Tankstelle der Zukunft
Elektrisch sind die Autos der Zukunft, komfortable E-Ladestationen
aber muss man mit der Lupe suchen. Unweit des Autobahnknotens Weidach
planten die Architekten reitbruggerGAU auf dem Betriebsareal der illwerke vkw
eine moderne E-Mobilitätslounge mit 27 Ladestationen. Während die E-Boliden
dort neue Energie tanken, können sich Fahrer und Fahrerinnen in dem pavillonartigen,
mit schwarzem Wellblech verkleideten Gebäude wunderbar entspannen.
Solarpaneele am Dach produzieren sogar Strom.
Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Bruno Klomfar und Cornelia Hefel
Elektromobilität gehört zum Mobilitätskonzept der Zukunft. Für Lieferanten von Öko-Strom ist E-Mobilität ein interessanter Markt, für E-Auto-Fahrende im Ländle sind die illwerke vkw die wichtigste Treibstoffquelle. Zwischen ihr und E-Fahrzeugen herrscht fast so etwas wie ein naturgegebenes Naheverhältnis. Jedes E-Fahrzeug ist allerdings nur so stark wie seine E-Tank-Füllung: Mit der Verfügbarkeit und Leistungskapazität von Ladestationen steht und fällt der Fahrkomfort. Die Zentrale der illwerke vkw liegt am Rand von Bregenz unweit des Autobahnknotens Weidach. Dieser ist für heimische E-Auto-Mobilisten ebenso interessant wie für solche aus Deutschland und der Schweiz, außerdem gab es auf dem Betriebsareal direkt bei der Einfahrt noch Platz. Die Architekten reitbruggerGAU wurden damit beauftragt, auf zwei Parkstreifen an der Weidachstraße insgesamt 27 Ladestationen für E-Automobile zu planen, zwanzig für „Teslas“, sieben für Fahrzeuge anderer Marken. Dazu war noch ein Infrastrukturgebäude für Trafostationen, Umwandler und Gleichrichter nötig.
Weil ein Elektroauto im Durchschnitt rund 45 Minuten braucht, bis es mit Strom betankt ist, und es nicht angenehm ist, bei schlechtem Wetter so lange im Freien zu stehen oder auch nur im E-Automobil zu hocken, beschlossen die Architekten, das Gebäude mit der technischen Infrastruktur auch gleich mit Infrastruktur für menschliche Lenker und Lenkerinnen zur sogenannten E-Mobilitätslounge aufzuwerten. „Wir haben uns im Zuge dieser Planung viele E-Tankstellen angesehen, die meisten sind Containerlösungen“, erzählt Wolfgang Reitbrugger. „Wir wollten dann doch etwas Repräsentativeres.“ Sie entwickelten einen 6,20 Meter breiten, 29 Meter langen, schmalen, niederen Baukörper, der mit schwarzem Wellblech verkleidet ist. Drei seiner Seiten sind komplett geschlossen, hinter den Bäumen an der Weidachstraße im Norden tritt das Gebäude zur angrenzenen Wohngegend hin kaum in Erscheinung.
Vorne jedoch, im Süden, wo sich in zwei Parkplatzreihen schicke, sehr schicke weiß-rote Tesla-Ladestationen aneinanderreihen, öffnet sich das Gebäude mit einer raumhohen Scheibe aus Dreifachisolierglas zur E-Tankstelle. Hier zeigt sich auch eine fast klassisch anmutende, klar symmetrische Grundkomposition: Die Seitenflanken sind inklusive der Brüstung, die das Flachdach rahmt, 3,60 Meter hoch, der mittlere Bereich um einen Meter höher. Davor markiert ein Vorplatz mit Leuchtstelen klar den Eingang in die E-Mobilitätslounge, die mit einer lichten Raumhöhe von 3,50 Metern deutlich höher ist als die rahmenden Technikräume und Toiletten. „Die Raumhöhe ist wichtig. Wir wollten den Baukörper spürbarer machen, die E-Mobilitätslounge betonen und dafür die Nebenräume auf ein Minimum an Raumhöhe beschränken“, so Reitbrugger. Das erzeugt so etwas wie Dramatik.
