„Zur Guggerin tut sich der Aufstieg lohnen“
Ein Gättermaisäß in Gargellen wurde von den Eigentümern liebevoll saniert und ist als Teil der Kulturlandschaft Montafon ein ausgezeichnetes Beispiel nicht nur für den Erhalt alter Bausubstanz, sondern auch für einen kultivierten Umgang mit historischem Erbe.
Autorin: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer
Es ist Mai 2017 und unsere kleine Wandergruppe besteht aus der Jury des Annerkennungspreises „Montafoner Baukultur“, den der Gemeindeverband Stand Montafon mit dem Heimatschutzverein alle zwei Jahre vergibt. In unserem Fokus sind historische Bauobjekte. Solche, um deren Erhalt sich Eigentümer(innen) und Nutzer(innern) bemühen. Kein Alpenkitsch, keine Todsanierung. Dinge von Qualität, oft nur auf den zweiten Blick sichtbar und die, sorgsam gepflegt, als Teil der Kulturlandschaft des Montafon die Region in ihrer Gestalt weiterhin prägen. Unser Ziel ist Gargellen-Vergalden. Hier an dieser Scheide zwischen Schweiz und Österreich, wo Rätikon und Silvretta zusammenkommen, verläuft die Via Valtellina von Schruns über Gargellen in die Schweiz bis nach Tirano im italienischen Veltin. Dieser Weg ist ein vielbegangener alter Handelsweg. Salz, Holz, Wein und auch Vieh wurden hier über die Alpen geführt. Jener Abschnitt der Via Valtellina, der übers Vergaldenjoch und Schlappiner Joch ins Prättigau führt, war einst eine Hochsicherheitszone nach Maßgabe der Zeit, ein streng bewachtes Zollgebiet und doch auch einer der bekanntesten Schmugglerwege. Geschmuggelt wurden hier nicht nur Waren. Auch Menschen retteten sich über diesen Weg in die Sicherheit – etwa viele jüdische Bürger(innen) in die Schweiz auf der Flucht vor dem NS-Regime. An diesem Weg steht noch erhalten das alte Gätterhüsli, das Haus am Gatter, am Grenzzaun. Es gehört der Familie Benger, Rosemarie und Horst Eberhard Benger, kurz Ros und Mock.
Die Bengers leben in Bregenz und unweit des Gätterhüsli in einem alten Montafoner Bergbauernhaus, das mit Hausnamen „Guggers Maiensäß“ heißt. Beim Hingehen fällt zuerst der unglaubliche Pflanzenwuchs und das selten stimmige Arrangement dieser Pflanzen auf. „Sonne, Boden, Regen – wir sind hier in einer begünstigten Lage“, meint Ros Benger. Doch das hier ist nicht das Werk einer Amateurin. „Zur Guggerin tut sich der Aufstieg lohnen“, schrieb schon Ros’ Schwiegermutter einst in Kurrentschrift in ihr Tagebuch. Auch für die Jury lohnt sich der Aufstieg. Selten wird Kulturgut so gepflegt, so verständig und sensibel, so sensitiv im Umgang, so poetisch und doch alltagstauglich und natürlich inszeniert. „Ich versuche, Kulturgut zu erhalten“, sagt Ros Benger. „Wir möchten den Leuten, die zu uns kommen oder am Gätterhüsli vorbeiwandern, zeigen, wie schön etwas werden kann, wenn man sich gut darum kümmert.“ Dabei verfallen die Bengers nie in Kitsch, das verbietet der Sachverstand. Ros Benger wollte ursprünglich Architektin werden, studierte dann aber Gartengestaltung in England, auf Vermittlung eines Konsuls aus Addis Abeba. Drei Jahre verbrachte sie als Anfang 20-jährige in den 1950er-Jahren in London, war Privatschülerin für Gartenbau bei der Koryphäe Percival Stephen Canes. Sie arbeitete in der Schweiz, Österreich und Liechtenstein. Mock Benger stammt aus der Textilfamilie Benger. Er wurde Chemiker, Fachgebiet Faserchemie, später kam die Agrarökologie und Bodenchemie dazu. Heute wohnen die Bengers fast das halbe Jahr im Montafon, die andere Hälfte in Bregenz. Mock spielt Steirische Harmonika und ist Teil der „Vergaldner Stubamusig“. „Wir machen Volksmusik, keine volkstümliche Musik.“ Stilechtheit und Autentizität ist den Bengers wichtig. Musik spielt auch sonst eine wichtige Rolle in der Familie und ihrem Freundeskreis. „Vor wenigen Jahren hat der Komponist Herbert Willi drei Jahre lange bei uns im Gätterhüsli gewohnt.“
„Ich versuche, Kulturgut zu erhalten.“
Rosemarie Benger, Eigentümerin
Als gemeinsame Leidenschaft gilt das Sammeln alter Möbel. So haben sich an den Lebensmittelpunkten auch eine beträchtliche Anzahl von Bauernschränken, Stühlen, Krügen, Geschirr und anderen Gebrauchsgegenständen angesammelt. Dabei sind sie wählerisch. „Wir mögen keine Stilbrüche. Die Kinder und Freunde tragen uns viel zu. Wir wählen sorgsam aus.“
Auch das Gätterhüsli ist ein Ort aus dem diese Sorgsamkeit spricht. „Mittlerweile haben wir es unserer Tochter Susanne und ihrem Mann Matthäus vermacht.“ Schwiegersohn Matthäus ist niemand anderes als Architekt Matteo Thun. Die Familie hat das kleine Nutzgebäude zu einem Kleinod für ihre Feriennutzung umgebaut und dabei auf die historische Substanz geachtet. Es wurde nur erneuert, was erneuert werden musste, und so manche konsequente Entscheidung gefällt, die auch auf Kosten der Bequemlichkeit geht, etwa wenn es darum geht, den Kopf auch einmal einzuziehen oder sich einmal mehr bücken zu müssen. Der Lohn dafür ist ein Umfeld, das Natur und Kultur aufs Schönste vereint und das nicht nur zum eigenen Nutzen, sondern als kulturelles Engagement für die Allgemeinheit.
Daten & Fakten
Objekt Gätterhüsli, Maisäß, Gargellen-Vergalden
Bauherr und Eigentümer Familien Benger und Thun
Preis Montafoner Baukultur 2017