Warum Container aufstellen, wenn es spannendere Möglichkeiten gibt?
In Wolfurt findet Schule im alten Gebäude der Feuerwehr statt.

Autorin: Claudia Rinne | Fotos: Cornelia Hefel

Die Volksschule Wolfurt Bütze wird seit vergangenem Jahr saniert und teilweise aufgestockt, eine offene Lernlandschaft entsteht. Fünf Klassen brauchen daher ein Ausweichquartier für etwa zwei Jahre. Wer kennt sie nicht, die Container, die in solchen Fällen angemietet und auf dem Pausenhof oder dem Sportplatz aufgestellt werden? Sie sind vielleicht zweckmäßig, aber schön sind sie eher nicht.

Am Haupteingang wurde der Vorplatz neu gestaltet. An der Rückseite liegt der frühere Aufgang zur Hausmeisterwohnung. Das dazu gehörende Stiegenhaus ist zum zweiten Schuleingang ausgebaut worden. Besonders als Fluchtweg ist es wichtig.
Das alte Feuerwehrhaus in Wolfurt Strohdorf, ehe ihm das Tonnendach aufgesetzt wurde. Das Foto hat Architektin Simone Burtscher bei ihren Recherchen im Archiv der Marktgemeinde Wolfurt entdeckt.

Auf das alte Feuerwehrhaus war erst nachträglich für die Musikschule ein Dachgeschoß mit Tonnengewölbe und etwas Flachdach am südlichen Ende aufgesetzt worden. Unter dem Dach lagen zwölf Übungsräume, fast alle kleiner als zwanzig Quadratmeter. Ein Stiegenhaus, das vom Haupteingang zu den Mannschaftsräumen ins erste Obergeschoß ging, war nach oben hinauf verlängert worden und führte zu einem Mittelgang mit Oberlichten, durch den die Übungsräume erschlossen waren. Eine kleinteilige Angelegenheit.

Von Bütze nach Strohdorf und zurück: Das Ortszentrum in Wolfurt Strohdorf wird seit einiger Zeit zum Campus umgestaltet, hier befinden sich schon jetzt viele Bildungs- und Kultureinrichtungen. Zuletzt wurden die neue Musikschule (VN Leben & Wohnen 22./ 23. April 2017) und eine provisorische Kleinkindbetreuung (KIVI Nest, VN Leben & Wohnen 21./22. Juli 2018) eröffnet. Und hier steht ein altes Feuerwehrhaus mit bewegter Geschichte, an der südwestlichen Ecke des Campus. Erst diente es der Musikschule, nach deren Übersiedlung in den Neubau war es als Ort für die Kleinkindbetreuung im Gespräch, auch Abriss war eine Option, zu guter Letzt wurde es in ein Haus der Möglichkeiten verwandelt. Deren erste: Übergangsquartier für die Kinder der Volksschule Bütze.

Die Terrassen sind beliebt bei den Kindern. Hier mussten nur die Brüstungen erhöht werden, um sie absturzsicher zu machen und frei zugänglich zu halten. Auf dem Titelbild begrüßen die Kinder Vize- bürgermeisterin Angelika Moosbrugger, Architektin Simone Burtscher, die Autorin und Volksschuldirektor Bernd Dragosits.
Eine Zwischenwand mit Fenstern – schon wird aus dem früheren Mannschaftsraum der Feuerwehr ein Klassenzimmer mit Tageslicht und, genauso wichtig: ein Gang.

Das erste Obergeschoß war zweigeteilt. Am nördlichen Ende lag eine Hausmeisterwohnung mit separatem Eingang, sie nahm fast die Hälfte des Stockwerks ein. Im übrigen Bereich lagen die Räume für die Feuerwehrleute, die Wand zwischen den beiden Bereichen schien undurchdringlich. In beiden Geschoßen war die Raumaufteilung so, dass sie nicht als Klassen, als Schule vorstellbar waren. Ob Ein- bis Dreijährige sich hier wohlgefühlt hätten? Die Räume zwar überschaubar, aber nicht ebenerdig. Die Fenster- und Terrassenbrüstungen zu hoch zum Hinausschauen – wie hätten sie zum Außenraum Beziehungen aufbauen können?

Dieser Gang führt zu einem weiteren Klassenzimmer, das aus den Räumen der ehemaligen Hausmeisterwohnung besteht, und zum neu erschlossenen Nebeneingang des Gebäudes.
„Das alte Feuerwehrhaus hat eine klare Struktur.
Daher kann es für fast jede denkbare Nutzung adaptiert werden.
Es ist wie ein Super-Container.“

Simone Burtscher
Architektin

Auf halber Treppe geht es in ein weiteres Klassenzimmer, es liegt über dem Haupteingang. Ein interessante Raumsituation, die so nicht für eine Schule geplant worden wäre.
Hinauf ins Dachgeschoß, unter das grüne Gewölbe. Rechts liegen drei Lehrerzimmer und Sanitärräume, genau so groß wie vorgefunden und renoviert.

