Bestehendes neu gedacht
Lang Vonier Architekten haben Erich Gutmorgeths Schrunser Reha-Klinik
städtebaulich sensibel weitergebaut. Allerdings ganz bewusst in einer völlig
anderen architektonischen Sprache und Materialität.
Autorin: Edith Schlocker | Fotos: Thomas Hennerbichler
Als der Tiroler Architekt Erich Gutmorgeth 2010 seine Reha-Klinik behutsam in das leicht abfallende Gelände des Schrunser Feldes implantiert hat, war dies die erste Einrichtung dieser Art im „Ländle“. Inzwischen ist sie längst viel zu klein geworden und man machte sich als logische Konsequenz über einen Neu- bzw. Zubau Gedanken. Womit vom Wiener Projektabwickler VAMED Standortentwicklung und Engineering das Schrunser Büro Lang Vonier Architekten beauftragt wurde. Deren Plan, an den Bestand einen Baukörper mit zwölf Zimmern anzudocken wurde von den Betreibern der Klinik für unwirtschaftlich erachtet und somit nicht realisiert. Stattdessen wurden die Linzer ZGP Architekten mit der Generalplanung beauftragt, die wiederum Lang Vonier mit ins Boot holten. Sie überließen ZGP die städtebauliche Setzung und Formgebung der neuen Baukörper, während sie sich selbst auf die Ausführungsplanung konzentrierten.
Architektonische Sprache
Die vorgegebene dreigeschoßige Höhenstaffelung bzw. die L-Form der im Verhältnis zu ihrer Länge niedrigen Baukörper beizubehalten, seien sie Erich Gutmorgeth schuldig gewesen, sagt Christian Vonier. Um sich in der Umsetzung allerdings ganz bewusst einer völlig anderen architektonischen Sprache zu bedienen. Denn anstatt mit hölzernen Schindeln sind die auf markanten Sockeln aus Sichtbeton sitzenden neuen Gebäude vertikal mit vorvergrauten Elementen aus Fichte verkleidet. Und statt der filigranen fliegenden Vordächer bei Gutmorgeth kommen Lang Vonier ganz ohne diese aus, was ihre Baukörper hermetisch kompakt daherkommen lässt. Besonders das an Gutmorgeths Haus A Richtung Vorplatz angedockte neue Kopfgebäude mit seinem quadratischen Grundriss. Während hangabwärts der mächtige neue Baukörper durch Vor- und Rücksprünge fein strukturiert ist, was die Größe des Volumens relativiert, seine formale Strenge spielerisch auflöst.
Charakteristisch für die „alten“ wie auch für die neuen Teile der Reha-Klinik Schruns ist deren markante, exakt parallel in den Hang gestaffelte horizontale Ausrichtung, die durch durchgehende Balkonbänder noch akzentuiert wird. Deren Brüstung bestehen bei den Bestandgebäuden aus grobem Maschendraht. Christian Vonier hätte für „seine“ Balkone gern deren feinmaschige Variante gesehen, sie musste aus Kostengründen allerdings pulverbeschichtetem perforiertem Alu weichen. Wie überhaupt so ziemlich sämtliche Finessen materieller oder gestalterischer Art gestrichen wurden, etwa die Ausführung der Untersichten der Balkone aus Holz. Was natürlich weh tut, sagt Christian Vonier, hätten sie in das Projekt doch jede Menge Herzblut investiert.
„Die vorgegebene dreigeschoßige Höhenstaffelung
beizubehalten, waren wir Erich Gutmorgeth schuldig.“
Christian Vonier
Architekt
Prinzipielle Qualität
Prinzipielle baukünstlerische Qualität lässt sich allerdings nicht wegsparen. Etwa bei den Balkonbändern, die, wie sie auch über die Fluchttreppen gezogen sind, fast zum skulpturalen Element werden oder den gläsernen Brücken, die es schon bei Gutmorgeth gibt, um auf diese Weise raffiniert die lagebedingten Niveauunterschiede ausgleichend sämtliche Baukörper miteinander zu verbinden.
Innenräumlich war Lang Vonier Architekten eine gewisse Transparenz wichtig, das Spiel mit Aus- und Durchblicken. In der neuen Cafeteria genauso wie im vergrößerten Speisesaal oder in der Rezeption. Mit deren Materialität Christian Vonier allerdings nichts zu tun haben will, wenn etwa im Empfangsbereich Kunststoff zum Einsatz kommt, das so tut, als wäre es Holz. Generell ist die Innenausstattung schnörkellos funktionell, dominiert von pflegeleichten Materialien in hellen Farben.
Im Bestand wurde aus den bisherigen Zwei-Bett-Zimmern Einzelzimmer gemacht, im neuen Trakt gibt es ausschließlich solche. Statt bisher 153 Reha-Patienten und Patientinnen können nun 215 aufgenommen werden, von denen etwa die Hälfte einen direkten Zugang zum Außenraum bzw. ein Stück holzbeplankten Balkon haben. Erwei-tert wurde auch die zwischen Bestand und Neubau implantierte Tiefgarage, neu sind die in die Innenhöfe gesetzten eingeschoßigen Therapieräume.
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at
Daten & Fakten
Objekt Reha-Klinik Montafon, Schruns
Architektur Lang Vonier Architekten ZT, Schruns und Zellinger Gunhold & Partner ZT, Linz; www.lang-vonier.com; www.zgp.at
Statik Mader & Markus Flatz ZT, Bregenz
Fachplanung Bauphysik: BDT IB, Frastanz; Technische Ausrüstung: VAMED, Linz
Planung 04/2017–01/2021
Ausführung 10/2018–04/2021
Objektdaten Gesamtgeschoßfläche: 14 740 m²
Bauweise Stahlbeton mit hinterlüfteter Holzfassade; Heizung mit Fernwärme
Ausführung Baumeister: Tomaselli-Gabriel, Nenzing; Zimmerer: Sutter, Ludesch; Schlosser: Geiger, Nenzing; Spengler: Carl Günter und IAT, Röthis; Innenausbau: Rudigier, Bludenz und Scheschy, Neufelden und Josef Feuerstein, Nüziders; Böden: Burtscher, Nüziders; Außenanlagen: Nägele, Röthis; u. v. m.
Energiekennwert 31,4–45,1 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten 15 Mill. Euro