Die kleine Bauparzelle steht in zweiter Reihe am Siedlungsrand von Fraxern:
ein bis dahin unbebautes Grundstück in wundervoller, wenn auch steil geneigter Hanglage.
Nichts als Wiese und ein paar Kirschbäume, Bach und Wald in nächster Nähe.
Es ist ein kulturlandschaftlich sensibles, ja schwieriges Umfeld
für die Neuerrichtung eines Hauses. Wolfgang Schmieder, Architekt und Bauherr in einem,
sah die Herausforderung und entwarf eine Architektur, die damit bewusst,
verständig und zugleich mutig umgeht.

Autor: Tobias Hagleitner | Fotos: Benno Hagleitner

Die Stoßfugen der Systemschalung ergeben eine geometrisch aufgeräumte Rasterzeichnung. Der Beton sollte seinen rohen Charakter behalten und zeigen. Struktur, Farbigkeit und Helligkeit verändern sich je nach Tageszeit, Saison und Witterung.
Auf der obersten Ebene ist die Küche untergebracht, die sich mit großer Faltverglasung auf die Terrasse öffnet. In der Mitte finden sich der Wohn-, Arbeits- oder Gästebereich – je nach Bedarf. Unten ist die Schlafebene.

Eigentlich waren der Architekt und seine Partnerin auf der Suche nach einer neuen Wohnung im Raum Feldkirch. Bis das Paar per Zufall die kleine Liegenschaft entdeckte, die am westlichen Siedlungsrand von Fraxern zum Verkauf stand. Sie verliebten sich in die Aussicht, in die landschaftliche Schönheit und Ruhe der Umgebung und erwarben die knapp fünfhundert Quadratmeter Kirschbaumwiese am Rand des „Kriasidorfs“, um sich dort ein Wohnhaus zu errichten. „Wie kann man auf die Bauaufgabe Einfamilienhaus angemessen reagieren?“, beginnt Wolfgang Schmieder den Besichtigungsrundgang gleich mit einer kritischen Frage an sich selbst, „wie kann ich es so machen, dass es für mich vertretbar und richtig ist?“ Die architektonische Antwort, die er darauf gefunden und formuliert hat, steht vor uns im strahlenden Licht des kühlen Maivormittags: ein kubisches Haus aus Beton, das wie ein Findling zwischen den Kirschbäumen auf der Wiese zu liegen kam. Das beinah würfelförmige Volumen von acht Meter Seitenlänge und neun Meter Höhe wurde trotz der starken Hangneigung ohne jeden Eingriff ins Gelände am Grundstück platziert. Den ersten Teil der Antwort klären wir somit schon auf der filigranen Brücke, die von der Straße zum Hauseingang an der Nordseite führt: Die umgebende Topografie muss möglichst unangetastet bleiben, dass die vorhandene Landschaft das Bauwerk umfließen und räumlich wirksam bleiben kann.

Der Hauswürfel wirkt nicht nur monolithisch. Die Außenwände aus Dämmbeton wurden tatsächlich vor Ort in einem „Guss“ über die volle Höhe betoniert.
Der Eindruck eines „Findlings“ in der umgebenden Landschaft wird unterstützt von dem leichten Steg, der das Gebäude von oben erschließt.

Einen zweiten Aspekt eines „angemessenen“ Wohnhauses sieht der Architekt in einer formal klaren und bautechnisch durchdachten Konzeption. Und da hat er für sein Eigenheim tatsächlich besondere Lösungen entwickelt. Statt der üblichen, mehrschichtigen Bauweise, bei der ein Mix aus Materialien die unterschiedlichen Aufgaben übernimmt – Tragen, Dämmen, Dichten, Oberfläche etc. –, ist das Haus in Fraxern einstofflich konstruiert. Es ist im wahrsten Sinn des Wortes aus einem Guss: Die fünfzig Zentimeter dicken Außenwände aus Dämmbeton wurden über alle drei Geschoße in einem Stück betoniert und innen wie außen schalungsrau belassen. In einem zweiten Schritt wurden die Vollbetondecken mitsamt den Heizleitungen eingebracht. „Dann war das Haus eigentlich zu achtzig Prozent fertig“, lacht Schmieder. Mit einem einzigen Material sind also statische, thermische und ästhetische Anforderungen erfüllt. Das klingt einladend simpel. Monolithisch sauberes Bauen braucht allerdings besonderen Planungsaufwand, handwerkliche Genauigkeit und auch ein bisschen Risikobereitschaft, berichtet der Bauherr-Architekt. Denn wie sich das noch relativ wenig erprobte Material Dämmbeton nach dem Ausschalen wirklich zeigt, ist schwer vorherzusagen und im Nachhinein kaum korrigierbar.

