Ein Schopf ist gut, zwei sind besser
Das Haus, das der Dornbirner Architekt Gerald Amann
für sich und seine Familie neben das Elternhaus
seiner Frau in Bizau gestellt hat, ist ein ganz in der
Architektursprache des 21. Jahrhunderts
angekommenes Bregenzerwälderhaus.
Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Cornelia Hefel, Norman Radon
Das Haus, das Gerald Amann (Querformat) in Bizau für sich und seine Familie gebaut hat, könnte mit seinem flachen Dach und der Gliederung seines Baukörpers aus unterschiedlich hohen, raffiniert zueinander positionierten Kuben zwar überall stehen, für den Architekten und Bauherrn in Personalunion ist es allerdings ein typisches Bregenzerwälderhaus. Was durchaus nicht nur mit der Schindelung des größten Teils der Fassaden zu tun habe, so Amann, sondern auch mit dem quadratischen Grundriss des mittigen hohen Teils und nicht zuletzt dem Schopf, der zu einem Haus in dieser Gegend einfach dazugehöre. Noch dazu, da seines gleich zwei hat. Einen, der traditionellerweise den Eingang markiert, und einen, der sich südseitig zu einer riesigen Terrasse weitet.
Dass Katharina und Gerald Amann in Bizau ihr Haus gebaut haben, hat damit zu tun, dass die Hausherrin in „Micheles Bündt“, dem schönen alten Bregenzerwälderhaus gleich nebenan aufgewachsen ist und sie den Baugrund von ihrer Großmutter geschenkt bekommen hat. Mit auf absehbare Zeit unverbaubarem direktem Blick von Terrasse wie Wohnzimmer auf die Kanisfluh, was dem Dornbirner Architekten den Umzug inklusive des täglichen Pendelns ins Büro nicht schwer gemacht hat.
„Für sich selbst zu bauen, ist viel schwieriger als für jemand anderen“, sagt Gerald Amann. Man wisse zwar einerseits ganz genau, was man brauche und wolle, die Ansprüche an sich selbst zu erfüllen, sei aber fast unmöglich. Und auch die direkte Nachbarschaft zur Familie seiner Frau sei keine leichte Herausforderung gewesen. War es ihm doch wichtig, keine Blicke zu verstellen und trotzdem beiderseitig Privatheit zu garantieren. Aus diesen Vorgaben heraus habe sich letztlich die Form des Hauses entwickelt, sagt Amann.
„Für sich selbst zu bauen,
ist viel schwieriger als für jemand anderen.
Es ist fast unmöglich die Ansprüche zu
erfüllen, die man an sich selber stellt.“
Gerald Amann
Architekt und Bauherr
„Das Erscheinungsbild des Gebäudes wird bestimmt durch Fassadenkonstruktionen aus Metall und Glas. Eine Struktur aus unterschiedlichen Rahmenelementen gliedert das Volumen in zwei Bereiche: eine Sockelzone, welche sich mit den Hallenstrukturen verbindet und einen dreigeschoßigen kronenartigen Aufbau mit allen Bürobereichen der Zentrale.“ Die Fassade selbst lässt das Auge wandern. Die Struktur ist interessant, so interessant, dass es nicht leicht ist, den Blick abzuwenden und das Rätsel zu lüften, das hinter dieser scheinbar logischen Aufteilung steht.
Zelebriert rund um einen zentralen Kern aus Sichtbeton, dessen gut sichtbare hölzerne Verschalung im Innern als fast poetische Geste daherkommt. In Haptik und Farbigkeit reizvoll kontrastierend zur Weißtanne, aus der nicht nur das gesamte obere Geschoß gebaut ist, sondern auch die Decken im Erdgeschoß sowie die Fensterrahmen und die Schindeln für die Fassade gemacht sind. Auf rund 170 Quadratmeter Wohnfläche können sich Katharina und Gerald Amann mit ihren zwei kleinen Buben, dem fast zweijährigen Ferdinand und dem zwei Jahre älteren Josef, bequem ausbreiten. Unten wird in dem zum Teil unterkellerten Haus gewohnt, oben geschlafen. Zusammengebunden durch hölzerne Stufen, die beidseitig im Erschließungskern stecken. Betreten wird das Haus nordseitig durch Schopf Nummer eins. Hier ist die Garderobe mit ihrem geschliffenen Estrich eingerichtet, links geht es in ein kleines Arbeitszimmer, rechts zur großen Doppelgarage.
Der Kern aus Sichtbeton erdet das Haus, stoppt das Tempo des Hereinkommenden intuitiv, indem sich diesem eine massive Querwand in den Weg zu stellen scheint und diesen so markant verengt. Bevor sich der Wohnbereich breit hingelagert ausbreitet, aufgeteilt in einen „West- bzw. Ostflügel“, die, wiederum vorgegeben durch den mittigen Erschließungskern, durch einen relativ schmalen Gang parallel zur raumhoch verglasten südseitigen Fensterfront verbunden sind. In dem Josef und Ferdinand nicht nur wunderbar Dreiradfahren können, sondern das Erdgeschoß angenehm in jenen Bereich, in dem gekocht und gegessen wird bzw. den reinen Wohnteil zoniert.
Am geweißten Eichenboden aufliegende schwere naturweiße Leinenvorhänge sorgen für heimelige Atmosphäre genauso wie der offene Kamin. Die unverstellten Blicke Richtung Kanisfluh sind vom Wohnzimmer aus effektvoll gerahmt, im Essbereich gehen Innen und Außen durch eine riesige Terrasse praktisch nahtlos ineinander über. Die Schlafzimmer werden durch einen kleinen quadratischen Vorraum erschlossen, der auch großartig zum Spielen taugt. Jeder der Buben hat ein Zimmer, zusammen haben sie ein eigenes Bad. Das Zimmer der Eltern schließt unmittelbar an einen großzügig dimensionierten Schrankraum sowie ihr Bad an.
Daten & Fakten
Objekt Haus Micheles Bündt, Bizau
Bauleute Katharina und Gerald Amann
Architektur Querformat ZT, Dornbirn, Gerald Amann, www.querformat-zt.com
Statik gbd ZT, Dornbirn, www.gbd.at
Planung 12/2014–3/2015
Ausführung 3/2016–10/2016
Grundstücksgröße 800 m²
Wohnnutzfläche 170 m²
Keller 50 m²
Bauweise Untergeschoß Beton, Erdgeschoß Sichtbeton; Fassade gedämmt mit Schindelschirm aus Weißtanne; Obergeschoß tragende Holzkonstruktion mit Massivholzdecke; Heizung mit Erdwärme über Fußbodenheizung; Kamin mit Einsatzofen
Besonderheiten alle Materialien naturbelassen; Anzahl verschiedener Materialien reduziert: Sichtbeton/Eiche/Weißtanne/Kalkglätte/Leinen; Küche mit Linoleum belegt
Ausführung Baumeister: Wälder Bau, Schwarzenberg; Zimmermann: Michael Kaufmann, Reuthe; Fenster: Hagspiel, Doren; Elektro: Schneider, Schwarzenberg; Sanitär: Steurer, Bersbuch; Dach: Roman Moosbrugger, Bezau; Küche: Holzig, Krumbach; Böden und Treppe: Raum und Zeit, Dornbirn; Kalkglätte: Gerold Ulrich, Satteins; Innentüren: Herbert Feuerstein, Bizau; Ofen: Anton Beer Schoppernau
Energiekennwert 45 kWh/m² im Jahr