lebensmittelerzeugung. Diese teilweise gegenläufigen Inter-essen abzustimmen ist eine anspruchsvolle Aufgabe.
Flächen entsiegeln
Anhand einiger Beispiele zeigte Dr. Kanonier raumplanerische Fehlentwicklungen auf – so ein burgenländisches Outletcenter, bei dem auf bes-tem landwirtschaftlichen Grund riesige Parkflächen und Zufahrtsstraßen errichtet worden sind. Die Ziele der ÖROK (Österreichische Raumordnungs-Konferenz) zur Reduktion des Bodenverbrauches sollen bis 2030 umgesetzt werden. Die Zunahme von Flächen-Inanspruchnahme und versiegelte Flächen sollen substanziell verringert und versiegelte Flächen entsiegelt werden, um landwirtschaftliche Flächen zu sichern und dem Klimaschutz Rechnung zu tragen. Ernährungssicherheit gewinnt an Bedeutung, Frei- und Grünland muss geschützt werden, Zersiedelung unterbunden, das Bewusstsein geschärft werden und eine effiziente Innenentwicklung stattfinden.
Klimafitte Siedlungsstrukturen
„Wie schaffe ich es, leistbares Wohnen sicherzustellen?“ lautete eine Frage. Neben den Sonderwidmungen freier Flächen, die zu den überarbeiteten Teilen des Gesetzes gehören, werden im Umgestaltungsprozess weitere Themen wie Zweitwohnsitze oder Schutzzonen rund um Unternehmen aufgegriffen. Für eine effiziente Innenentwicklung ist die Schaffung kompakter, qualitätsvoller und klimafitter Siedlungsstrukturen notwendig. Die Mobilisierung geeigneter Baulandreserven, das Recycling von Brachflächen und die Mobilisierung von Leerständen sowie die Förderung von Renovierungen und Adaptierungen dienen den Zielen. Eine überörtliche Raumplanung gegen die Zersiedelung und die den sozialen Wohnbau forcieren könnte wäre zielführend. Der Umgang mit Boden ist daher eine wesentliche Herausforderung – auch bezweifelt Dr. Kanonier die Fortführung der Praxis der klassischen Einfamilienhäuser, ist jedoch überzeugt, dass die Raumplanung Instrumente hätte, um leistbares Wohnen zu ermöglichen.