Souveräne Aktualisierung
Der Gasthof Rössle in Braz konzentriert sich auf das Wesentliche in der Gastronomie: Gastfreundschaft, Regionaliät, Nachhaltigkeit und hohe Qualität. Diese Werte haben auch in der Sanierung des 240 Jahre alten Hauses Ausdruck gefunden.
Autorin: Verena Konrad | Fotos: Martin Mischkulnig, Alex Kaiser
Was klingt wie ein Märchen, ist keines. Vor gar nicht allzulanger Zeit wurde in Vorarlberg die Tourismusstrategie 2020 formuliert. Aus dieser Zielformulierung sind auch zahlreiche Weiterbildungs-, Reflexions- und Vernetzungsinitiativen entstanden. Eine davon trägt den Namen „Gastgeben auf Vorarlberger Art“, ein Projekt von Vorarlberg Tourismus, der Wirtschaftskammer Vorarlberg und dem Land Vorarlberg. Gastfreundlich, regional, nachhaltig und vernetzt – diese Werte verbinden die Mitglieder dieses Netzwerks aus Hoteliers, Restaurantbetreiber(inne)n, Privatvermieter(inne)n, Tourismusfachkräften und Mitarbeiter(inne)n von Bergbauunternehmen, das gemeinsam lernt, sich austauscht und so auch neue Qualitätsmaßstäbe setzt.
Eine Aktion innerhalb von Gastgeben auf Vorarlberger Art ist ein Mentor(inn)ensystem. Mit dem Besuch von zwei Mentor(inn)en hat auch das Sanierungsprojekt des Gasthof Rössle seinen Anfang genommen. Nach zwei Tagen Aufenthalt im Gasthof Rössle haben Karin Guldenschuh und Matthias Ammann, Geschäftsführer der Vorarlberger Holzbaukunst, der Betreiberfamilie Bagehr „wohlwollend kritisch“ Rückmeldung gegeben. Diese Rückmeldung war gut, beinhaltete aber auch Potenziale. „Ich habe das ernst genommen“, sagt Valentin Bagehr. „Ein Gedanke war, aus dem Gebäude und den Räumen mehr zu machen. Eine Sanierung war notwendig und viele der Gedanken aus der Begegnung waren noch präsent. Also habe ich den Ball nach einiger Zeit wieder aufgenommen.“
Zu Christian Albrecht und Timo Bereiter ist er über eine Empfehlung gekommen. „Und das war ein Glücksgriff.“ Die beiden Architekten teilen den Qualitätsanspruch, den auch Valentin und Martin Bagehr im Rössle leben. Es war klar, dass wir mit eingeschränktem Budget arbeiten und dass wir nichts „Totsanieren“ wollen. Die Atmosphäre des Hauses, seine alte Bausubstanz war uns wichtig. Aber eine Erneuerung ebenso.“ Regionalität und Qualität spielen auch für das Architekturbüro Albrecht.Bereiter eine wichtige Rolle. „Wir arbeiten vorwiegend mit Handwerker(inne)n aus der Region zusammen, die hervorragend ausführen und regionale Materialien verwenden.“ Die Sanierung war in diesem Sinne ein Gemeinschaftsprojekt.
„So wie Valentin Bagehr als Koch nur die besten Zutaten verwendet, legen auch wir Wert auf gutes Material und machen daraus etwas, das lange hält und wahrnehmbaren Wert hat.“
Christian Albrecht
Albrecht.Bereiter Architekten
Das Rössle ist lokal verankert. Es spielt auch für die Menschen in der Region eine wichtige Rolle, ist durch seinen gastronomischen Anpruch aber auch ein Ausflugsziel für Menschen von weiter her. „Diesen Gedanken hatten wir im Kopf, als wir das Konzept für die Sanierung entwickelt haben, denn es sollte bodenständig bleiben, seinen Charakter für die heimischen Gäste behalten, aber auch die Standards von Reisenden mit gewachsenem Anspruch erfüllen.“ So wurde in den beiden Sanierungsphasen, die jeweils nur sechs Wochen dauerten, nur erneuert, was erneuert werden musste. „Wenn wir etwas machen, dann gescheit“, ergänzt Christian Albrecht. „So wie Valentin als Koch nur die besten Zutaten verwendet, legen auch wir Wert auf gutes Material und machen daraus etwas, das lange hält und wahrnehmbaren Wert hat. Trotzdem ist alles bodenständig. Nichts ist ohne Funktion, alles hat seinen Platz.“
Aus dem 240 Jahre alten Gebäude, das teilweise auch unter Denkmalschutz steht, ist durch die Sanierung ein wohliger Ort geworden, der Gastfreundschaft ausstrahlt. Das neue Mobiliar ist als solches erkennbar. Alt ist alt und neu ist neu. Kein Kitsch, keine pseudohistorische Reminisenz verwirrt den Blick und das Raumgefühl. Die Sanierung hat zeitgemäß fortgeschrieben, was schon da war – ein Raum für Gäste, zum Essen, Trinken, Geselligsein, dazu Schlafräume mit Erholungswert und ganz wichtig ein Gasthaus für das Dorf, denn das Rössle ist Teil von Braz und damit auch Teil der Dorfgeschichte und seiner Bewohner(inne)n. Die Vision für die Tourismusstrategie 2020 wurde vor einigen Jahren so formuliert: „In Vorarlberg vereint sich Landschaft, Kultur, Tradition, Handwerk, Architektur und die Qualität im Angebot zu einem inspirierenden Genuss für alle Sinne.“ 2020 lässt sich sagen, dass Projekte wie das Rössle in Braz ein Beleg dafür sind, dass diese Strategie in vielen Bereichen aufgegangen ist.
Daten & Fakten
Objekt Gasthof Rössle; Innerbraz
Eigentümer/Bauherr Familie Valentin Bargehr, www.roesslebraz.at
Architektur Albrecht.Bereiter Architekten, Dornbirn, www.albrecht-bereiter.at
Bauleitung/Kosten: Albrecht.Bereiter.Architekten, Dornbirn, www.albrecht-bereiter.at
Statik Mader Flatz, Bregenz
Fachplaner: Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach
Elektroplanung: Licht & Wärme, Raggal
Baumanagement: Robert Matt, Innerbraz
Planung Jänner/2018 – Juli/2019
Ausführung Juni/2018 – Juli/2019
Grundstücksgröße ca. 1455m
Nutzfläche ca. 570 m
Bauweise: Strickbau, gedämmt, Schindelschirm
Besonderheiten: Denkmalgeschützte Maßnahmen
Ausführung Elektro: Licht & Wärme, Raggal; HLS Installateur: Wachter, Dalaas; Möblierung eingebaut: Klaus Engstler, Dalaas; Möblierung: Reiter Rankweil; Kühlung: Coolmärk, Rankweil; Küchenausstattung: Albber, Wolfurt; Raumausstattung: Tschann, Thüringen/Berle, Thüringen; Böden: Tschann, Thüringen; Schlosserarbei-ten: Heinz Burtscher, Außerbraz/VMZ Ludesch; Treppe: Reinhard Feuerstein, Andelsbuch; Tischlerarbeiten: Günter Martin, Raggal; Trockenbau: Burtscher, Ludesch; Fenster Klaus Engstler, Dalaas; Eigenleistung: Christoph Bargehr/ Jakob Bargehr/Sepp Fritz, Innerbraz
Energiekennwert (HWB) 75 kWh/m² im Jahr
Baukosten (1-6) ca. 400.000 Euro
Fotonachweis: Martin Mischkulnig, Alex Kaiser S.5, 3