Ein kleines Dorf am Rand des Dorfes
Sechs große Häuser stehen in einem gemeinsamen Garten – so wirkt die Wohnanlage,
die Architekten Wolfgang Ritsch und Gerhard Aicher gemeinsam mit der
Landschaftsplanerin Maria-Anna Schneider-Moosbrugger auf eine
7600 Quadratmeter große Wiese am Ortsrand von Röthis gestellt haben. ist.
Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Maria Ritsch
Die vom Standortentwickler Prisma errichtete Wohnanlage ist in mehrfacher Weise etwas ganz Besonderes. Ein Aspekt ist die Raffinesse, mit der die Architekten Wolfgang Ritsch und Gerhard Aicher die sechs in Holzschindeln gehüllten Baukörper auf der im Besitz der Gemeinde befindlichen Wiese positioniert haben. Bemerkenswert ist auch der vorbildliche Prozess, der dem Bauvorhaben vorangegangen ist. War es den Gemeindeverantwortlichen doch zu billig, den Grund an den Meistbietenden zu verkaufen, sie wollte mitreden bei dem, was hier entsteht, so Bürgermeister Roman Kopf. Eine Steuerungsgruppe wurde eingerichtet, die gemeinsam mit Prisma und dem von ihnen vorgeschlagenen Architekten Wolfgang Ritsch – der seinen Kollegen Gerhard Aicher und die Landschaftsplanerin Maria-Anna Schneider-Moosbrugger mit ins Boot holte – ein umfassendes Konzept erstellt haben.
Der Prozess war auch offen für Bürger(innen), vor allem Nachbarn, die z. B. erhöhtes Verkehrsaufkommen oder Lärm befürchteten. All diese Anmerkungen wurden ernst genommen und flossen in die Planungen ein. Die gemeinsam erarbeitete Lösung ist nun eine, mit der alle Beteiligten sehr gut leben können. Die Nachbarn genauso wie Bewohner(innen) der zwölf gemeinnützigen Wohnungen sowie die Besitzer(innen) oder Mieter(innen) der frei finanzierten. Und genau die auf diese Weise zustande kommende soziale Durchmischung der Nutzer(innen) war der Gemeinde wichtig, fast genauso wie die aufwendige Gestaltung des Außenraums.
„Die soziale Durchmischung der Nutzer(innen)
war uns sehr wichtig
und ebenso ansprechende Außenräume.“
Roman Kopf
Bürgermeister von Röthis
Der Außenraum ist wahrnehmbar als großer Garten, in dem – um sich nicht gegenseitig die Sonne wegzunehmen – raffiniert gegeneinander verschoben die sechs Baukörper stehen, die sich zwar geschwisterlich gleichen, aber nicht identisch sind. Fein durchwegt durch eine zentrale
Straße bzw. kleine Gassen. Wodurch sich nicht zuletzt durch die Vorgaben des Bebauungsplans große Dichten ergeben, dem die Architekten durch die Einblicke möglichst verhindernde Setzung der Balkone gegenzusteuern versuchen. In der Nachbarschaft ausgedehnter Streuobstwiesen entsteht auf diese Weise kleinteilig dörfliches Flair, komplettiert durch eine Bushaltestelle und einen großen öffentlichen Spielplatz, der mit hölzernen Rundbänken als fragile Barriere zur Straße möbliert ist. Da die Bäume erst wachsen müssen, werden hier im kommenden Jahr Schattenzelte aufgestellt. Einen zweiten kleineren Spielplatz gibt es auch innerhalb der Anlage.
Ein Großteil der Wohnungen hat zwei bis drei Zimmer, die größte ist 171 Quadratmeter groß und nimmt das komplette Dachgeschoß von Haus E ein.
Gebaut ist die Wohnanlage im Passivhausstandard als perfekt gedämmtes Hybrid aus Ziegel und Beton mit einer hinterlüfteten Außenhaut aus Lärchenschindeln, die bereits schön zu vergrauen beginnen. Über dieses Detail freut sich Wolfgang Ritsch besonders. Viele Wohnhäuser in Röthis waren früher geschindelt. Das Argument dieser historischen Referenz wurde vom Projektentwickler trotz Kostendruck gehört. Eine Materialität,
die die immerhin viergeschoßigen Baukörper fast zu einem Teil der Natur werden lässt, durch ihre Gliederung zu plastischen, oberflächlich
poetisch durchpulsten Gebilden macht, zusammengehalten durch schmale horizontale Metallbändern zwischen den Geschoßen. Auf den flachen Dächern sind Solaranlagen versteckt. Die Autos der Bewohner(innen) sind an den Rand der Anlage bzw. in die von allen Häusern zugängliche Tiefgarage verbannt.
Jeder der barrierefrei ausgestatteten Wohnungen hat einen Balkon bzw. die in den Erdgeschoßen einen kleinen Garten. Die Grundrisse sind großzügig offen, in den durch Fensterschlitze belichteten Stiegenhäusern liegt graues Steinzeug, die Wohnungstüren sind außen aus Holz, innen weiß. Die Eingänge, die gleichzeitig überdachte Abstellplätze für Fahrräder sind, sind in die Baukörper hineingezogen.
Daten & Fakten
Objekt Wohnbau „Alte Landstraße Röthis“
Eigentümer/Bauherr Prisma Zentrum für Standort- und Regionalentwicklung; Alpenländische Heimstätte, Gemeinnützige Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft m.b.H.
Architektur ARGE Aicher ZT GmbH, Wolfgang Ritsch Architekten, Dornbirn, www.aicher-zt.at , www.ritsch-architekten.com
Landschaftsarchitektur Land Rise , Landschaftsplanung & Projektmanagement,Egg, www.landrise.at
Fachplaner Statik: Hämmerle-Huster Statik Ziviltechniker, Bregenz; Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach; Haustechnik:
Marte Diem, Bregenz; Elektroplanung: Ingenieurbüro Brugger, Thüringen
Planung Frühjahr 2015–Herbst 2018
Ausführung Frühjahr 2017–Frühjahr 2019
Grundstücksgröße ca. 6800 m²
Wohnnutzfläche 64 Wohnungen, 48,9 m² bis 127,8 m²
Tiefgarage 91 Pkws /17 Motorradstellplätze
Bauweise Massivbauweise mit Ziegelmauerwerk und Stahlbetondecken, Fassade Lärchenschindeln, Heizsystem mit Erdwärmepumpe und großflächiger PV-Anlage
Ausführende Baumeister: Wälderbau Dragaschnig, Schwarzenberg; Bauspengler/Dachdecker: Carl Günther, Röthis; Elektroinstallationen: Jovitech, Dornbirn; Haustechnik: Dorf Installationstechnik, Götzis
Energiekennwert 24-29 kWh/m² im Jahr (HWB)