Urbanität ist wieder gefragt
Weiterdenken alter Strukturen im Geist und mit den Mitteln von heute:
Bernardo Bader führt in Hohenems vor, wie man das macht.
Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Darko Todorovic
Ein weiteres Stück Hohenems wurde aus dem Dornröschenschlaf erweckt. Mit Bernardo Bader hat Projektentwickler Markus Schadenbauer-Lacha einen Architekten mit dem entsprechenden Gespür für diese sensible Aufgabe gefunden.
Wie viele andere historische Stadtkerne verwaiste auch der von Hohenems seit den 1970er-Jahren zunehmend. Die Wohnungen entsprachen dem modernen Standard längst nicht mehr, die Laster donnerten an ihren Fenstern vorbei, was die zunehmend entnervten Bewohner in die neu errichteten Wohnanlagen am Stadtrand oder in die Einfamilienhaus-idylle auf der grünen Wiese emigrieren ließ. Diesem Exodus folgte ein Sterben der kleinen Geschäfte und Gewerbebetriebe, mit der Konsequenz, dass die teilweise auf die Barockzeit zurückgehenden Häuser immer mehr verfielen. Eine Entwicklung, die auch die Unterschutzstellung der Fassaden durch das Bundesdenkmalamt nicht aufhalten konnte.
Ein privater Investor, der Projektentwickler Lacha & Partner, schaffte es sukzessive, diese fatale Entwicklung zu stoppen bzw. umzukehren. Nach der liebevollen Revitalisierung des Jüdischen Viertels und des Beck-Areals kamen nun der nördliche Teil der Marktstraße und die Harrachgasse als Verbindung zum Jüdischen Viertel an die Reihe. Denn Markus Schadenbauer-Lacha ist einer, dem Hohenems wirklich ein Anliegen ist. Er sei allerdings kein „Gutmensch“, stellt der Geschäftsmann klar, sondern einer, der die Zeichen der Zeit erkannt hat, den Trend zum Urbanen, zum Individualismus, zur kleinen Struktur.
„Für mich ist die Besinnung auf die historischen Stärken, die Qualität des
Bestehenden und damit die Differenzierung der einzige Weg, wie sich Hohen-ems profilieren kann.“
Markus Schadenbauer-Lacha
Projektentwickler
Bei dem seit 2010 laufenden Projekt Marktstraße/Harrachgasse ging es in einer ersten Stufe um die Sanierung von fünf alten und anschließend um den Bau von zwei neuen Häusern. Sie bilden ein höchst heterogenes Ensem-ble, manche stehen mit dem Giebel, manche mit der Traufe zur Straße. Obwohl bis auf ein Haus dreigeschoßig, sind die Höhen unterschiedlich, genauso wie es die Textur der Fassaden ist. Die des Hauses Nr. 31 ist reizvoll floral strukturiert, andere sind rau oder ganz glatt verputzt. In Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt in einer eleganten, schön aufeinander abgestimmten Farbigkeit anstatt der bisher knallig grellen.
Mit Bernardo Bader hat Markus Schadenbauer-Lacha einen Architekten mit dem entsprechenden Gespür für diese sensible Bauaufgabe gefunden. Dem es nicht darum gegangen ist, spektakulär Neues zu erfinden, sondern das Bestehende zu sichern bzw. im Sinn von heute weiterzudenken. Im Eingang des Hauses Nr. 27 wurde etwa der grobe Natursteinboden genauso wie das wunderschöne Kreuzgratgewölbe aus der Entstehungszeit im frühen 17. Jahrhundert beibehalten, die steile hölzerne Stiege wurde neu gemacht. Die Dachstühle wurden teilweise neu ausgebaut, hofseitig wurden Loggien bzw. Balkone errichtet, was die Lebensqualität der Bewohner deutlich steigert.
Es sei schon ein spezielles Klientel, das Wohnungen dieser Art anziehe, sagt Schadenbauer-Lacha. Wobei es inzwischen bereits eine Warteliste gäbe, so begehrt sind die Einheiten unterschiedlichster Größe und Zuschnitts, aber auch Standards. Was dem Investor im Sinn einer sozialen Durchmischung der Bewohner wichtig ist. Genauso wie die Durchlässigkeit der Gebäude inklusive der Wiederbelebung der Innenhöfe und Erdgeschoßzonen. Wo keine Filialen der üblichen Ketten einziehen, sondern kleine, sehr spezielle Geschäfte. Da kann man einer Goldschmiedin zuschauen, wie sie unter einer schönen alten Kassettendecke ihre kleinen Kostbarkeiten herstellt, im Eckhaus zur Harrachgasse zieht in Kürze ein Blumengeschäft der anderen Art ein. Und im Erdgeschoß des in der Harrachgasse sanierten alten Hauses hat sich die einzige Hutmacherin Vorarlbergs niedergelassen. Neu ist auch ein remisenartiges kleines Hofgebäude, in dessen Erdgeschoß Hohenemser Kleinkinder betreut werden.
Ebenso wie das Jüdische Viertel ist auch die Marktgasse nun eine Begegnungszone, deren Vorteile von Einheimischen wie Besuchern immer mehr geschätzt werden.
Daten & Fakten
Objekt Ensemble Ecke Marktstraße/Harrachgasse in Hohenems
Eigentümer diverse, alle vertreten durch: Lacha & Partner, Hohenems; www.lacha.at
Architektur bernardo bader architekten, Dornbirn www.bernardobader.com, Projektleitung: Josef Mallaun; Bauleitung: exakt büro für bauwesen, Röthis
Statik Mader + Flatz Baustatik ZT, Götzis
Fachplaner Haustechnik: Grafl Installationen, Hohenems und Steurer Installationen, Andelsbuch; Elektro: Obwegeser und Lohs, Hohenems; Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg; Landschaft: stadtland, Hohenems
Planung 2013–2017
Ausführung 2015–2017
Grundstücksfläche 1598 m²
Nutzfläche 1685 m²
Bauweise Gebäude Marktstraße 27,29,31,33: Sanierung mit bautechnischen Verbesserungen wie z.B. Holzfenster erneuert, Treppen adaptiert, Wärmedämmung (Heraklith) ergänzt;
Harrachgasse 3 und 3a: Neubauten massiv mit 50 cm starken Ziegelsteinen. Satteldach mit Biberschwanzziegeln, flach geneigtes Dach (Kinderbetreuung) als Kupferdach; Harrachgasse 5: Sanierung
Ausführung Baumeister: Haberl Bau, Lustenau und Nägele Bau, Sulz; Verputz: Gerold Ulrich, Satteins mit Wolfgang Fritz, Bürs; Parkett: Raum und Zeit, Dornbirn; Trockenbau: Reuplan, Hard
Energiekennwert 23 kWh/m² (Neubau) – 92 kWh/m² (Sanierung) im Jahr