Der Weberei-Kopfbau der Getzner Textil AG erlebt ein Aufblühen.
Rechtzeitig zum Firmenjubiläum hat sich Getzner mit zwei neuen Umbauten
bereit gemacht für den Beginn des dritten Jahrhunderts im Unternehmen.
Dabei setzt Getzner auch auf Baukultur.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Bruno Klomfar, Darko Todorovic

Umbauten gehören für Traditionsunternehmen zur Firmengeschichte wie zum Firmenalltag. Produktionsbedingungen verändern sich ebenso wie Ansprüche an Arbeitskultur. Jeder Betrieb kann davon erzählen, erst recht ein solcher mit langer Geschichte. Das Textilunternehmen Getzner hat in diesem Jahr ihr 200-jähriges Bestehen gefeiert. 1818 gründeten Christian Getzner, Franz Xaver Mutter und Andreas Gassner gemeinsam die Firma „Getzner, Mutter & Cie.“. Das Unternehmen beschäftigte im Vorarlberger Oberland damals ca. 3000 Heimspinner. Schon im Jahr darauf eröffnete die erste Rotfärberei Westösterreichs im Palais Liechtenstein in Feldkirch und die erste Maschinenspinnerei des Unternehmens nahm ebenso im Palais Liechtenstein ihren Betrieb auf. Getzner gehört seither zu den führenden österreichischen Textil-unternehmen. 150 Jahre später wurde die Getzner Chemie Ges.m.b.H. & Co, heute als Getzner Werkstoffe bekannt, – als Tochtergesellschaft von Getzner, Mutter & Cie. gegründet. 1980 übernahm Getzner, Mutter & Cie. mit der Gründung einer weiteren Tochter, der Getzner Textil AG mit Sitz in Bludenz, die Aufgaben einer Holding. Heute sind im Unternehmen ca. 980 Mitarbeiter(innen) beschäftigt. Zählt man die Tochterfirmen dazu sind es 1600. In sechs Webereien mit 760 Webmaschinen, vier Ausrüst- und zwei Färbereibetreiben werden Bekleidungs-damaste, Modestoffe und technische Textilien, neuerdings auch ein Akustikstoff für den Bausektor, gefertigt.

ENTRÉE UND AUFENTHALTSZONE. Zusammen mit dem neuen Haupteingang und der neuen Portiersloge konnte ein Platz zwischen den Bauten geschaffen werden.

Mit dem Jubiläum konnte auch der Umbau des Weberei-Kopfbaus abgeschlossen werden. Der Raum wird heute als Bürogebäude genützt. Die Atmosphäre der neuen Räume ist bodenständig und stilvoll zugleich. Das Gebäude, das in den vergangenen zwei Jahren eine Transformation erfahren hat, stammt aus dem Jahr 1871. Es war einst Teil einer großen Produktionshalle und wurde bereits in den 1930er-Jahren das erste Mal umgebaut. Das Bestandsgebäude, so wie es sich vor dem nunmehrigen Umbau zeigte, wies noch zwei der ursprünglichen Gebäudeachsen auf, die nun sorgsam saniert wurden.

Sorgsame Restaurierung. Viele Details, so auch die Windfangelemente aus den 1930er-Jahren konnten wieder eingesetzt werden.

Das Gebäude selbst steht nicht unter Denkmalschutz, doch es war Familie und Unternehmen gleichermaßen wichtig, vorbildlich zu agieren. Eine besondere Rolle spielte hier Manfred Getzner als Familienmitglied und Gesellschafter, der sich mit seinem Wissen um die Firmengeschichte einbrachte und auch bei diesem Umbau Gegenstände für das Firmenarchiv sicherte. So kam etwa in der Blechkugel über dem Haupteingang ein alter Brief von früheren Handwerkern zum Vorschein. Auch Christoph Getzner hatte Anteil an der Sanierung und half als Experte und Mitglied der Dombauhütte zu St. Stephan bei der Fassadensanierung. Seine Lebensgefährtin Simone Donaubauer engagierte sich als Steinrestauratorin im Rahmen der Umbauarbeiten, erstellte das Konzept für die Sanierung der Fassade und machte Vorschläge für den Einsatz verschiedener Materialien.

„Das Gebäude ist
Zeuge seiner Zeit. Der
Vergangenheit und der
Gegenwart“

Dieter Klammer, Architekt

Die alten Fischgrätparkettböden wurde erneuert und ergeben ein durchgängiges, homogenes Bild im Raum. Die Arbeitsräume wurden mit transparenten Leichtbauwänden ausgestattet.
Gutes Arbeitsklima durch Licht, gute Materialien und abswechslungsreiche Arbeitssettings.

