Ein Haus für sich zu planen, ist die größte Kür für jeden Architekten.
Einen Bauherrn mit höheren Architekturansprüchen und besserer Kenntnis der eigenen Bedürfnisse gibt es nicht.
Auf einer schwierigen Parzelle unweit des Bregenzer Bahnhofs realisierte Architekt Bernardo Bader nun sein
Atelierhaus mit Wohnungen. In dem kompakten, schmalen Quader aus dunklem Sichtbeton mit akkurat
eingestanzten Fenstern verdichtet sich seine Architekturauffassung zum gemischt genutzten Stadtbaustein.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Adolf Bereuter

Manche drücken sich ihr Leben lang davor: Ein Gebäude für sich selbst zu realisieren, ist für Architekturschaffende besonders heikel. Einen anspruchsvolleren Bauherrn gibt es nicht, das Atelier ist die gebaute Visitenkarte der eigenen Architektur und der kreative Umraum, in dem sie entsteht. Vom ersten Umriss, der im Stadtbild auftaucht über die Annäherung, das Drücken der Türklinke, Licht und Geräusche am Arbeitsplatz: Alles wird zum Maßstab für die Qualität der Architektur, die sich jeden Tag in der Praxis bewähren muss.

Bernardo Bader beherrscht die hohe Kunst der Reduktion. 2003 gründete er sein Büro in einer alten Werkstatt in Dornbirn, die Aufträge mehrten sich, der alte Standort wurde zu klein. Das neue Atelier- und Wohnhaus liegt einen Steinwurf vom Bahnhof in Bregenz, dieser ist zwar derzeit noch ein Schandfleck der Stadt, doch das wird sich ändern. Die öffentliche Verkehrsanbindung ist optimal, das Atelier steht auf der Parzelle einer ehemaligen Trafostation. Sie ist gerade 660 m2 groß und liegt in der Klostergasse, die in zweiter Reihe parallel zur Bahnhofstraße verläuft. Das Grundstück ist 40 Meter lang und 16 Meter breit, sein unmittelbares Gegenüber bilden die Polizeidirektion Vorarlberg und die
Bezirkshauptmannschaft Bregenz, rechts und links ist es von Wohnhäusern umgeben, hinter ihm bäumt sich eine Wohnscheibe der 1970er auf: Fertigteil, Lochfassade.

In diesem von kubischen Baukörpern geprägtem Umfeld steht nun ein reduzierter, schmaler Quader aus Sichtbeton. Er wurde mit Eisenoxid schwarz pigmentiert. Der dunkle Farbton verstärkt den Kontrast zu den Fensterscheiben. 22 Meter lang, 9 Meter breit, vier Geschoße hoch steht das Haus geradlinig und selbstbewusst an der Gehsteigkante. „An diesem Ort schien mir ein Baukörper mit klarer Geometrie und konsequent reduzierter Materialität angemessen“, so Bernardo Bader. „Das Atelier ist mehr als nur ein Haus, es ist ein markanter Stadtbaustein.“ Alles hier ist zum Minimum verdichtet. Das Haus als strenges geometrisches Volumen, vier formbildende Außenwände aus Sichtbeton, in denen sich das Format der Schalungsbretter abzeichnet. Sie reichen genau von Deckenoberkante zu Deckenoberkante, an der bündig die Fenster ansetzen. Diese sind als puristische Öffnungen in die Wand eingestanzt – genau dort, wo die äußerste Wandschicht aus Sichtbeton endet. Man erkennt, was außen ist, wo das Innen beginnt und wo die Grenze verläuft: an der Glasscheibe.

„An diesem Ort schien mir ein Baukörper mit klarer Geometrie
und konsequent reduzierter Materialität angemessen.
Das Atelier- und Wohnhaus ist mehr als nur ein Haus,
es ist ein markanter Stadtbaustein.“

Bernardo Bader
Architekt

Alle Fensteröffnungen sind geschoßhoch – 2,90 Meter. Der horizontale Betonstreifen zwischen ihnen macht die Deckenstärke – von Unterkante bis Fußboden – ablesbar. Geht man am Atelier vorbei, sieht man durch die großen Scheiben direkt ins Innere. Derzeit gibt es zwölf ständige Mitarbeitende im Team von Bernardo Bader, die Architekturschaffenden arbeiten ruhig vor sich hin, hell fällt das Licht von zwei Seiten in das Büro, das im Wesentlichen ein großer Einraum ist. Nichts ist dem Zufall überlassen: Der Estrich ist genauso eingefärbt wie die Fassade, innen ist die Wand mit Holz verschalt. Bauholz, Fichte sägerau, weiß gekalkt. Das wirkt sehr freundlich und reflektiert das Licht.

Man betritt das Atelier an seiner Schmalseite im Osten, ein Gang führt direkt am kompakten Block aus Lift und Stiegenhaus vorbei ins Büro. Das Stiegenhaus ist ein Kunstwerk für sich: Wie ein Fächer, der in ein Rechteck gezirkelt ist, schrauben sich die Treppen um die freigeformte, sechseckige Spindel. Diese Form wurde eigens geschalt, an der Untersicht wird jedes Brett ablesbar. Josef Eberle, ein begnadeter Schmied aus Hittisau, fertigte Handlauf und Geländer abschnittsweise, schweißte sie zusammen und bohrte jeden Stab eigens in den Beton. Hinter diesem vertikalen Erschließungsblock liegt jeweils eine abgetrennte Raumeinheit: im ersten Stock ist es die Teeküche, der zweite und dritte wird als Wohnung genutzt. Dort dient dieser Bereich als Schlafzimmer mit Dusche und Wohnküche. Im Erdgeschoß ist es der Besprechungsraum mit dem großen Tisch am Schaufenster zur Straße. Auf den Nägeln, mit welchen die Holzschalung befestigt ist, haften mit Mini-Magneten die Pläne, die hier präsentiert werden. Ohne Klebestreifen, wie von Zauberhand.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Atelier- und Wohnhaus Klostergasse, Bregenz
Bauherr Bernardo Bader
Architektur Bernardo Bader architek­ten,www.bernardobader.com, Projektleitung: Josef Mallaun
Statik Mader & Flatz ZT, Bregenz
Fachplanung Haustechnik: Siegfried Steurer, Andelsbuch; Elektro: Ludwig Schneider, Egg; Bauphysik: Lothar Künz ZT, Hard
Planung 2014–2017
Ausführung 2017–2019
Grundstücksgröße 660 m²
Nutzfläche 675 m²
Bauweise Stahlbetonbau in Sichtbeton; Innenschale: gedämmte Holzständerkonstruktion
Besonderheiten Erdwärme; Bauteilaktivierung; Ortbetontreppe; Bauherrenpreis 2020
Ausführung Baumeister: Haller, Sulzberg; Elektro: Willi, Andelsbuch; Haustechnik: Siegfried, Andelsbuch; Estrich: Vigl & Strolz, Schnepfau; Spengler: Schwendinger + Fink, Wolfurt; Schlosser: Eberle, Hittisau; Fenster: Böhler, Wolfurt; Innentüren: Telser, Mals/Burgeis; Sonnenschutz: Berthold, Rankweil; Innenausbau: Michael Moosbrugger und Helmut Fink, Au; Maler: Jürgen Raid, Krumbach
Energiekennwert 33 kWh/m² im Jahr