Blick nach innen
In Dornbirn haben cukrowicz nachbaur architekten einen einfachen Bungalow als Ruhepunkt in eine aus verschiedenen Gebäudetypen, Strukturen und Dichten gemischte Umgebung gesetzt. Bei näherem Hinsehen ist das Haus vielfältig nutzbar und ein Wunder an Diskretion.
Autorin: Claudia Rinne | Fotos: Darko Todorovic, Adolf Bereuter
Ein Sportplatz hält die Landesstraße im Norden auf sicheren Abstand, die Bahnstation ist in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar, dahinter liegt eine weitläufige Riedlandschaft. Hier steht seit zweieinhalb Jahren das Haus der Familie F. Erst seit etwa fünfzehn Jahren wird das umliegende Wohngebiet intensiver bebaut, mit der Beliebtheit steigen die Bodenpreise, zwischen Einfamilienhäusern stehen Wohnhäuser für mehrere Mietparteien.
Mit dem Baugrund hatten wir Glück, erzählt der Bauherr. Vom ersten Hinweis bis zum tatsächlichen Verkauf hat es drei Jahre gedauert, und sie waren sich lange nicht sicher, ob sie ihn bekommen. Eigentlich besteht er aus zwei Grundstücken, die in zweiter und dritter Reihe hinter weiß verputzten Einfamilienhäusern liegen. Nur die vordere Parzelle haben sie ganz bebaut, die hintere blieb bis auf einen Streifen frei. Durch die Lage ist es gar nicht so einfach, das Haus in seiner Gesamtheit in den Blick zu bekommen — jedenfalls von der Straßenseite aus.
Der Wechsel zwischen vergrauter Weißtanne, großen Fenstern und unvergrauten Fassadenlatten im leicht zurückgesetzten Eingangsbereich zieht dann doch die Aufmerksamkeit auf das Haus in zweiter Reihe. cukrowicz nachbaur achitekten haben mit einem äußerlich einfachen, flachen Bungalow bewusst einen Ruhepunkt gesetzt in die umgebende Mischung verschiedener Höhen, Dichten und Strukturen. Von der Rückseite her ist in den großen Quader allerdings ein Innenhof eingeschnitten, nur ein breites Band über Kopfhöhe markiert hier noch die Grundform.
Drinnen im Hof steht ein Baum in einem Kräutergarten, rechter Hand geht ein breiter Weg zum Wohn- und Esszimmer, dahinter liegt eine schöne Terrasse. Die drei Innenfassaden um den Hof herum bestehen überwiegend aus Glas, über den langen Esstisch hinweg könnte man sogar durch das Haus hindurchschauen auf die straßenseitigen Nachbarn. Darum kann der Hof mit einem blickdichten Rollo komplett zum Garten hin geschlossen werden, und das gegenüber liegende Fenster zur Straßenseite ist mit weißen Leinengardinen verhängt.
Diese durch den Hof angelegte Licht- und Sichtachse, in der der Esstisch steht, teilt das Haus in einen öffentlichen und einen privateren Bereich. In den öffentlichen ist die Doppelgarage integriert. Daneben verbreitert sich der Eingangsbereich mit wirklich viel Platz für Garderobe zu einem hellen, zum Innenhof orientierten Sitzplatz, der bei Bedarf durch eine Faltwand aus Massivholz abgeteilt werden kann. Die Garderobe entpuppt sich als Seitenwand eines Raummöbels: Es enthält die Gästetoilette, bildet die Rückwand der Küche und verbirgt gekonnt einen Hausarbeitsraum.