Stabil, robust und mit großen räumlichen Qualitäten war der Bestandsbau für einen Umbau prädestiniert und auch deshalb, weil das Unternehmen um dieses Gebäude herum gewachsen ist. Von außen wurde der Bau möglichst originalgetreu restauriert. Im Inneren wurde der Raum freigelegt und ist heute großzügig lichterfüllt und gefühlt durchgängig, denn die Büroräume wurden mit transparenten Leichtbauwänden als zurückhaltende Strukturelemente eingefügt. Die Fischgrätparkettböden aus den 1930er-Jahren wurde erneuert. Die Tragkonstruktion mit den Gusssäulen blieb erhalten – das war nicht nur praktisch, sondern erhielt auch den Bezug zur ersten Bestimmung des Gebäudes. Die Dachkonstruktion musste aufgrund des maroden Zustands erneuert werden. Die Originalfassaden aus Sandstein und Putz wurden restauriert. Die Fenster wurden laut den Originalplänen aus dem Getzner Firmenarchiv in Eiche rekonstruiert. Auch das hölzerne Hauptportal war noch vorhanden, wie auch die Windfangelemente aus den 1930er-Jahren, die wieder eingesetzt werden konnten.

MIT VIEL FINGERSPITZENGEFÜHL wurden die Originalfassaden aus Sandstein und Putz und ebenso die Fenster zuerst rekonstruiert und dann fachkundig restauriert.

Sowohl von außen wie auch innen ist die Liebe zum Detail spürbar, das behutsame Hinschauen auf Baugeschichte und Firmengeschichte. Geplant wurde der Umbau von architektur.terminal zusammen mit den Bauverantwortlichen des Unternehmens. „Unser Engagement hier auf dem Areal hat schon vor Jahren begonnen. Zuletzt, fast zeitgleich, konnten wir die Neugestaltung des Haupteingangs abschließen zusammen mit einer Portiersloge und einem Foyer“, erzählt Dieter Klammer. „Wir kennen das Unternehmen mittlerweile sehr gut und haben gelernt, die Vorstellungen des Auftraggebers gut lesen zu können und auch Einblicke in Produktion und Sicherheitsstandards bekommen. Das ist wichtig und hilfreich, um das große Ganze im Auge zu behalten und sich gut einbringen zu können.“ Zusammen mit dem neuen Haupteingang ist der Weberei-Kopfbau nun der erste Ort für Angestellte und Gäste, wenn sie das Areal betreten. „Beide Bauten erzeugen miteinander ein Bild von alt und neu, von Traditionsbewusstein und Innovationskraft. Dazwischen liegt der „Getzner- Platz“, ein Platz mit eingefärbtem und geschliffenem Asphalt, der die Bauten verbindet und eine neue räumliche Qualität am Areal erschafft.“

STETIGES WACHSEN. Die einzelnen Bauteile sind Zeugnisse der Unternehmensentwicklung.
Die Tragkonstruktion der Gusssäulen blieb erhalten und blieb auch sichtbar im Raum, der mit einer Teeküche und kleinen Gesprächskojen ausgestattet ist.
Erstmals angewendet. Der neue Getzner 3D-Gewebe-Akustikstoff „ACUNIC-CUBIC “ kam hier in Form einer Stoffbespannung bereits zum Einsatz.

Daten & Fakten

Objekt Umbau Sanierung Weberei Kopfbau

Bauherr Getzner Textil AG, Bludenz
www.getzner.at

Architektur Getzner Textil AG, Bludenz
www.getzner.at

Statik Dr. Brugger & partner ZT, Bludenz
www.brugger.at

Fachplanung Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Heizung,
Klima, Lüftung, Sanitär: Markus Stolz, Bludenz; Elektro: Getzner Textil, Bludenz;
Bauleitung: Fleisch Loser, Rankweil

Planung 04/2016 – 05/2018

Nutzfläche ca. 460 m²

Bauweise Bestand: verputztes Natursteinmauerwerk,
Boden Holzkonstruktion auf hinterlüfteten Natursteinfundamenten;
Dach neu: unbehandelte Holzkonstruktion mit
hinterlüfteter Metalldeckung mit Zinnpatina auf bestehenden
Gussstützen; Fassade: Berner Sandstein (Bestand);
mineralische Putze und Farben; rekonstruierte Fenster
Eiche; AkustikdDecke: Stoffbespannung mit „Getzner 3DGewebe-
Akustikstoff“ in Randfriesen in Trockenbauweise;
Bodenbelag: Fischgrätparkett, Bürotrennwände und
Brüstungsverkleidungen aus Eiche
Ausführung: Baumeister: Nägele Hoch- und Tiefbau,
Röthis; Zimmerer: Neyer Holzbau, Bludenz; Elektro,
Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär: Markus Stolz, Bludenz;
Spengler: Fritz, Bludenz; Fenster: Bischof, Thüringerberg;
Steinmetz: Burkhard Fessler, Hard; Restaurierung Putzfassade:
Heinrich Hosp, Weiler; Trockenbau und Innentüren:
Rudigier, Bludenz; Maler: Liepert, Bludenz; Deckenbespannung:
Helmut Streitler, Dornbirn; Tischler: Josef
Feuerstein, Nüziders; Schlosser: Josef Hermann, Satteins
und Wolfgang Rusch, Dornbirn, Parkett: Rene Bechtold,
Weiler; Bürotrennwände: Scheicher GmbH, Adnet
(Salzburg); Beleuchtung: XAL, Graz

Energiekennwert 101 kWh/m² im Jahr (HWB)

Fotonachweis Bruno Klomfar, Wien; Darko Todorovic (Bild 2)