Zwischen Stadt und Land
Wo zuvor das frühere Gasthaus zum Eisplatz stand, an der stark befahrenen Kreuzung zwischen Eisen- und Eisplatzgasse in Dornbirn, stehen nun zwei selbstbewusste neue Holzbaukörper.
Text Clemens Quirin · Fotos David Schreyer

Als Gasthaus (ab 1885) wurde das vorarlbergtypische Haus mit Wohn- und Wirtschaftsteil schon lange nicht mehr genutzt. Hier wohnten viele Jahre zwei Familien unter einem gemeinsamen Dach. Aus einer der beiden stammt auch der junge Architekt Paul Gröfler, der gemeinsam mit seinem Büropartner Much Schwarz den Neubau geplant hat.

Gewandelt hat sich aber nicht nur die Nutzung des Hauses, sondern vielmehr die ganze Umgebung. Mit der Zeit hat sich die Stadt immer weiter ausgedehnt und einen heterogenen, recht uneinheitlichen Siedlungsteppich entstehen lassen. Dafür wurde das in diesem Stadtteil moorige, feuchte Gebiet – mit dem ersten Eislaufplatz von Dornbirn – fortlaufend trockengelegt. Darunter litt wiederum die alte Bausubstanz des eingangs genannten Rheintal-Gasthauses. Große Setzungsrisse, verstärkt durch die Trockenheit der letzten Jahre, durchzogen das Gebäude. Die herbeigerufenen Sachverständigen sahen dann sogar Gefahr in Verzug! Das Gas musste abgestellt werden und der Abbruch war unvermeidlich.


„Innerhalb der Wohnungen war es uns wichtig, eine gute Durchwegung zu schaffen und Blickachsen freizuspielen. Das verleiht den bewusst kompakt gehaltenen Grundrissen eine gewisse Großzügigkeit.“
Paul Gröfler
Architekt

Nicht selten wird das Argument einer unzureichenden Statik nur vorgeschoben, hier kann man aber zu Recht sagen, das Haus war leider nicht zu retten. „Eigentlich wollten wir gar nicht abbrechen und neu bauen, wir haben über die Jahre unser Haus immer wieder um- und ausgebaut und uns sehr wohlgefühlt“, sagt die Mutter von Paul Gröfler, jetzt eine Bewohnerin des Neubaus. Dann war aber recht schnell klar, hier, an diesem inzwischen zentrumsnahen Ort, kann nicht einfach wieder ein Doppelhaus entstehen. Eine städtische Verdichtung war eindeutig angebracht. Ein Vorbild nahmen sich die beiden Architekten an der Dornbirner Innenstadt, mit den dort oft anzutreffenden Stadthäusern der vorletzten Jahrhundertwende. „Aber wir bauen sehr gerne mit Holz, eigentlich sollte es sogar ein Holz-Massivbau werden“, berichtet Paul Gröfler und weiter „auch an den Stadtvillen finden sich immer wieder Anbauten aus Holz. Überhaupt scheint uns die Stadt Dornbirn, in ihrer Struktur, als die ländlichste Stadt von Vorarlberg“.

Die Zinswende und die hohen Baupreise zum geplanten Baubeginn machten den Plan von einem reinen Holzbau leider zunichte. Entstanden ist schlussendlich ein Mischbau aus Beton und Holz. Was die Architekten zunächst als Nachteil sahen, entpuppt sich in den Wohnungen als großer Glücksgriff. Die sichtbargelassenen Beton- und die ergänzenden Holz-und Putzoberflächen changieren geschickt zwischen modern-städtisch und ländlich-warm. Großzügigkeit erhalten die Wohnungen durch die zimmergroßen Loggien, die sowohl von der Küche und dem Essplatz wie auch vom Wohnzimmer als Raumerweiterungen wahrgenommen werden. Und das bei äußerst kompakten Grundrissen.

Die kleinste Dreizimmerwohnung hat nur 58 Quadratmeter! Ein Beweis, dass eine kleine Wohnfläche nicht zwingend einengen muss. Aber kommen wir noch einmal zurück zum Städtebau. Wie an der Eisengasse üblich, stehen die neuen Baukörper nicht lotrecht zur Straße, sondern sind leicht versetzt und verschoben. Das bringt Vorteile in der Belichtung der Wohnungen und lässt einen kleinen Vorplatz entstehen. Das offene Treppenhaus ist kosteneffizient und ermöglicht einen luftig-hellen Austausch zwischen den Parteien. Die Erdgeschoßzone zur Straße wird, wieder ganz städtisch, gewerblich genutzt. Das passende Schlusswort liefert die Schwiegermutter des Architekten Gröfler, die inzwischen auch eine der vierzehn Wohnungen bewohnt: „Es ist höchste Zeit, dass die Eisengasse verkehrsberuhigt wird. Eine Allee wäre schön.“ Ist nicht genau das Vorarlberg, irgendwo zwischen Land und Stadt, oder zwischen Stadt und Land?

Eine Baukulturgeschichte von VAI.
Das vai ist die Plattform für Architektur und Baukultur in Vorarlberg. Es bietet eine Bibliothek, Aus-stellungen, Veranstaltungen und Vor-Ort-Termine in den Gemeinden: Mehr Infos auf www.v-a-i.at
Wohnbauten Eisengasse
Bauherrenschaft: planDREI Hammerer GmbH, Andelsbuch, www.plandrei.at
Architektur: Groefler Schwarz Architekten ZT GesbR, Wien, www.groeflerschwarz.at
Statik: KPPK Ziviltechniker GmbH, Wien, www.kppk.at
Planung: Juni/2020–April/2022
Ausführung: April/2022–Jänner/2024
Fachplanung: Bauphysik: DI Günter Meusburger GmbH, Schwarzenberg, www.gmbauphysik.at
Elektrotechnik: Elektro Peter GmbH, Schwarzenberg, www.elektropeter.at
HKLS: Siegfried Steurer Installationen/Energietechnik GmbH, Andelsbuch, www.steurer.co.at