Architektur mit spanischer Signatur
Ein Ensemble von 24 Reihenhäusern in Nenzing, entwickelt von den spanischen Architekt(inn)en Gloria Ochoa und Víctor Olmos, vereint Modernität und Tradition. Das Ergebnis: eine neue Nachbarschaft, Öffnung zur Natur und die Schaffung von Begegnungsräumen durch gemeinschaftlich nutzbare Bereiche.
Text Cristina Navajas Jaen · Fotos Stefan Hauer

Der Besuch vor Ort findet im März statt. Mit dem Frühling in der Luft machen wir uns auf den Weg nach Feldkirch, wo uns die spanische Architektin Gloria Ochoa in ihrem Studio empfängt. Von dort aus steigen wir in ihr Auto und fahren nach Nenzing, dem Standort ihres Projekts. Während der Fahrt erzählt uns Gloria Anekdoten von ihrer bemerkenswerten Karriere in Spanien, wo sie seit den 1980er-Jahren bedeutende Projekte im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und den Bau mehrerer Krankenhäuser realisiert hat. Vor zwölf Jahren, getrieben von dem Wunsch, neue Herausforderungen anzunehmen, und angesichts der Möglichkeit, in einem mitteleuropäischen Umfeld zu arbeiten, mit dem sie bereits durch ihr Studium in München in Kontakt gekommen waren, entschieden sich Gloria Ochoa und ihr Ehemann Victor Olmos, der ebenfalls Architekt ist, nach Vorarlberg zu ziehen. Hier teilen sie nun sowohl ihr Privatleben als auch ihre berufliche Tätigkeit in ihrem Studio in Feldkirch und sind mit ihrer Architekturpraxis und ihrem Verständnis bereits ein wichtiger Teil der Vorarlberger Architekturszene geworden.

Das Anliegen in Nenzing, die lokale Bautradition mit spanischer Kreativität zu verbinden, wurde ergänzt mit jenem, die natürliche Umgebung aus Bergen und die gewachsene Struktur einer Einfamilienhaussiedlung in den Entwurf aufzunehmen. Das Konzept des Projekts verfolgt die klare Absicht einen Raum zu schaffen, der die Anmutung eines kleinen Dorfes hervorruft, in dem sich die Nachbarn begegnen, die Kinder im Freien spielen und die Gemeinschaftsbereiche das Herz der Nachbarschaft bilden. Wie Gloria Ochoa anmerkt: „Ich hoffe, dass sich die Nachbarn nach und nach diese Außenräume zu eigen machen, indem sie Bäume und Gemüsegärten pflanzen – kurz gesagt, diesen Begegnungsraum schaffen, der ihnen zur Verfügung steht.“


„Die Ziele des Projekts waren, zeitgenössische Wohnhäuser in ländlichen Strukturen zu bauen, eine höhere Dichte einzuführen, ohne die Maß-
stäblichkeit zu verlieren.“
Gloria Ochoa
Architektin

Die 24 Reihenhäuser, die von der Bauträgerfirma Riva Home zwischen 2019 und 2022 entwickelt wurden, stellen ein einzigartiges Projekt in der Geschichte des Unternehmens dar. Obwohl sie das Konzept der leistbaren Wohnungen, das ihre Philosophie definiert, beibehalten, sind die Reihenhäuser in Nenzing doch auch speziell, dass sie mit den traditionellen ästhetischen Merkmalen brechen, wie den weißen Fassaden und flachen Dächern, die bisherige Projekte kennzeichneten. Stattdessen übernehmen sie neue Konfigurationen und Farben, um sich harmonisch in die Umgebung einzufügen. Frühere für diesen Standort vorgestellte Projekte wurden vom Gemeinderat von Nenzing abgelehnt, da sie nicht als angemessen für den Kontext des Ortes angesehen wurden. In diesem Moment übernahm Architektin Gloria Ochoa die Herausforderung und präsentierte einen neuen Entwurf, der schließlich auch umgesetzt wurde.

