Es ist ein stiller Frühlingstag. Hie und da passiert ein Auto oder
eine zügige Radfahrerin. Einmal sogar mit Kinderanhänger.
Wir befinden uns inmitten von Röthis, windgeschützt zwischen
zwei Hausfassaden und einer Einfriedungsmauer. Auf der einen Seite
der renovierte Pfarrhof, auf der anderen das sanierte Pfarrheim.
Ersterer wurde bis vor einigen Jahren von Pfarrer Podhradsky
und seiner Köchin bewohnt. Zweiteres ist seit dem Ableben des Pfarrers
wenig gebraucht worden, was dem Daseinszweck eines Gebäudes widerspricht.

Autor: Fabian Tobias Reiner | Fotos: Angela Lamprecht

Die Liste der Vorschläge, wie das wenig benutzte Pfarrheim und der unbewohnte Pfarrhof verwendet werden sollten, war lang. Die Pfarrgemeinde hatte mehrere Initiativen in die Wege geleitet. Einmal sogar als Archiv angedacht, konnte das Feldkircher Büro „Studio SAAL“ die Pfarrgemeinde überzeugen, dass die Gebäude sozialen Austausch fördern sollen. Nicht oft ergeben sich Leerstände in solcher Qualität, an solch zentralen Orten und mit dieser Geschichtsschreibung. Dem Pfarrkirchenrat war damit auch klar: Hier muss interveniert werden, damit die Bürgerinnen und Bürger einen Raum der Zusammenkunft gewinnen – die Gemeinde Röthis ein Gesicht für ihr Kollektiv bekommt.

Von außen wird ersichtlich, dass die Bestände sorgfältig saniert wurden. Das Fachwerk, der Kitschputz, die Einfriedung, die Dächer; beim ehemaligen Pfarrheim zeigt sich alles, wie es einst war. Beim Pfarrhof wurden die Sandstein-Simse freigelegt, in Anbetracht des Denkmalschutzes mit neuen Blechen geschützt, und an den Fassaden Kalkfarben in Kreuzputzmanier aufgetragen.

Im Inneren der beiden Gebäude galt stets die Devise: Erhaltenswertes bleibt erhalten. Die Bauarbeiter legten minutiös frei. Es kamen originale Kalk- und Leimfarben, die über die Jahre überstrichen worden waren, sowie Stuckdecken, die durch Vorsatzschalen abgedeckt waren, zum Vorschein. Gealtertes Holz wurde geschliffen und geölt und sogar Kronleuchter an ihren Stellen belassen.

„Eine bessere Qualität trägt zu
guter Letzt auch zu einer höheren Wertschätzung bei.“

Lukas Pankraz Mähr,
Solveig Furu Almo
Architekt und Architektin

Im renovierten Saal des Heims überzeugt neu eine ausgeklügelte Doppelflügeltüre, die vorerst nur durch ihre überhohe Täferung erkennbar ist. Sie dient, einseitig geöffnet, als funktioneller Zugang zur Küche und, vollständig geöffnet, als räumliche Erweiterung des Saals. Die Türe, bei der sich die Blätter in entgegengesetzte Richtungen öffnen, hat nicht nur dem Tischler einiges an Können abverlangt. Sie ist auch Zeuge, dass solch scheinbar einfache räumliche Schwellenmomente in der Architektur präzise gedacht werden müssen, um sich größtmöglich zu entfalten.

Generell wirkt der Raum, als wäre er schon immer da gewesen. Ein Zeugnis, das die beiden jungen Planenden gerne hören, denn im Saal wurde zwar nicht viel, jedoch Grundlegendes verändert. Der gesamte Boden wurde herausgenommen, unter hohem Planungs- und Arbeitsaufwand eine Bodenheizung eingeführt und ein geschliffener Eichenparkett mit Fries verlegt. Eine Bemühung, die nicht genug geschätzt werden kann. Die Leute sollen kommen und gehen und sich so fühlen, als hätte nie eine Veränderung stattgefunden.

Ähnlich selbstverständlich ergibt sich der Dachraum darüber. Ursprünglich nicht zur Nutzung gedacht, wurde beim Dämmen der Saaldecke das räumliche Potenzial des Ortes erkannt. Er wird zukünftig als erweiterter Innenraum im Übergang zum Außenraum verwendet werden. Denn obwohl die Architekturschaffenden nur einen Bretterboden verlegt haben, wird sich der offene Dachraum nicht nur für Treffen der Meßdiener(innen) eignen.
Chapeau an die Vernunft des Studio SAAL, nicht sämtliche Nutzungen und Abläufe vorzudefinieren, sondern es zuzulassen, dass sich die Menschen das Vorhandene aneignen. Ganz nach dem Leitsatz: Architektur ist Hintergrund.
Aber nicht nur der Saal wird gut bei der Gemeinschaft ankommen, sondern auch der Pfarrhof. Denn hier wurde über dem Pfarrbüro hochwertiger Wohnraum geschaffen.

Das Wohnambiente ließ sich durch eine großzügige Belichtung und durch sensiblen Sanierungs- und Restaurierungsstandard schaffen. Sogar die feinen Abrundungen entlang der Zimmerdecken sind erhalten. Die zukünftigen Bewohnerinnen und Bewohner werden sich beflügelt fühlen, insofern sie auch die
barocken Möbel mögen können. Die Architektin und der Architekt sind sich einig: Obwohl der Entwurfs- und Projektierungsprozess ein langwieriger war und das barockisierte Gebäude nicht der Norm des Wohnungsmarkts entspricht, trägt eine höhere Qualität zu guter Letzt auch zu einer höheren Wertschätzung bei. Alles scheint so still und angemessen nicht des Lockdowns wegen, sondern geschuldet der Bescheidenheit der jungen Planenden.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Pfarrhof und Pfarrheim Röthis
Eigentümer Röm.-kath. Pfarrpfründe zu St. Martin in Röthis
Architektur Studio SAAL Architekten, Feldkirch, www.saal.studio
Fachplanung Bauphysik Lothar Künz, Hard; Begleitung Denkmalamt: Barbara Grabherr Schnei-der, Bregenz; Begleitung: Diözesanbaumeister Herbert Berchtold
Planung Herbst 2019 – Frühjahr 2021
Ausführung 2/2021–2/2022
Grundstücksgröße 1450 m²
Nutzfläche 282 m² (davon Wohnungen 125 m²)
Bauweise Massivbau; Naturstein und verputzte Ziegel
Besonderheiten Denkmalpflegerische Sanierung des 1481 erbauten Pfarrhofs mit tatkräftiger Mithilfe durch Pfarrgemeindemitglieder
Ausführung Althaussanierung: Karl Brettenhofer; Elektro: Domig; Maler innen: Hakki Celik; Fassaden: Malerkiste Alex Tschofen; Installationen: ETG; Tischler: Ludescher und Manfed Bischof; Fliesen: Herbert Maier; Gerüst: Breuss; Dach: Entner; Restauratorin: Nicole Mayer; Kamin: Ammann Bau; Landschaft: Markus Morscher; Böden: Elmar Lamprecht; Sandstein: Alpha Stone
Baukosten 550.000 Euro