„Wir wollten den Baukörper spürbarer machen,
die E-Mobilitätslounge in ihrer Wichtigkeit betonen
und dafür die Nebenräume auf ein Minimum an Raumhöhe beschränken.“
Wolfgang Reitbrugger
Architekt
Die Eingangsfassade aus Glas beginnt in der Flucht des angrenzenden Technikraumes und zieht sich dann am Vorplatz entlang schräg bis zur Tür vor: So entsteht ein gedeckter, im Sommer schattiger Vorbereich, in dem Raucher und Nichtraucher witterungsgeschützt an der frischen Luft im Freien stehen können. Außerdem zieht diese schräge Fassade alle förmlich weiter nach innen. Schwarze Jalousien sorgen dafür, dass der Raum dahinter im Sommer nicht zu heiß wird. Sein Inneres bietet alle Annehmlichkeiten, die moderne E-Automobilisten so brauchen. Eine durchlaufende, lange, schwarze Sitzbank aus Schwarzstahl mit Sitzmatten aus Filz an der Rückwand, die mit Holzpaneelen verkleidet ist. Das gibt ihr eine warme, angenehme Atmosphäre. „Schwarz in Kombination mit Holz wirkt als Kontrast sehr gut und zeitlos“, so Reitbrugger.
Generell ist die E-Mobilitätslounge ein vorgefertigter Holzleichtbau. „Wir hatten einen gewissen Termindruck“, gibt Reitbrugger zu. „Anfang Dezember 2017 mussten die Ladestationen fertig sein, es blieben uns für den Hochbau knapp fünf Monate Bauzeit.“ Trotzdem sollte die E-Mobilitätslounge mit einer gepflegten Ausstrahlung punkten. Eine Fußbodenheizung unter dem grauen, geschliffenen Estrich am Boden, ausreichend Wärmedämmung und Dreifachisolierglas in der südorientierten Fassade sorgen für Niedrigenergiestandard und schaffen eine angenehme Raumtemperatur.
Die lange Sitzbank, die subtil die Bereitschaft für Kontaktaufnahme und Austausch zwischen E-Automobilisten erleichtert, ist auch von unten beheizbar. Eine Stehtheke mit Steckdosen ermöglicht modernen Nomaden, ihre mobilen Gerätschaften aufzuladen und stets am Laufenden zu sein. Automaten mit Kaffee und Snacks an der linken Seitenwand sorgen unkompliziert und weitgehend wartungsfrei für das leibliche Wohl, wer sich für die Baustelle der E-Mobilitätslounge interessiert, blickt in einen der Flat-Screens an der Wand: Hier ist ihre Entstehung im Zeitraffer zu verfolgen. Sogar Toiletten und Wickelraum zeigen Stil und Umweltbewusstsein: Die Türen sind olivgrün, die Wandtapete zeigt einen Birkenwald. Im Freien schließt ein kleiner Platz mit vier Sitzbänken unter Bäumen an die E-Mobilitätslounge an. Dank Solarpaneelen am Dach produziert sie sogar Strom.
Daten & Fakten
Objekt E-Mobilitätslounge Weidachstraße, Bregenz
Bauherr illwerke vkw
Architektur reitbruggerGAU, Bregenz, www.reitbruggergau.at
Statik Mader | Flatz Bregenz
Fachplanung Bauphysik: Lothar Künz ZT, Hard; Außenanlagen: Breuss&Mähr, Koblach
Planung 5/2017–9/2017
Ausführung 11/2017–4/2018
Grundstücksgröße 1450 m²
Nutzfläche 85 m² (zzgl. Technik 60 m²)
Bauweise Stahlbetonbodenplatte – darauf gedämmte Holzfertigteil-Leichtbauelemente mit vorgehängter Metallfassade
Ausführung Generalunternehmer und Baumeister: Wilhelm&Mayer, Götzis; Zimmerer und Innenausbau: Dobler, Röthis; Fenster: ATW Dornbirn; Möbel: M+S Metallbau Röthis; Böden: Ebner, Lustenau; Heizung/
Lüftung: Dorfinstallateur, Götzis; Elektro: VKW