Zwischen Koblacher Kanal und Rheintalautobahn liegen die Wiesen,
Felder und der Rheinhof, wo Auszubildende des Bäuerlichen Schul- und
Bildungszentrums (BSBZ) in Hohenems ihre landwirtschaftliche Praxis erwerben.
Für die Kinder des Hofkindergartens Rheinhof sind sie ein riesiger Abenteuer-
spielplatz. MWArchitekten planten ihnen einen neuen Kindergarten.
Der Holzhybridbau mit dem hohen Satteldach passt zur Landschaft und
hat großzügige, helle Räume zum Spielen und Entspannen.

Text: Isabella Marboe | Fotos: David Schreyer

Der Hofkindergarten Rheinhof in Hohenems ist eine Institution. Seit September 2012 war er in einem alten, Efeu-bewachsenen Haus an der Kreuzung des Koblacher Kanals mit der Rheinhofstraße untergebracht. Südöstlich des Kanals ragen Starkstromleitungen hoch und mischen sich Industrieareale mit asphaltierten Parkplätzen unter Einfamilienhäuser und Wohnanlagen. Nordwestlich breiten sich die landwirtschaftlichen Lehrflächen des Bäuerlichen Schul- und Bildungszentrums (BSBZ) aus.

Der mehrhüftige Schulkomplex liegt gegenüber auf der anderen Straßenseite des Kindergartens. Dahinter breiten sich die Lehrobstbäume, -felder, -beete und der Lehrbetrieb Rheintalhof des BSBZ bis zur Böschung der Rheintalautobahn aus. Dort erlernen Auszubildende des BSBZ ihren Beruf, in Kooperation mit der Schule dürfen auch die drei- bis sechsjährigen Hofkindergartenkinder die Lehrlandwirtschaft, ihre Pflanzen und Tiere erkunden. Sie pflegen ihre eigenen Beete, striegeln Pferde, säubern Ställe, helfen im Hofladen mit. Liebevoll werden sie „Hofküken“ genannt. Ein Hofküken zu sein, bedeutet Abenteuer pur.

„Hier stößt eine hohe urbane Dichte auf landwirtschaftlich genutzte Flächen.
Dort halten sich die Kinder am meisten auf. Das ist mein
Bezugspunkt. Ich orientierte mich an der Scheune, nicht an der Schule.“

Lukas Peter Mähr
Architekt

„Die Kinder sind die meiste Zeit draußen“, sagt Lukas Peter Mähr von MWArchitekten. Auch wenn sie fast nur bei Schlechtwetter unterschlüpften: Das alte Haus entsprach bei Weitem nicht mehr, der Mietvertrag lief aus, Mähr plante den neuen Hofkindergarten. „Hier stößt eine hohe urbane Dichte auf landwirtschaftlich genutzte Flächen“, sagt Mähr. „Dort halten sich die Kinder am meisten auf. Das ist mein inhaltlicher und architektonischer Bezugspunkt. Ich orientierte mich an der Scheune, nicht an der Schule.“ Mähr wählte eine archetypische Form: Der Kindergarten ist eine Art eingeschoßiges Langhaus mit Satteldach auf rechteckigem Grundriss. „Das Giebeldreieck ist so artikuliert, dass es ortsbaulich eine Präsenz entwickeln kann.“ Bis zur Traufe ist der eingeschoßige Kindergarten 7,5 Meter hoch – das ist innen außergewöhnlich groß-zügig und sorgt dafür, dass der Kindergarten in der weiten Feldlandschaft gegenüber der Schule nicht verloren wirkt.

Er ist sehr logisch aufgebaut. 28 Meter lang, 16 breit, zeigt er sich zur Straße hin komplett geschlossen, unmissverständlich bezeichnet ein Einschnitt den Eingang. Dort kann man bei Regen unter das Dach schlüpfen. „Wenn die Kinder aus dem Hofkindergarten draußen im Gatsch waren, sind ihre Jacken so dreckig, dass man den Reißverschluss nicht mehr findet“, erzählt Mähr. Deshalb führt die Tür links in der Eingangsnische gleich in eine Schmutzschleuse, von der die Kinder dann dreckbefreit auf den großen, zentralen Spielflur gelangen. Er mündet stirnseitig in den Schlafraum nebenan und am hinteren Ende im Nordosten in den Speisesaal. Beide Räume haben ein schönes, quadratisches Fenster mit Blick in die Landschaft.

Zu Naturspielplatz und Streuobstwiese hin ist der Kindergarten ganz verglast. Die seitlich um einen Meter vorgezogenen Außenwände bilden mit dem Dach einen geschützten Vorbereich am Garten. Dahinter reihen sich eine Gruppe Hofkindergarten, zwei Gruppen Kinderbetreuung und ein Bewegungsraum aneinander. Jeder gleich, jeder mit Küchenzeile, in der Mitte ist der Arbeitsraum der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen mit dem langen, großen Tisch. „Hier haben wir unsere Teamsitzungen, hier findet die Vor- und Nachbereitung statt, hier essen wir zu Mittag“, sagt Andrea Kren. Sie leitet die Kindertagesbetreuung.

Der Kindergarten ist ein Mischbau aus Holz und Beton, bis zu einer Höhe von 3,15 Meter sind alle Wände betoniert, auch die Lampen hängen in dieser Höhe. Das schafft einen durchgehenden Horizont. Darüber ist bis zum First alles aus unbehandelter Fichte, hinter den schmalen Lamellen gibt es ein Akustikvlies, der
Estrich unter dem Vollholzboden ist aktiviert. Im Sommer wird das darin geführte Wasser per Erdwärme gekühlt, im Winter geheizt. Das ist sehr wichtig, die Kinder sollen sich wohlfühlen. „Die Kleinen spielen viel auf dem Boden, sie sind vor allem vier-füßig unterwegs“, sagt Andrea Kren. „Sonst gibt es zwischen den Gruppen für die eineinhalb- bis dreijährigen und die größeren räumlich keinen Unterschied.“ Alle haben es gleich schön.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Hofkindergarten Rheinhof, Hohenems
Bauherr Stadt Hohenems
Architektur MWArchitekten, Hohenems, www.mwarch.org
Statik und Bauleitung Martin Fetz, Hohenems
Fachplanung Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach; Prozessbegleitung Kommunaler Gebäudeausweis: Gemeindeverband; Baubiologie und -ökologie: Siegfried Lerchbaumer, Bludenz; energetisches Gesamtkonzept: Energieinstitut Vorarlberg
Planung 03/2021–03/2022
Ausführung 03/2022–09/2022
Grundstück 1368 m²
Nutzfläche 450 m²
Bauweise Massiv bis 3,15 m; darüber Holzständerbauweise mit Zellulosedämmung, direkt beplankt mit Dreischicht-Platten
Ausführung Holzbau: Fussenegger, Dornbirn; Fenster und Außentüren: Katzbeck, Rudersdorf; Elektro: Dorfelektriker, Götzis; Innentüren: Sternath, Hard; Tischler: Plattner, Hohenems
Energiekennwert 26 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten 1,6 Mill. Euro