Spielwiese
Kindergarten, Schule, Sportplatz gibt es schon. Nun ist der kleine „Bildungscampus“ im Ortskern von Langenegg um ein weiteres Angebot gewachsen. Das neue Haus für die Kleinkindbetreuung folgt dem natürlichen Gelände. Raum um Raum entwickelt sich die Architektur hangaufwärts, der einladenden Umgebung im wahrsten Sinn des Wortes zugeneigt.
Autor: Tobias Hagleitner | Fotos: Benno Hagleitner
Eigentlich ist das Haus eine kleine, überdachte Landschaft. Kaskadenförmig stuft es sich in Halbgeschoßen bergwärts. Was draußen Wiese ist und Baum, übernehmen innen Eschendielen und Tannentäfer. Große Fensterflächen auf beiden Seiten halten die enge Verbindung zwischen gebautem und natürlichem Terrain. Unten, im etwas kürzeren Nordflügel der L-Form, haben die allgemeinen Flächen, Büro, Nasszellen und ein Bewegungsraum Platz. Im längeren Bauteil reihen sich die drei Gruppenräume aneinander. Ganz oben, als Schlusspunkt, gibt es ein Ruhezimmer für das Mittagsschläfchen der Kleinen.
Bürgermeister Karl Krottenhammer und Architekt Matthias Hein begleiten durchs Gebäude. Es habe sehr schnell gehen müssen, berichten sie von einem äußerst kompakten Entwurfs- und Bauprozess. Anfang vergangenen Jahres wurde mit der Planung begonnen, im Juli war der Bagger da, im September stand das Haus, im Dezember wurde es bezogen. Warum die Eile?
„Die Zahl der Kindergartenkinder hat sich bei uns innerhalb von drei Jahren verdoppelt“, schildert der Ortschef die steile Wachstumskurve. Auch die Nachfrage nach Betreuungsplätzen für unter Dreijährige sei immer drängender geworden. Beschleunigend wirkte zudem die Tatsache, dass zur Verfügung gestellte Fördermittel innert Jahresfrist abgerufen werden mussten.
Der hohe Termindruck bedingte, dass sich die prämierte Baukultur-Gemeinde Langenegg eine kleine Ausnahme von der bewährten Regel leistete und keinen Architekturwettbewerb auslobte. Aufgrund der geringen Projektgröße war das rechtskonform. Angesichts des vorbildlichen Niveaus, das sich bei kommunalen Bauvorhaben insbesondere in den Vorderwaldgemeinden in den letzten Jahren etabliert hat, trotzdem ein Kritikpunkt. Beliebig oder baukulturell nachlässig war die Vergabe aber nicht: „Schon vor ein paar Jahren habe ich auf einer Exkursion den Kindergarten in Muntlix von Architekt Matthias Hein kennengelernt“, begründet der Bürgermeister die Entscheidung zum Direktauftrag. Dieses Referenzobjekt, immerhin Träger des Staatspreises für Architektur und Nachhaltigkeit, habe ihn auf Anhieb begeistert und den Wunsch geweckt, mit dem Büro zu planen.