„Für uns war es faszinierend, mit einer Bauernschaft ein Projekt zu entwickeln, welche das Thema Holz so konsequent verfolgt.“
Philipp Schertler
Projektleiter, cukrowicz nachbaur architekten
Weiter geradeaus geht es zu einer Einliegerwohnung. Ihre Fenster und ihr Eingang sind zur nordöstlichen Schmalseite des Quaders orientiert, sodass ihre Bewohner sie vollkommen unabhängig und von der Familie unbemerkbar benutzen können. Neben ihr führt eine Holztreppe in den zweiten Stock, der aus einem Büroraum besteht, knapp ein Fünftel so groß wie das Erdgeschoß. Er kann der Einliegerwohnung zugeschlagen werden oder unabhängig benutzt werden. Steht man vor der Eingangsseite des Hauses, ist der aufgesetzte Raum kaum zu sehen, da er ganz an die Gartenseite gerückt ist. Er wendet dem Garten seinen Rücken zu und ist, wie der Essbereich, zur Straßenseite offen, aber blickgeschützt. Überhaupt die Blickrichtungen. cukrowicz nachbaur architekten haben ein Meisterstück an Diskretion geschaffen, indem sie jeder funktionalen Einheit eine eigene Aus- und Einsicht zugeordnet haben. Beim Innenhof, wo sich viele Blicke treffen, kann das Schlafzimmer durch Gardinen aus dichtem Wollgewebe beschirmt werden.
Der private Bereich beginnt hinter der offenen Küche und dem Esstisch. Ein großes Ecksofa lädt zum Rückzug ein, eine raumhohe Holztür, wunderbar leichtgängig, führt in die Kinderzimmer, weitere ins große Badezimmer und in das Elternschlafzimmer. Super, sagt der Hausherr, der Tischlermeister ist und den ganzen Innenausbau gemacht hat. Ich kann mit den Kindern auf den Schultern durchgehen. Seine Handschrift ist auch bei den Möbeln zu erkennen und bei den beheizten, porenoffenen Holzfussböden. Auf ihnen zu gehen ist ein Genuss, der Kenner streift beim Eingang nicht nur die Schuhe ab, sondern gleich auch die Strümpfe. Das ganze Haus atmet Natur: Zellstoffdämmung, Wolle, Leinen, teilweise Schilflehm-platten, mit Strohlehm verputzt. Und Holz, Holz, Holz, möglichst massiv. An den Wänden ist es mit Kalk veredelt, dadurch bleibt es kühl und hell. Im Badezimmer steht ein großer Holzzuber, die Holzduschen sind, so wird uns versichert, extrem pflegeleicht, und bei den Waschbecken nehmen wir das vertraute Material an ungewohnter Stelle schon als Selbstverständlichkeit.
Daten & Fakten
Objekt Wohnhaus Feldkircher, Dornbirn
Eigentümer Ursula und Hubert Feldkircher
Architektur cukrowicz nachbaur architekten ZT, Bregenz
Statik Kaspar Greber, Bezau
Fachplaner Geotechnik: 3P ZT, Bregenz; Ausführungsplanung: Jürgen Haller, Mellau
Planung 1/2012–9/2014
Ausführung 9/2014–5/2015
Grundstücksgröße 1168 m²
Nutzfläche 223 m²
Bauweise Holzständerbau mit 26 cm Zellulosedämmung; hinterlüftete Holzfassade aus Weißtanne in unterschiedlichen Brettbreiten mit Trag- und Elementlattung; Innenverkleidung mit Installationsschicht und Wandtäfer aus Weißtanne; flaches Warmdach mit Gefälledämmung und Bitumen-Abdichtung; Decke aus 18 cm Massivholz und abgehängtem Täfer aus Weißtanne; Riemenboden und dreifach verglaste Fenster aus Weißtanne; Heizung: Wärmepumpe mit Tiefenbohrung; Fußbodenheizung im Trockenbausystem
Besonderheiten Vorarlberger Holzbaupreis 2017, Ausführung Innenausbau und Möblierung durch Bauherr; kontrollierte
Be- und Entlüftung
Ausführung Zimmerer: Kaspar Greber, Bezau; Fenster: Andreas Böhler, Wolfurt; Innenausbau: Eigenleistung
Energiekennwert 27,9 kWh/m² im Jahr