Begegnen wir besonderen Entwicklungen,
so fragen wir nach dem Grund und übersehen oft,
wie viele Kräfte am Werk sind. Der Aufschwung des Landes
wurde von Architektur beflügelt, deren Blüte wiederum
vom hiesigen Handwerk, verwurzelt in solider Tradition
bei gleichzeitig rasanter Innovation.

Autor: Florian Aicher | Fotos: Nicolas Felder

Es gibt kaum Holzbaubetriebe, die so für das Spektrum dieser Entwicklung stehen wie „Kaufmann Zimmerei und Tischlerei“ in Reuthe, Bregenzerwald. Seit drei Generationen betreibt der familiengeführte Betrieb Holzbau; auch entstammen dem Haus vier namhafte Architekten. In Personalunion ist die neue Vorarlberger Architektur präsent. Zeitgenössisches Bauen musste den Holzbau erst wiederentdecken; zuerst als Pfosten-Riegel-Bau, dann Ständerbau, Elementbau und zuletzt Modulbau. Zunehmend durchdringen sich Handwerk und industrielle Verfahren. All diese Stufen hat Michael Kaufmann, seit Kurzem mit Sohn Matthias, in eigenen Entwicklungen genommen. Da-zu kommt die Tischlerei mit moderner Einrichtung – man hat den „Werkraum Bregenzerwald“ mitgeprägt.

Modulbau bedeutet einen Quantensprung – nun geht Holzbau in Serie. Identische Wohneinheiten, ob für Hotels, Studentenheime, Seniorenzentren u. a., werden am Band gefertigt. Auf einer mobilen Plattform werden Boden, Wände und Decken gefügt, Fenster und Türen eingebaut, die Installation montiert, Böden und Fliesen verlegt, schließlich Möbel integriert. Mit jedem Schritt bewegt sich die Plattform. Neben einem Dutzend Zimmerleute arbeiten Monteure von Fremdfirmen in doppelter Zahl am jeweiligen Stück. Nach der Endkontrolle werden die Module gestapelt. 15 Einheiten pro Woche entstehen derzeit. Wenn die bestellte Stückzahl komplett ist, werden sie in komplizierter Logistik auf die Baustelle gebracht und zusammengebaut. Nach wenigen Tagen steht so im Grunde ein 50-Zimmer-Hotel.

Die Bergkulisse im Blick, liegen 80 m holzverschalte Fertigungshalle auf Abstand zur Ortschaft Reuthe parallel zum Flusslauf im Tal der Bregenzerach.
In feiner Abstufung und horizontaler Gliederung in Glas- und Holzflächen integriert sich das große Volumen in die Tallandschaft.
Flächenbündiger Einbau der größtmöglichen Gläser in die durch Fichtenlatten feinstrukturierte Holzwand unterstreicht die reine Geometrie der Volumen.

Fast kurios begann das am Ende der 1990er-Jahre: Zwei Eisenbahnschwellen wurden auf den Werkstattboden gelegt und fertig war das Fließband. Die Nachfrage zog an – große Projekte eingeschlossen. Doch Michael Kaufmann musste feststellen: Nach wenigen Wochen ließ die Produktivität spürbar nach. Die Fertigung des Immergleichen in der Halle bekommt dem Zimmerer schlecht – höchste Zeit für Wind und Wetter auf Dachstühlen. Handwerk und Industrie – unvereinbar? Kaufmann widerstand lange externem Rat, Modulbau zum Kerngeschäft in eigener Halle zu machen. Doch steigende Nachfrage, flexible Nutzbarkeit und die nächste Generation im Blick stimmten ihn um: 2015 begann Bruder Johannes Kaufmann die Planung einer neuen Halle, zwei Jahre später war Bezug.

„Mit seiner naturbelasse­nen Holzfassade
wird das Gebäude in die Landschaft hineinwachsen.“

Michael Kauf­mann
Bauherr

Entwurfsentscheidend war zum einen der optimierte Betriebsablauf: Das beginnt mit der Anlieferung von Komponenten unter Dach, gefolgt von linearer Abfolge der Produktion, Endkontrolle, Lagerung auf drei Etagen und Auslieferung unter Dach. Zwei gerade Wege mit gemeinsamem Start und Schluss ergeben eine Länge von 80 m; Produktion parallel zu Kontrolle und Lager eine Breite von 30 m; gestapelte Module plus Kranbahn eine Höhe von maximal 15 m. Die alte Halle hätte dreimal Platz in der neuen. Und Holzbau sollte es sein: Von der beheizbaren Bodenplatte und sechs Mittelstützen in Beton abgesehen ist alles Holz, mit tragenden Außenwänden und mittigem Fachwerkträger aus Buche. Die gedämmten Außenwände sind mit Fichte verschalt.