Und so machte sich der Architekt mit seinem Team an die Arbeit. Ein wichtiger gestalterischer Grundsatz von Muntlix sollte auch diesen Entwurf bestimmen: „Mir ist es wichtig, dass ein Gebäude in mehrere Richtungen funktioniert,“ erklärt Matthias Hein die räumliche Konzeption, „in allen drei Gruppenräumen, im Bewegungsraum, in der offenen Küche mit Essbereich und auch im Büro gibt es Durchsicht und Belichtung von zwei Seiten.“ Die besondere Lage des Hauses macht dieses Konzept besonders interessant und praktisch. Die Kinder genießen nicht nur die Nähe zur attraktiven Spielwiese draußen, sie können die spannenden Übergänge von Raum zu Raum, hinunter und hinauf, auch spielerisch erkunden. „Die sinnliche Erfahrung steht in dieser prägenden Phase im Vordergrund. Und das berücksichtigten wir: Wie riecht das Haus? Wie fühlt es sich an? Was kann man hören? Das waren unsere Parameter.“
„Wir wollen Räume der Sicherheit und Geborgenheit schaffen,
weil dort der Mut zum Erleben und Erkunden entstehen kann.“
Matthias Hein
Architekt
Die Ausstattung und Möblierung wurde in enger Abstimmung mit und teilweise von den Vorarlberger Tagesmüttern erarbeitet. Sie betreiben das Haus im Auftrag der Gemeinde als einen von mehreren „Zwergengärten“ im Land. Die große Erfahrung, die Sabrina Stadelmann als Qualitätsmanagerin des Teams einbrachte, macht sich in vielen Details der Einrichtung bemerkbar. Neben äußerst raffinierten Hockern, die von der Lebenshilfe angefertigt wurden, eigens entwickelten Wühlkisten oder einem kleinen Bodenbecken für „Kinderwellness“ im Sanitärbereich regte sie vor allem auch die Spieltürme in jedem Gruppenraum an. Dieser Zusatzwunsch konnte trotz des großen Zeit- und Kostendrucks mit vereinten Kräften umgesetzt werden. Darauf sind alle Beteiligten stolz und von den Kindern wird die Attraktion geliebt. Zum Schluss erkundet der Baukultur-Reporter auf ausdrückliche Einladung seiner Gastgeber das vertikale Höhlensystem von innen. „Das ist ja toll“, verzeichnet das Aufnahmegerät dumpf seine Stimme aus dem Bauch des Turms. Etwas später tönt es begeistert von ganz oben: „Wow! Ich seh hinüber in den nächsten Raum!“
Daten & Fakten
Objekt Kleinkindbetreuung, Langenegg
Bauherr Gemeinde Langenegg
Betreiber Zwergengarten, Vorarlberger Tagesmütter gGmbH, Feldkirch
Architektur HEIN architekten, Bregenz (Bernd Rommel) www.hein-arch.at
Statik planDREI, Andelsbuch, plandrei.at
Fachplanung Bauaufsicht, Kostenermittlung, Projektsteuerung: Claudius Flatz, Baukultur, Schwarzenberg; Bauphysik: Günther Meusburger, Schwarzenberg; Bauökologie: Spektrum, Dornbirn / Siegfried Lerchbaumer; kommunaler Gebäude-ausweis: Dietmar Lenz, Umweltverband; Heizung Lüftung Sanitär: E-Plus, Egg; Elektro: Willi Meusburger, Bezau
Planung 1/2017–7/2017
Ausführung 7/2017–9/2017
Grundstück 3032 m²
Nutzfläche 403 m²
Bauweise Erdberührte Bauteile aus wärmegedämmtem, wasserundurchlässigem Beton; Außenwände: ausgedämmte Holzständerkonstruktion mit hinterlüfteter Schindelfassade; Dach: extensiv begrünte Brettstapeldecke mit Aufdämmung; Fenster aus geölter Tanne; Sonnenschutz durch Metallraffstore; innen Holzständerwände mit Massivholztäferung (Tanne ge-
hobelt und unbehandelt); Riemenböden aus sägerauer Esche auf Heizzementestrich: in den Nassbereichen Mosaikfliesen; abgehängte, schallabsorbierende Holzlattendecken aus massiver gehobelerter und unbehandelter Tanne); Tischlermöbel aus geöltem Massivholz, Dreischichtplatten und furnierten Holzwerkstoffplatten; Heizung: Anschluss an bestehendes Fernwärmesystem; Fußbodenheizung; kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung
Ausführung Baumeister: Berkmann, Riefensberg; Zimmermann und Innenausbau: Hirschbühl, Riefensberg; Holzfenster, Innentüren: Oskar Beer, Au; Tischlermöbel: Holztraum, Langenegg
Energiekennwert 17 kWh/m² im Jahr (HWB)