Beherzt zeigen drei unkonventionelle Häuser am Rand von Lustenau,
dass geförderter Wohnbau weit mehr sein kann als kompakte Gebäude mit Lochfassade,
Vollwärmeschutz und barrierefreien Regelgrundrissen.
Die Architekturwerkstatt Dworzak-Grabher plante die Anlage
mit 55 Wohnungen für die gemeinnützige Wohnbauselbsthilfe.
Eine dunkle, vorgehängte Holzfassade, vorwitzig schräge Balkone und eine kluge,
offene Erschließung machen die Gebäude sehr durchlässig.
Ihre Heizung kommt ohne fossile Energien aus.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Cornelia Hefel

Die Anlage liegt am östlichen Ortsrand von Lustenau auf einem 7126 m² großen Grundstück, das sich 200 Meter lang von Norden nach Süden erstreckt und von Westen bis Osten 37 Meter breit ist. Dort bilden die gesamte Länge hinweg die Gärten der Einfamilienhäuser an der Sägerstraße die Grundgrenze, sind also das direkte Gegenüber. Deren Privatsphäre zu wahren, war der Architekturwerkstatt Dworzak-Grabher sehr wichtig. Rundherum mischen sich Industrie und Gewerbe zwischen Einfamilienhausteppiche und Felder. Viele Maßstäbe treffen hier aufeinander. „Wir fragten uns, wie man eine großvolumige Anlage mit 55 barrierefreien Wohnungen gut in eine ortsrandtypische, kleinkörnige bauliche Struktur integrieren kann“, sagt Stephan Grabher. Den drei in der Höhe gestaffelten, unkonventionellen Baukörpern mit den schrägen Balkonen und den raumhohen französischen Fenstern sieht man ihre sozialverträgliche Herkunft nicht an. Stolz und selbstbewusst zeigen sie, dass sich drei Gebäude von beachtlicher Größe und Dichte mit insgesamt 55 leistbaren Kauf, Mietkauf- und Mietwohnungen auch begegnungsoffen und ortsverträglich strukturieren lassen.

„Wir wollten keine Vorder- und Rückseite planen“, so Grabher. „Deshalb gibt es überall diese ausgedrehten Balkone und die tiefen Einschnitte in den Baukörper. Wichtig war uns auch, dass unsere Erschließung viele Durch- und Ausblicke bietet und den Menschen ermöglicht, miteinander ins Gespräch zu kommen. Vorwitzig brechen die freigeformten Balkone aus einigen Hausecken aus und bringen ein spielerisches Moment in die vorgehängte Holzfassade. Ihre hellen Brüstungen aus gezacktem Lochblech heben sich deutlich von der Fassade ab. Die dunkel lasierten, unterschiedlich breiten, vertikalen Fichtenlatten stehen dem Haus gut.“

„Die Anlage bietet räumliche Großzügigkeit und viele Möglichkeiten zur Begegnung.
Alle Wohnungen sind hell, mehrseitig orientiert und haben Terrassen
mit Sonne, Aussicht und doch genug Privatsphäre.“

Stephan Grabher
Architekt

„Dunkle Farben und vertikale Linien machen schlank“, lacht Stephan Grabher. Und elegant. „Die Gebäude sollten eine gewisse Wertigkeit vermitteln.“ Die Häuser sind als Stahlbetonskelettbauten konzipiert, die vorgehängten Holzfertigteile der Außenwände haben einen hohen Wärmedämmwert und einen niedrigen CO2-Fußabdruck. An der Straßenkreuzung am nordwestlichen Eck der Anlage macht der Landbus Station, dort stellt der Wohnbau allen Wartenden eine Bank zur Verfügung. Hier befinden sich auch der Gemeinschaftsraum für Feiern aller Art und gleich ums Eck die Tiefgarageneinfahrt.

Die drei 20 Meter breiten, zwischen 38 und 45 Meter langen Gebäude werden von einem sehr intelligenten, komplexen Erschließungssystem durchzogen. In der Mitte jedes Hauses sorgt ein breiter, offener Durchgang im Erdgeschoß für eine durchlässige Verbindung zwischen Eingangs – und Gartenseite. Er ist gleichermaßen das luftige Foyer, von dem ein Lift und eine einläufige Stiege in die darüberliegenden Ebenen führen und ein breiter Gang zu den einzelnen Wohnungen abzweigt. Die großzügigen Einschnitte in den Baukörpern sorgen für eine mindestens zweiseitige Belichtung.

Viele Erdgeschoßeinheiten haben Eigengärten, der zentrale Verbindungsgang aber ufert auch zu gemeinsamen Freiflächen aus. Im längsten, mittleren Baukörper wird er wohnstraßenseitig zum grünen Innenhof, an den zurückspringenden Enden des ersten und letzten Hauses mündet er in ein Rasenstück, das am Ende der Anlage direkt in einen öffentlich nutzbaren Spielplatz übergeht. Das ist auch für die Nachbarschaft ein Gewinn, Spielplätze sind nämlich in der Umgebung absolute Mangelware.

„Die Finanzierung war eine große Herausforderung“, sagt Josef Jenny, Projektleiter bei der Wohnbauselbsthilfe. Dank einer richtigen Mischung aus Miet- und Mietkaufwohnungen, dem Abschöpfen von Förderungen und nicht zuletzt einer guten Planung war sie zu meistern. Selbst Gemeinschaftsbeete gingen sich noch aus – und ein komplett nachhaltiges Heizsystem. „Ursprünglich war geplant, mit einem bivalenten Heizsystem aus Erdwärme und Gas zu heizen. Dann brach der Krieg in der Ukraine aus“, erzählt Grabher. „Wir mussten also das Gas eliminieren und die Häuser mitten im Bau komplett auf Erdwärme mit einer größeren Photovoltaikanlage umplanen.“ Es ist geglückt. Heizung und Warmwasser werden von Wärmepumpen mit Erdsonden, die zwischen 120 und 150 Meter tief ins Erdreich ragen, gespeist.

Daten und Fakten

Objekt: Drei Häuser im Vorach, Lustenau

Bauherr: Wohnbauselbsthilfe, Bregenz

Architektur: Architekturwerkstatt Dworzak – Grabher, Lustenau, www.dworzak-grabher.at

Statik: Nachbaur Baustatik, St. Margrethen (CH)

Fachplanung: Bauphysik: Spektrum, Dornbirn; Heizung, Klima, Lüftung, Sanitär: Marte-Diem, Bregenz; Brandschutz: K&M, Lochau; Landschaftsarchitektur: Gruber+Haumer, Bludenz

Planung: 10/2017–05/2021

Ausführung: 05/2021–05/2023

Grundstück: 7126 m²

Wohnfläche: 4000 m² (zzgl. Gemeinschaftsraum)

Bauweise: Baumeister: Stahlbetonskelettbau mit Holzfertigteilelementen; Heizung über Erdsonden; Photovoltaikanlage

Ausführende: GU/BM: Nägele, Röthis; Zimmerer: IAT, Röthis; Fenster: Josef Feuerstein, Nüziders; Schlosser: Rudigier, Bludenz; Innenausbau: Raumwerk, Wolfurt; Böden: Bal, Bregenz; Heizung: Bömag, Schruns; Elektro: Jovitech, Dornbirn; Maler: PG, Höchst; Landschaft: Brunner, Höchst; u. a.

Kosten: 28-31 kWh/m² im Jahr (HWB)

Kosten: 12,5 Mio. Euro