Die Materialien beschränken sich auf Sichtbeton, Schwarzstahl, Holz und Glas. Fenster, Einbaumöbel und Küchenzeile wurden aus Weißtannenholz gefertigt. Die geschliffene Betondecke ergibt den Fußboden.
Der Purismus der Architektur braucht die passende Einstellung: „Wir umgeben uns nicht gern mit vielen Dingen“, sagt Wolfgang Schmieder, „es braucht auch nichts, weil die Natur rundherum hat ohnehin so viel Gewicht.“
„Es ging immer um die Frage:
Brauchen wir das oder können wir es weglassen?
Das zieht sich bis in die Details.“

Wolfgang Schmieder
Architekt und Bauherr

Dieser Blick ins Rheintal und in die Schweizer Berge kann auf der Terrasse genossen werden. Ein Panorama, an dem sich wohl niemand so schnell satt sehen kann.

Ganz im Sinn des minimalistischen Konzepts ist auch die Haustechnik möglichst reduziert und damit eine dritte Antwort auf die rhetorische Eingangsfrage gegeben: Systemische Einfachheit. Als Energielieferanten werden die Sonne und Holz genutzt. Die Betonkernaktivierung speist sich aus Vakuumröhrenkollektoren am Dach. An kalten und sonnenarmen Tagen kann mit Heizenergie aus dem Grundofen nachgeholfen werden. Die Masse und Trägheit der Wände sorgen das ganze Jahr über für ein sehr gleichmäßiges und angenehmes Raumklima. Die Porosität des Dämmbetons wirkt sich positiv auf die Feuchtigkeitsregulierung, aber auch auf die Raumakustik aus. Im Gegensatz zu manch anderem Betonbau ist es hier nicht kalt und es fühlt sich auch nicht so an.

Die Fenster sitzen je nach räumlicher Funktion innen- oder außenbündig. In diesem Fall wird ein quadratischer Ausschnitt Landschaft mit Wiese und Kirsch- bäumen gerahmt. Die Laibung dient als angenehme Sitzbank.
Die Treppenläufe, die vom Hauseingang nach unten führen, sind Teil des monolithischen Betonobjekts. Die sieben Stufen hinauf in den Koch- und Essbereich wurden aus Schwarzstahlblech gefertigt.

Wer das Dämmbetonhaus betritt und im Inneren erlebt, dem zeigt sich noch eine vierte Antwort, was das „richtige“ Haus ausmachen könnte: platzsparende, zugleich geräumige innere Organisation. Über eine offene Treppe werden die drei Haupt-ebenen des Hauses erschlossen. Oben wird gekocht und gegessen, in der Mitte gearbeitet und gewohnt, unten geschlafen. Es ist eine zusammenhängende, offene Raumskulptur, die mit nur zwei Innentüren auskommt und dennoch verschiedenste Bereiche mit unterschiedlichen Qualitäten, Atmosphären und Ausblicken bietet. „Wir kommen jeden Tag so gern nach Hause“, freut sich Schmieder über das ruhige, formal reduzierte Refugium: „Es fällt uns direkt schwer, noch zu verreisen.“

Bauherr und Architekt in einer Person – wie ist das eigentlich? „Das ist ein Riesenkampf“, berichtet der Architekt und Bauherr (Mitte) augenzwinkernd. Und die Baufrau nickt ihm zu: „Aber das Ergebnis stimmt!“

Daten & Fakten

Objekt Haus M S, Fraxern

Bauherrschaft Wolfgang Schmieder, Anja Müller

Architektur Fischer Schmieder Architekten, Feldkirch, www.fischer-schmieder.at

Statik Mader + Flatz, Bregenz

Fachplanung Bauphysik: Spektrum, Dornbirn

Planungsbeginn 10/2014

Ausführung 10/2016–6/2017

Grundstücksfläche 490 m²

Bebaute Fläche 64 m²

Bruttogeschoßfläche 170 m²

Bauweise Außenwände: Schalungsrauer Dämmbeton; Geschoßdecken und Treppen im Untergeschoß aus geschliffenem Beton; Fenster und Einbau­möbel aus geölter Weißtanne; Treppe im Obergeschoß wie auch der Ofen und die Beschläge aus geöltem Schwarzstahl; Heizung über Solaranlage, ergänzt durch Grundofen, Wärmeverteilung durch Betonkernaktivierung

Besonderheit Die Außenwände wurden einstofflich aus Dämmbeton mit 50 cm Stärke errichtet

Ausführung Baumeister: Wilhelm Mayer, Götzis; Dach/Spengler: Peter, Götzis; Energie/Sanitär: ETG, Rankweil; Fenster: Hartmann, Nenzing; Tischlerei: Nikolaus Schrenk, Fraxern; Schlosserei: Kalb, Dornbirn; Ofen: Müller, Ludesch

Energieausweis 33 kWh/m² im Jahr (HWB)