Vorbei die Zeiten, da Bauunternehmen nur Ausführende
fremder Planungen waren. Der Siegeszug des Computers hat bewirkt,
dass die Werkplanung aus Architekturbüros abwandert; Planung, Koordination
und Ausführung liegen heute vielfach in der Hand moderner Baufirmen.

Autor: Florian Aicher | Fotos: Nicolas Felder

Vor diesem Hintergrund begann die Memminger Baufirma Hebel 2010 über ihr neues Bürogebäude nachzudenken. 2015 brachte ein Architekturwettbewerb Klarheit. Auf dem knapp 2,5 Hektar großen Betriebsgelände zwischen Altstadt und Gewerbegebiet in Bahn-nähe sollte bei laufendem Betrieb ein Neubau für Geschäftsführung, Verwaltung und Planungsabteilung den mehrfach erweiterten Altbau ersetzen. Das Büro SoHo Architektur gewann den Wettbewerb mit einer Lösung, der Wolfgang Dorn, Vorsitzender der Geschäftsführung, einen „dem Unternehmen angemessenen Auftritt bei schwäbischer Sparsamkeit“ attestiert.

Seit Sommer 2020 wird der Bau bespielt: ein fast regelmäßiger Würfel von 25 m Seitenlänge, kompaktes Volumen mit sieben Stockwerken. Ein entschiedener Auftakt an der nordwestlichen Ecke des Firmenareals, der Altstadt am nächsten – ein Statement, dunkelhäutig, unübersehbar, schon heute dem Bahnreisenden vertraut – „bigness“ in einer süddeutschen Mittelstadt. Mit „bigness“ bezeichnet Rem Koolhas, Hollands Architekturpapst, eine Architektur, deren Größe die Repräsentation funktionaler Einzelheiten nicht mehr zulässt. Sie nähert sich einem allgemeingültigen Kanon an, der unterschiedliche Nutzung und möglichen Wandel trägt. Bauen also, das im besten Sinn konventionell ist.

In diesem Sinn ist der Bau gewöhnlich, streng im Auftritt, regelmäßig aufgereiht Wand und Öffnung, eine Fenstergröße: keinerlei Architektur-Mätzchen. Erst auf den zweiten Blick fällt auf: Kleine Abweichungen, wohldosiert, darum freilich umso präsenter: eine abgerundete Ecke, ein ausgreifender Balkon, eine einschwingende Wand. Kleine Gesten, die ausreichen, um klar zu machen: Hier geht’s lang, wenn’s hineingehen soll.

„Architektur in diesem Sinn,
das ist unsere corporate identity.“

Wolfgang Dorn
Bauherr

Schwäbisch: Eine gekurvte Wand führt zum Eingang mit einfacher Glastür, wo anderswo zwei Drehtüranlagen nicht reichen würden. Das Foyer: helle Transparenz aus Terrazzo und Weißtanne, übersichtlicher Raumzuschnitt und ein Empfangstresen bar jeder Opulenz, dennoch großzügige Anmutung dank ungewöhnlicher Raumhöhe. Statt Einrichtung Raumbildung mit Blickbeziehungen in angrenzende Arbeitsbereiche oder Besprechungsraum.

Der quadratische Grundriss bietet um zwei zentrale Kerne mit Treppen, Aufzügen und Sanitär-räumen an allen vier Seiten je Geschoß 24 Module – kleinste Büro-einheiten mit je einem Fenster. Diese können zu beliebig großen Räumen gekoppelt werden. Offene Arbeitsbereiche mit Besprechungsplätzen überwie­gen. Solcherart flexibel sind alle Geschoße gleich und doch jedes verschieden.

Unterschied unter Gleichen gilt auch für die Geschäftsleitung; diese logiert keineswegs im obersten Geschoß. Lediglich das sechste Stockwerk ist „anders“. Nach Südwesten liegt die Kantine – von außen erkennbar am ausschwingenden Balkon – beste Aussicht für jedermann. Die Räume zeigen die Kompetenz des Unternehmens. Außenwände und Kerne sind in Sichtbeton ausgeführt, die Hülle ist tragende Lochfassade. Anders als beim heutigen Bürobau ergibt das einen ausgeglichenen Wechsel von Wand und Fenster, damit ausgewogenes Licht mit individuell bedienbaren Fenstern. Deren Größe bei ungewöhnlicher Raumhöhe von drei Metern belichtet das Stockwerk bis ins Innere. Ausgeglichen auch die Akustik: Holzwolleplatten an der Decke und Teppich am Boden dämpfen den Schall. Mit dem Farb- bzw. Materialmix von hellem Grau bis Weißtanne ergibt das eine neutrale und dennoch freundliche, dezente Atmosphäre.

Wie tragfähig diese Raumkultur ist, zeigt sich im Eckzimmer von Wolfgang Dorn. Er hat die alten Möbel des Firmengründers mitgenommen, die sich vor Sichtbetonwänden, Glaswänden und hellgrauer Leichtbauwand ausnehmen, als gehörten sie seit je hierher. „Ich fühle mich in dem Haus sehr wohl, ich gehe gern hierher. Auf Statussymbole verzichten wir, schließlich kommen wir vom Bau und haben kein Geld zu verschenken.“ Schwäbische Identität eben! Nicht zu vergessen: die Hülle. Sachlich, ein wenig ernst, robust. Die gedämmte Betonwand ist mit Aluminium feingliedrig verkleidet. So altert das Material gut, changiert je nach Sonnenstand und ist, da freut sich der Schwabe, günstig. In den Worten Dorns: „Architektur in diesem Sinn, das ist unsere corporate identity.“

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Hauptverwaltung Josef Hebel, Memmingen

Bauherr Josef Hebel

Architektur SoHo Architektur, Memmingen, www.soho-architektur.de
Fachplanung Statik und Architektur in der Ausführung: Josef Hebel, Memmingen; Heizung, Lüftung, Sanitär: Frieser + Uhlrich, Ottobrunn; Elektro: Kettner + Baur, Memmingen; Bauphysik: Herz + Lang, Weitnau; Landschaftsarchitektur: Nowak, München; Akustik: BZS, Augsburg

Planung 11/2015 – 10/2018

Ausführung 10/2018 – 07/2020

Grundstücksgröße 19.000 m²

Bruttogeschoßfläche 3800 m² (zzgl. 540 m² Keller)
Bauweise Betonfertigteilbau, gedämmt 18 cm; hinterlüfteter Trapezblechschirm; Betondecken; Heizung über Wärmepumpe mit Fußbodenheizung und Lüftungs-
anlage; Glastrennwände; Möbeleinbauten aus Weißtanne; Holz-Alu-Fenster; Terrazzoböden im Erdgeschoß

Energiekennwert 37,6 kWh/m² im Jahr (HWB)

Baukosten 6,7 Mill. Euro