Der zentrale Fachwerkträger aus Baubuche und Zugstahl überspannt 16 m und trägt das abgestufte Dach sowie die Schienen der beiden Kranbahnen.
„Wir wollen nicht nur Module machen, sondern weiterhin klassischen Zimmererbau.“ Michael Kaufmann mit Sohn Matthias, gleichberechtigte Firmeninhaber.
Am Anfang der Modulfertigung: Montage der Wandelemente. 15 interne und 20 externe Fachhandwerker sind beschäftigt, bis das Modul komplett eingerichtet ist.

Entwurfsentscheidend war zum einen der optimierte Betriebsablauf: Das beginnt mit der Anlieferung von Komponenten unter Dach, gefolgt von linearer Abfolge der Produktion, Endkontrolle, Lagerung auf drei Etagen und Auslieferung unter Dach. Zwei gerade Wege mit gemeinsamem Start und Schluss ergeben eine Länge von 80 m; Produktion parallel zu Kontrolle und Lager eine Breite von 30 m; gestapelte Module plus Kranbahn eine Höhe von maximal 15 m. Die alte Halle hätte dreimal Platz in der neuen. Und Holzbau sollte es sein: Von der beheizbaren Bodenplatte und sechs Mittelstützen in Beton abgesehen ist alles Holz, mit tragenden Außenwänden und mittigem Fachwerkträger aus Buche. Die gedämmten Außenwände sind mit Fichte verschalt. Ebenfalls entscheidend für den Entwurf war das angestrebte Arbeitsklima: Neben der Temperierung ist die Ausleuchtung maßgebend. Großzügige, durchlaufende Lichtbänder unterhalb der Traufe erstrecken sich auf fast die gesamte Gebäudelänge – Atelierbeleuchtung für alle lichtdurchfluteten Arbeitsplätze. Ein Drittel macht Modulbau aus, zwei Drittel üblicher Abbund.

Wettergeschützte, temperierte Arbeitplätze, reichliche Belichtung, kräftiges Hebezeug und auf zwei Schienen laufende Plattformen ergeben die Geometrie der Halle.

Ebenfalls entscheidend für den Entwurf war das angestrebte Arbeitsklima: Neben der Temperierung ist die Ausleuchtung maßgebend. Großzügige, durchlaufende Lichtbänder unterhalb der Traufe erstrecken sich auf fast die gesamte Gebäudelänge – Atelierbeleuchtung für alle lichtdurchfluteten Arbeitsplätze. Ein Drittel macht Modulbau aus, zwei Drittel üblicher Abbund. Und schließlich die Nachbarschaft und der Naturbezug: Das enorme Volumen wird durch seine entschiedene Längsentwicklung gestreckt; abgestufte, flache Dächer mindern Höhe und vermitteln zur Landschaft. Michael Kaufmann: „Mit seiner naturbelassenen Holzfassade wird das Gebäude in die Landschaft hineinwachsen.“ Ein Gebäude von fast expressiver Rationalität. Die entschiedene horizontale Lagerung kontrastiert mit dem Stakkato der vertikalen Konstruktion, sichtbar hinter den Glasflächen. Diese betonen, indem sie bis ans Attikablech geführt werden, die kristalline Form. Deren Rippen beschwören die Ressource hiesiger Kultur und Natur – die Gradlinigkeit von wachsendem Holz. Regionales Bauen, abstrahiert.

Daten & Fakten

Objekt Neubau Montagehalle Zimmerei und Tischlerei Kaufmann, Reuthe

Bauherr Kaufmann Zimmerei und Tischlerei GmbH, Reuthe

Architektur Johannes Kaufmann Architektur, Dornbirn, www.jkarch.at; Projektleitung: DI (FH) Dark Schick

Statik Merz Kley Partner, Dornbirn

Planungsdaten Planungsbeginn: 2015; Baubeginn: Sommer 2016; Bauübergabe: Ende 2017

Objektdaten Grundstücksfläche ca. 11.400 m²; Nutzfläche ca. 2700 m²; Umbauter Raum: BRI 35.582,87 m³

Konstruktion Tragwerk aus Baubuche

Ausführung Baumeister: Oberhauser & Schedler, Andelsbuch; Heizung: Steurer Installationen, Andelsbuch; Sanitär: Fink Martin, Bezau; Dachdecker/Spengler: Ing. Gunter Rusch, Alberschwende