Simon Moosbrugger hat mit viel Gespür für das Zusammenspiel
von Alt und Neu den ehemaligen Stall eines kleinen,
400 Jahre alten Bauernhauses in Hirschau
in einen Ort zum Leben und Arbeiten verwandelt.

 

Text: Edith Schlocker | Fotos: Simon Oberhofer

Als Kind war die junge Schweizerin, die seit etwa zwei Jahren mit ihrem Mann im ehemaligen Ferienhaus ihrer Mutter in Hirschau lebt, viel dort. Um in dem kleinen, 1986 gekauften alten Bauernhaus unbeschwerte Zeiten zu verbringen. Da störte es kaum, dass es kein wirkliches Bad gab, die Küche uralt, das Haus kaum heizbar, innen scheußlich verkleidet war. Der Plan, nach dem Tod der Mutter vor vier Jahren das Haus einigermaßen herzurichten, um es an Urlauber gut vermieten zu können oder vielleicht auch zu verkaufen, wurde bald wieder verworfen. Verliebte sich als Konsequenz dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Erbe die damals genauso wie ihr Mann noch in Wien studierende junge Frau doch immer mehr in ihr Bregenzerwälder Häuschen.

Doch als das junge Paar immer ernsthafter damit liebäugelte, ganz nach Hirschau zu übersiedeln, holten sich die zwei den jungen Bregenzerwälder Architekten Simon Moosbrugger, den sie bereits von ihren gemeinsamen Wiener Jahren her gut kannten, an ihre Seite. Dem es wichtig war, den bestehenden Grundriss des Gebäudes bei dem Neubau des Hinterhauses, zu dem sich der ehemalige Stall mausern sollte, in seiner einfachen, räumlich-kontruktiven Logik weiterzudenken, allerdings in der Formensprache bzw. Materialität von heute neu interpretiert.

„Im Hinterhaus erhielt jeder Raum gemäß seiner
Funktion seine spezielle Geometrie. Das Durchschreiten von Alt und Neu
wird so zum alltäglichen Erlebnis.“

Simon Moosbrugger
Architekt

Die Übergänge vom Alt- zum Neubau sind ebenso radikal wie voller subtiler Poesie. Was besonders jene zwischen den beiden Bereichen so reizvoll macht, die Zonen, in denen sich diese ineinander verzahnen, Räume mit der Höhe von gerade einmal 1,80 Metern in solche übergehen, deren lichte Höhe bis zum Giebel 4,60 Meter misst. Zwei Welten feiern auf diese Weise Hochzeit, das Dunkle und das Helle, das Introvertierte mit dem Extrovertierten, das Offene und das Geschlossene, das Grobe und das Feine.

Vom ehemaligen Stall übriggeblieben ist eigentlich nur das Gerüst des Satteldaches, das bereits seit einem früheren Umbau etwa einen halben Meter höher als das des Wohntrakts war. Der unter diesem eingehauste, ökologisch gedämmte, Richtung Osten zum größten Teil raumhoch verglaste Holzbau aus Fichte ist zweigeschoßig und innen komplett mit gebürsteter Weißtanne verkleidet. Die Haus- bzw. Bauherrin hat hier ihr Büro bzw. ihren Seminarraum, wobei der bis unter das Satteldach offene obere Bereich ein großes Dachfenster mit exklusivem Ausblick in den Himmel hat. Als Reverenz an das Bestandsgebäude sind die Innenwände bis zur Höhe von diesem vertikal verkleidet, darüber horizontal. Der bestehende Schopf wird in diesem neuen Teil zum bis unter das Dach offenen Freibereich mit einem Boden aus geschliffenem Beton, fein beschirmt durch eine vom Dach abgehängte lockere Verlattung.

Das neu eingebaute WC kommt durch sein mit rosa Kalk verputztes Tonnengewölbe und die Terrazzofliesen am Boden fast sakral daher. Mit Terrazzo verfliest ist auch das Bad, dessen Dusche ebenfalls fast pathetisch von einer Tonne überwölbt wird. Belichtet durch ein riesiges Fenster Richtung Westen mit einem Sichtschutz aus feststehenden hölzernen Latten. Den Rest der rund 100 Quadratmeter Nutzfläche nehmen Technikräume, Werkstatt und Garage ein. Geheizt wird per Kachelofen und – wenn nötig – mit Pellets.

Für seine bewusst unaufgeregte Revitalisierung dieses schönen alten Bauernhauses wurde Simon Moosbrugger mit einer Anerkennung beim „Vorarlberger Holzbaupreis 2023“ belohnt. Für „ein Vorzeigeprojekt für sensiblen, respektvollen und ehrlichen Umgang mit vorhandener historischer Substanz“, so die Jury.

Objekt Revitalisierung Hinterhaus, Hirschau
Bauherr Stephi und Tom Straub
Architektur DI Simon Moosbrugger Architekt ZT, Andelsbuch, www.simonmoosbrugger.com
Statik ZTE-Leitner, Schröcken, www.zte.at
Fachplanung Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg
Planung 03/2021–03/2022
Ausführung 03/2022–11/2022
Grundstück 520 m²
Nutzfläche 58 m² (zzgl. Garage und Bestand)
Bauweise Ständerbauweise mit Schalung, Zwischendecke aus Massivholz, Hinterhaus ohne Unterkellerung; Heizung: Kachelofen (Bestand)/Pellets (neu)
Ausführung Baumeister und Betonböden: Muxel Moos­brugger, Schoppernau; Zimmerer u. Innenausbau: fb, Schnepfau; Fenster: Alexander Beer, Schnepfau; Möbel: Alex Beer, Schnepfau und Pius Kaufmann, Bezau; Holzböden: Stipo, Bezau; Fliesen: Othmar Zwischenbrugger, Schnepfau; Maler: Comper, Egg; Heizung u. Sanitär: Christoph Bereuter, Sibratsgfäll; Elektro: Werner Albrich, Hirschau; Erdarbeiten: Hager, Schoppernau; Estrich: Vigl+Strolz, Hirschau
Energiekennwert 58 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten 240.000 Euro