Die Struktur des Gebäudes ließ aber jeden nötigen Eingriff zu, um fünf großzügige Klassenräume und einen Gruppenraum entstehen zu lassen. Ein Durchbruch an der richtigen Stelle, und das Bad der Hausmeisterwohnung kann zur Toilettenanlage ausgebaut werden. Vor allem aber werden das Treppenhaus und der separate Eingang zum Fluchtweg und Nebeneingang für alle. In der Wohnung selbst werden die Wände entfernt, um einen großen Raum entstehen zu lassen. Nur ein schlanker Stützpfeiler in der Mitte muss bleiben. Dafür bekommt dieses Klassenzimmer gleich aus drei Himmelsrichtungen Tageslicht. Beim ehemaligen Mannschaftsraum wird hingegen eine Wand eingezogen, um den Gang abzuteilen. Auch am südlichen Ende werden einige Wände entfernt, um einen dritten, lang gestreckten Klassenraum zu bilden. Er liegt etwas tiefer als die beiden anderen, unter dem Flachdach.

Ähnlich wie im Obergeschoß erschließt ein Gang an der Ost- seite des Gebäudes die Klassenzimmer im Dachgeschoß. Die Träger wurden freigelegt und akzentuieren den kons- truktiven 4-Meter-Raster des Gebäudes.

Im Dachgeschoß wird der Mittelgang an die Seite verlegt. Beim Abtragen der Innenwände kommen alle vier Meter schön geschwungene Träger zum Vorschein: Sie werden dunkel lackiert und akzentuieren nun den konstruktiven Raster des Gebäudes. In dem Bereich unter dem Flachdach liegen drei Lehrerzimmer und Sanitärräume, so wie vorgefunden und bloß renoviert, unter dem Gewölbe liegen zwei weitere Klassenzimmer und ein Gruppenraum.
Die erste Nutzung als Ausweichquartier der Volksschule Bütze bietet viele Vorteile. Da das Feuerwehrhaus in unmittelbarer Nähe zur Mittelschule liegt, können der vorhandene Sport- und Spielplatz und auch der Pausenhof mitbenutzt werden. Die gelungene Erschließung bietet zusätzlich Nischen für einen kleinen Rückzug, auch der Gruppenraum ist keine Selbstverständlichkeit bei Übergangsquartieren. Die Räume sind anregender als reine Zweckbauten, Terrassen an der Westseite erweitern sie um eine Zwischenzone, das ist schon fast Luxus.

Dennoch liest sich der Bauantrag wie das Sparbuch eines Glückskinds: die gesamte Erschließung, Straßen, Wasser, Abfall, Elektrizität: laut Bestand. Baukennzahlen: laut Bestand. Alle wesentlichen Bauteile, Heizung, Lüftung, Stellplätze, und so weiter: laut Bestand. Lediglich Innenwände werden versetzt, Türen und Fußbodenbeläge werden teilweise erneuert oder ergänzt, Sanitäranlagen müssen neu erschlossen, gewidmet und erweitert werden sowie einige Sicherheitsmaßnahmen adaptiert. Das Haus der Möglichkeiten soll durchgängig nie länger als zwei Jahre benutzt werden, dann ist es wieder frei. An Bedarf wird es nicht fehlen.

Unter dem Oberlicht verbreitert sich der Gang zu einem lässigen Rückzugsort, dahinter liegt der Gruppenraum mit Terrasse.
Das Klassenzimmer unter dem Gewölbe bekommt Tageslicht von Osten und von oben. Die Akustikpaneele an der Stirnwand stammen noch aus Musikschulzeiten, eine willkommene Zusatzausstattung.

Daten & Fakten

Objekt Ausweichschule Wolfurt

Bauherr Marktgemeinde Wolfurt

Architektur Simone Burtscher, Wolfurt, www.simoneburtscher-zt.at

Statik Andreas Gaisberger, Dornbirn, www.zt-gaisberger.at

Fachplanung Raumakustik: Bernhard Weithas, Lauterach

Planung 5/2016–2/2017

Ausführung 1/2017–4/2017

Bauweise Bestand Massivbau Unter- bis Obergeschoß, tonnenförmiger Stahlfachwerksbinder mit Holzbalkendecke Dachgeschoß

Besonderheit Umnutzung des ehemaligen Gebäudes der Feuerwehr und der Musikschule Wolfurt zur Ausweichschule mit fünf Klassen, einem Gruppenraum und Nebenräumen als Schul- und Arbeitsraum für 120 Kinder und insgesamt zwölf Lehrpersonen.

Ausführung Baumeister: Zimmermann Bau, Bregenz; Trockenbau: Raumwerk, Wolfurt; Schlosser: Kalb, Dornbirn; Heizung/Lüftung/Sanitär: Bernd Langer, Wolfurt; Elektro: Thomas Hopfner, Buch; Böden: André Schwarz, Wolfurt; Fliesen: Eberle & Berti, Buch; Maler: Wilfried Netzer, Wolfurt

Baukosten 350.000 Euro