Die Revitalisierung eines Montafoner Hauses durch eine Nachfahrin zeigt,
wie harmonisch und authentisch sich Sozialgeschichte, Baugeschichte
und Familiengeschichte in ein Bauwerk einschreiben können. .

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer

Für das Architekturbüro architektur.terminal hackl klammer sind Revitalisierungen ein wichtiges Arbeitsfeld. Ihr eigenes Büro in einem alten Stadel und ein Schulumbau in Röthis oder auch die Transformation des Weberei-Kopfbaus auf dem Areal von Getzner in Bludenz sind gute Belege dafür. Der Umbau eines alten Wohnhauses in Vandans reiht sich nun in diese vielfältige Auswahl ein. „Hier wohnte einst meine Großmutter Benedikta“, erzählt Erbin und Bauherrin Elisabeth Brändle. „Eine dauerhafte Nutzung ist für mich derzeit nicht möglich. Daher habe ich mich entschlossen, das Haus temporär mit anderen zu teilen.“ Die neue Funktion und notwendige Sanierungsmaßnahmen für den Erhalt hat Elisabeth Brändle zusammen mit Architekt Dieter Klammer entwickelt. „Generell war es mir wichtig, das Gästehaus so zu gestalten, dass man sich zurückziehen kann, dass es aber auch Gemeinschaft ermöglicht.“ Der Hauscharakter sollte belassen werden. „Es kommen Freunde oder größere Familien, die das Haus gemeinsam mieten.“ Im oberen Stock hat sich Elisabeth Brändle ein Zimmer für sich eingerichtet. „Ich habe eine starke emotionale Bindung an dieses Haus, das ich mit der Erinnerung an meine Großmutter Benedikta verbinde und meiner Beziehung zu ihr.“ Die Verbindung ins Montafon ist der in Götzis praktizierenden und Dornbirn lebenden Ärztin wichtig. „Ich bin oft hier und möchte dieses Erbe pflegen und erhalten. Es war für mich daher wichtig, das Haus mit professioneller Hilfe zu revitalisieren und die neue Funktion so zu integrieren, dass ich damit die Verantwortung, die ich für dieses Erbe spüre, auch tragen kann.“ Diesen Anspruch vermittelt das Haus bis ins kleinste Detail. Es ist räumlich großzügig trotz seiner kleinteiligen Struktur, handwerklich präzise und damit kulturell und ökologisch nachhaltig. Was geschaffen wurde, hat das Potenzial, lange zu wirken und zu halten.

Der Bestand wurde weitestgehend auf seinen ursprünglichen Zustand rückgeführt. Das Dach wurde neu gedeckt und gedämmt und trägt jetzt wieder Holzschindeln. „Und dann gibt es natürlich auch Eingriffe, denn wir haben ja umgebaut. Diese sieht man und sind klar abgegrenzt, auch wenn sie der gleichen funktionalen Logik folgen“, erläutert Dieter Klammer. Für die Umbauten und Ergänzungen wurde Vorhandenes genützt und das gesamte Volumen aktiviert. Die Sensibilität für historische Bauten ist vor allem an den Fenstern sichtbar. Diese mussten erneuert werden, wurden jedoch maßstäblich passend rekonstruiert – typisch für das Montafon – als weiße Kastenfenster. Die alte Haustür wurde belassen. Ein neuer, zusätzlicher Eingang ist an der Rückseite angelegt – zeigt auch Küchenausgang und Belichtungsquelle. Im Schopf werden durch den Umbau von innen neue Blicke eröffnet und auch neue Funktionen – eine kleine Sauna mit Balkon und Abstellmöglichkeiten.

„Wir haben das gesamte Volumen
aktiviert. Bis ins Dach, bis in den Schopf.“

Dieter Klammer
Architekt

Ein besonderes Highlight ist der offene Erschließungsraum im Obergeschoß, der wie ein Wohnzimmer wirkt. Die Konstruktion ist sichtbar, neue Einbauten sind gut erkennbar, ebenso die alte Struktur. Es gibt kein Altholz-Fake. Das Haus spricht nicht in Rätseln, sondern zeigt sich klar und selbstbewusst in all seinen Winkeln und Räumen. „Ein massiver Eingriff war die neue Heizung. Doch natürlich haben wir den alten Ofen ebenso belassen.“ Der Ofen ist für jedes Montafoner Haus wichtig. Aus ihm ergibt sich die räumliche Struktur. Er sitzt in der Mitte und strahlt von dort aus in alle Richtungen.

Der Stiegenaufgang in Stahl ist ein starkes neues Gestaltungselement. Er führt ins Obergeschoß mit den Schlaf- bzw. Gästezimmern. Die Fensteröffnungen sind geblieben, auch die damit gegebenen Blicke in alle Richtungen, zum angrenzenden Bauernhof, in die Montafoner Bergwelt. Dunkler Stahl und sägeraues Holz und Stein erzeugen als freudvoll sinnlich erlebbares Material eine wohlige und spannende Atmosphäre. Dekoriert und eingerichtet wurde das Haus mit viel Liebe zum Detail. Die Zimmer sind mit kleinen Bädern und Nischen mit Kastenfunktion ausgestattet. Feine Stoffe, eine angenehm unaufgeregte, elegante Farbwahl und viele Kleinigkeiten schaffen ein Ambiente zwischen Gelassenheit und Verspieltheit. Sie zeugen von viel Reflektion und Zeit, die sich Architekt und Bauherrin für die Aufgabe genommen haben. Letztlich hat Elisabeth Brändle mit ihrem Engagement nicht nur ihre eigene Herkunft in Form eines baulichen Erbes bewahrt, sondern auch ein Stück Montafoner Bautradition.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Ferienhaus Benedikta, Vandans, www.benedikta.at
Bauherr Dr. Elisabeth Brändle
Architekten architektur.terminal, hackl und klammer , www.architekturterminal.at, inkl. Beleuchtungskonzept, Möblierung
Planung 2018 – 08/2020
Ausführung 09/2019 – 08/2020
Nutzfläche 200 m² (zzgl. Keller 45 m²)
Bauweise Keller- und zum Teil Erdgeschoß Steinmauern; Erd- und Obergeschoße Holzstrick und Holzdielendecken; Ausbau Holzbauweise; Dach mit Holz-schindeln; Rückführung zu Kastenfenstern
Besonderheiten Energieoptimierung in Abwägung mit denkmalpflegerischem Umgang
Ausführung Baumeister: Vonbank, Schruns; Zimmermann: Mathies, St. Gallenkirch; Heizung/Lüftung: Egele, Vandans; Elektro: Gerd Dreier, Bürserberg; Fenster: Schwarzmann, Schoppernau; Tischler: Hase & Kramer, Dornbirn; Schlosser: P-Metalldesign, Meiningen; Verputz: Ludwig Battlogg, Bartholomäberg; Spengler: Stemer, Schruns; Trockenbau und Maler: Krista, Frastanz; Stein: Lampert, Göfis; Sauna: Wellnesspur, Feldkirch
Energiekennwert 80 kWh/m² im Jahr