Die Anlage ist auf fünf Baukörper verteilt, die sich an die natürliche Hanglage anpassen. Jeder Baukörper hat eine unterschiedliche Ausrichtung, wodurch ungestörte Ausblicke in die Landschaft möglich sind. Das Grundstück weist schattige Bereiche auf, da sich in der Nähe ein Hügel befindet, der berücksichtigt werden musste. Zudem wurde die Ausrichtung der Wohnungen nach Westen und Süden priorisiert, um den Eintritt von natürlichem Licht zu maximieren. „Wir respektieren die ursprüngliche Topographie und passen die Volumina an die unterschiedlichen Niveaus an. Auf diese Weise erkennt man das Spiel der Dächer unterschiedlicher Höhen, das die Struktur der Dörfer prägt“, erklärt die Architektin. Die Häuser zeichnen sich durch ihre Satteldächer aus, ein typisches Element der alpinen Architektur, und übernehmen das besondere Wohnmodell „Deckel“, das die Nutzung und Gestaltung der Seitengiebel optimiert. Jeder Baukörper zeichnet sich durch die verschiedenen Farben der Türen und die grauen Nuancen der Holzfassade aus, die von Gloria Ochoa sorgfältig ausgewählt wurden.

Auf diese Weise behält das Ensemble zwar eine visuelle Einheit, doch verleihen diese farblichen Variationen jedem Baukörper eine einzigartige Identität. Wie Gloria Ochoa erläutert: „Die subtile Farbgebung der verschiedenen Häuser (zwei unterschiedliche Grautöne der Lasur für die Holzverkleidung) und die unterschiedlichen Farben der Eingänge zu jedem Haus ermöglichen es den Nachbar(inne)n, eine persönliche Beziehung zu ihrem eigenen Zuhause zu entwickeln.“ Im Inneren variiert jede Wohnung je nach Typologie in ihrer Größe zwischen 60 und 120 m² und erstreckt sich über zwei oder drei Etagen. Schmal, aber hoch und langgezogen, verfügen sie über ein bis drei Schlafzimmer, und einige bieten Dachgeschoße, die als zusätzliche Räume genutzt werden können. Besonders hervorzuheben ist das Design der Erdgeschoße mit zwei Split-Level-Bereichen zwischen der Küche und dem Eingang zum Wohnzimmer. Diese passen sich nicht nur an die natürliche Hanglage des Geländes an, sondern tragen auch dazu bei, ein größeres Raumgefühl und mehr Dynamik in den Räumen zu schaffen.
Zwei Tiefgaragen mit jeweils zehn Stellplätzen, Besucherparkplätze und ein überdachter Fahrradabstellraum vervollständigen gemeinsam mit den Erholungsbereichen für Kinder und Erwachsene den Gemeinschaftsraum durch ein funktionales und nachhaltiges Design. Dieses Projekt geht über das rein Funktionale hinaus und wird zu einem Modell des Zusammenlebens und zu einem echten gemeinsamen Zuhause. Die persönliche Handschrift der Architektin ist unverkennbar und zeigt sich in der harmonischen Verschmelzung von alpiner Tradition und Moderne. Ihre Vision, dass die Bewohner(innen) nicht nur dort wohnen, sondern sich jeden Raum zu eigen machen, wird sich im Laufe der Zeit verwirklichen, ähnlich wie bei langfristigen Beziehungen, die eine solide Basis benötigen, um zu gedeihen.

Eine Baukulturgeschichte von VAI.
Das vai ist die Plattform für Architektur und Baukultur in Vorarlberg. Es bietet eine Bibliothek, Aus-stellungen, Veranstaltungen und Vor-Ort-Termine in den Gemeinden: Mehr Infos auf www.v-a-i.at
Riva home Wohnanlage, Nenzing
Bauherr: RIVA HOME
Architektur: Gloria Ochoa Architektin, Feldkirch, www.gloriaochoaarchitektin.com
Planung: 2018/2019
Ausführung: 2020/2022
Grundstück: 4636,78 m²
Nutzfläche: 2535,99 m²
Kinder- und Kleinkinderspielplatz: 346 m²