Ein innovativer Concept Store am Lochauer Seeufer zeigt, wie Leerstand zur Chance wird – für Handel, Nachbarschaft und kreative Ideen. Von außen wirkt die Fassade wie ein verspiegeltes Schaufenster zum Bodensee. Innen erweisen sich die Räumlichkeiten als ein Marktplatz der Ideen: das Aquarium in Lochau. Wo sich früher gähnende Leere ausbreitete, herrscht seit Anfang Juni ein reges Kommen und Gehen von Besucher(inne)n.

Text: Klaus Feldkircher · Fotos: Marcel Mayer

Wer heute das Aquarium betritt, wird sofort vom besonderen Ambiente der Location umfangen. Das Interieur ist geprägt von seinem speziellen Industrial Look: Die Decke ist mit weißen Schallschutzplatten abgehängt, zwischen den einzelnen Elementen schlängeln sich Kupferrohre, die für ein angenehmes Raumklima sorgen. Das cleane Ambiente wird durch den Duft von frischem Brot, einem besonderen Raumparfum und vielen anderen farbigen Sinneseindrücken untermalt.

Den See immer im Blick

Die fast raumhohen Glasfronten geben einen weiten Blick auf den Bodensee frei, der sich je nach Wetterlage mal launisch, mal von seiner besten Seite präsentiert, während sich im Inneren eine Welt auftut, in der der klassische Einzelhandel Kopf steht oder, besser formuliert, neu gedacht wird: Auf über 400 m2 ist hier kein Geschäft im klassischen Sinn entstanden, sondern eine temporäre Spielwiese für lokale Unternehmende, Kunstschaffende und Neugierige, frei nach dem Motto: „Alles, was du siehst, ist zu erwerben.“ Das reicht von Surfbekleidung über Zimmerpflanzen, Sitzmöbel, Prosecco bis hin zum Biosteak.Dabei war das Gebäude selbst lange Zeit das Gegenteil von lebendig: Großraumbüro, Möbelhaus, um die Location rankten sich jahrelang besondere Nutzungsideen, allesamt aber irgendwie nicht von Erfolg gekrönt. „Wir haben das Objekt schon länger im Blick“, erzählt Shop-Betreiber Clemens Sagmeister. Als das Lokal 2025 erneut leer stand, griff er zu – und schuf daraus in nur sechs Wochen ein Beispiel dafür, wie kreatives Leerstandsmanagement funktionieren kann.

„Der Name Aquarium ist Programm: international verständlich, offen für Vielfalt, wandelbar. Kurzum: Ein Raum, in dem verschiedenste Fische – regional, national, international – miteinander schwimmen können.“

Clemens Sagmeister
Shopbetreiber

Vom Leerstand zum Lieblingsort

Dass Leerstand in Gemeinden und Städten zu einem wichtigen Thema im Bereich einer nachhaltigen Nutzung wird, zeigen die jüngsten Aussagen von Johannes Pressl, Präsident des Österreichischen Gemeindebunds: „Wer Gebäude leer stehen lässt, entzieht der Gemeinde wertvollen Lebensraum.“ (https://gemeindebund.at/; 6.8.2025) Das Aquariums ist dafür das Gegenbeispiel: Es zeigt, was möglich ist, wenn Eigentum aktiviert wird, statt zu verfallen. „Wir wollten keinen toten Verkaufsraum, sondern einen Ort, der sich ständig verändert“, sagen die Macher des Aquariums. Deshalb basiert das Projekt auf einem dreigleisigen Konzept: Im Concept Store sind „Local Heroes“ vertreten, also bekannte regionale Anbieter wie Sakura Sushi oder Casa Möbel. Daneben finden sich „Missing Heroes“ wie der Metzger Jogi oder ein Sportartikelvertrieb, die in Bregenz fehlen. Die dritte Gruppe sind junge Start-ups, die hier relativ risikofrei ihre Produkte testen können. Die Waren im Aquarium gehören den jeweiligen Partner(inne)n. Der Verkauf erfolgt über das Kassensystem des Stores auf Kommissionsbasis. Gleichzeitig übernimmt das Aquarium eine wichtige Rolle für das wachsende Wohngebiet Lochau Süd: Nahversorgung mit Stil. Sushi, Brot, Fisch, Wein, Geschenke – vieles davon frisch geliefert, manches in limitierter Stückzahl.

Wandelbar wie ein echtes Aquarium

Das Innenleben des Stores ist modular gestaltet, saisonale Themen geben den Takt vor. Vom „Endlosen Sommer“ bis zum „Warm&Cozy Winter“ wird das Sortiment laufend neu kuratiert. Ein kleiner Kunstraum mit wechselnden Ausstellungen, ein gemütlicher Kinderbereich, Produkte für Vierbeiner – das Aquarium denkt viele Lebensbereiche mit. Das Konzept: hybrid, nachhaltig, lokal. Kund(inn)en lieben die skandinavisch-urbane Atmosphäre, das Überraschungsmoment beim Eintreten und die Möglichkeit, echte Menschen hinter den Produkten kennenzulernen. Auch optisch ist das Aquarium ein Statement: Vor dem Eingang steht ein alter VW-Käfer, saisonal geschmückt, inzwischen Selfie-Hotspot und Symbol für Wandelbarkeit. Innen sorgen Akustikdecken, Glaskuben und clevere Kühltechnik für ein besonderes Einkaufserlebnis, ohne dabei abgehoben zu wirken.

Ein Modell für die Zukunft?

Das Konzept ist finanziell durchdacht: Mieten, Kommissionsanteile und eine schlanke Personalstruktur – zwei Angestellte – ermöglichen einen wirtschaftlich stabilen Betrieb ohne Vorfinanzierung von Waren. Der Vierjahresvertrag für die Immobilie spricht für langfristiges Denken, nicht für kurzfristige Pop-up-Romantik. Gleichzeitig bleibt das Aquarium dynamisch: Ein Drittel der Partnerflächen wird pro Zyklus neu vergeben. So bleibt das Konzept lebendig. Das Aquarium ist weit mehr als ein Concept Store. Es ist ein Gegenentwurf zum schleichenden Leerstand, wie er vielerorts in Österreich zu beobachten ist. Es zeigt, wie Bau- und Nutzungspotenziale gehoben, wie Eigentum verantwortungsvoll aktiviert und wie Handel neu gedacht werden kann – mit Gespür für Ort, Menschen und Zeitgeist.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.

Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg.
Es bietet Ausstellungen, Veranstaltungen und Führungen zu diversen Bauten. Mehr Infos auf www.v-a-i.at

Aquarium, Bregenz

Adresse: Bregenzer Straße 51, Lochau
Geöffnet: Dienstag bis Freitag, 10-20 Uhr, Samstag, 10-18 Uhr
Besonderheit: Leerstandsnutzung mit innovativem Handelskonzept in Form
eines Pop-up-Stores auf über 400 m².
Kooperationspartner: Sagmeister – Der Mann, Der kleine Sagmeister, CASA Möbel, Buchhandlung Brunner, KUB Café Bar, Fiveboards, Stopolobo, 04651 A trip in a bag, Valentina & Philippa Organic Body Care, Sakura Sushi Bar, hops&malt, sommerkind, Der Hofrat, Jogi Fleisch, Frau Kaufmann, marenda Brotkultur und Genuss, Robstarkwine, Marmels Hofeis
Kunst im Aquarium: Ausstellung mit
Fotografien von Marc Lins