Die Wertschätzung für Kinder drückt sich im neuen Lustenauer Kindergarten
am Engelbach mit einem Gebäude aus, das mit Liebe zum Detail und Einfallsreichtum
entworfen und ausgezeichnet platziert wurde.

Autorin: Claudia Rinne | Fotos: Adolf Bereuter, Cornelia Hefel

HyperFocal: 0

Südlich der Landesstraße 203, auf der der Verkehr Richtung Schweiz rauscht, liegt das Lustenauer Gemeindegebiet Hasenfeld. Erst Anfang der 1970er-Jahre wurde hier eine Volksschule erbaut, kurz danach die Kirche und ein Seniorenheim, gemeinsam bilden sie das relativ junge Zentrum. Etwa vierhundert Meter weiter steht seit einem Jahr der neue und größte Kindergarten von Lustenau, der Kindergarten am Engelbach. Die Gemeinde Lustenau hatte einen breiten Wiesenstreifen im Wohngebiet vorgehalten, der von der Straße bis zum Grindelkanal reicht. Jenseits der Straße stehen mehrgeschoßige Wohnbauten, links und rechts Einfamilienhäuser.

Der Neubau wirkt stark in die Umgebung hinein. Die seitlichen Nachbarn überragt er nicht und wurde gerne akzeptiert. Er gliedert den ehemaligen Wiesenstreifen in vier Segmente: Einen gut gestalteten Vorplatz im Westen an der Straße, auf dem Stellplätze für einige Autos und viele Fahrräder genug Raum für Spiele rund um grüne Inseln und Bänke unter neuen Bäumen lassen. Dann nutzt das Gebäude die Breite des Grundstücks aus und schirmt den umfriedeten Spielplatz im Osten von der Straße ab. Dieser geht in eine öffentliche Spielwiese über, die ans Wasser grenzt und im nordöstlichen Eck an den Garten des Seniorenheims. Im Süden wurde ein Streifen für eine Wohnstraße hergegeben, die eine Verbindung zum Radweg am Grindelkanal herstellt. Der Kanal selbst soll in diesem Abschnitt renaturiert und mit abgeflachten Böschungen und Stufen in die öffentliche Spielwiese integriert werden. Schon jetzt wurde sein ursprünglicher Name wieder in Gebrauch genommen, um den neuen Kindergarten am Engelbach zu benennen. Die sichere Erschließung zu Fuß oder mit dem Fahrrad wird gut angenommen und im Bereich des belebten Vorplatzes wurde die Straße verkehrsberuhigt, was ursprünglich nicht vorgesehen war.

Der kompakte zweigeschoßige Baukörper ist ein nachhaltiger und energieeffizienter Mischbau. Einzüge rhythmisieren das Erdgeschoß, bieten überdachte Wege oder Terrassen und lassen erkennbar die Struktur aus aussteifenden Kernwänden stehen, in denen die Treppenhäuser liegen. An diesen Stellen hat die Fassade einen Holzschirm aus Weißtanne mit rautenförmigen Ausnehmungen. Im Obergeschoß wird der Holzschirm nur von Terrassengeländern unterbrochen und von großformatigen Fixverglasungen, die in Passepartouts gefasst sind. Von innen gesehen gehören diese prominenten Fenster zu den Ruheräumen der fünf Gruppen im Obergeschoß, weitere drei lassen die Gänge mit einer gerne benutzten Ausguckmöglichkeit enden.

„Der Kindergarten ist der erste Ort,
an dem Kinder außerhalb des Familienkreises
zu ihrem „Selbst“ als auch zu dem „Anderen“ finden.
Geborgenheit, klare Strukturen und Achtsamkeit
unterstützen sie bei diesem Prozess.“

Sven Matt, Innauer Matt
Architekten

In das Gebäude gelangt man durch einen schmalen Gang, von dem eine Tür nach links in das Treppen- und Aufzugshaus führt. Auf diesem Weg ist der Bewegungsraum im Obergeschoß auch für externe Nutzer erreichbar. Auf die Gasse folgt ein heller Platz mit Verteilerfunktion, der auch nach oben zum zweiten Geschoß geöffnet ist, mit Licht- und Sichtverbindung zur großen gemeinsamen Terrasse. Rechts erweitert er sich zur Küche mit Essraum für alle Gruppen, die durch einen Vorhang abgeteilt werden kann. Der Platz verlängert sich nach einer Regengarderobe mit Gartentür und weiteren Treppen links und rechts in eine Spielallee, an deren Ende der Garten lacht.

Im Obergeschoß sind fünf der sechs Gruppen untergebracht. Jede Einheit hat einen Raum mit massiven Dielen am Boden, Küchenzeile und gedeckter Terrasse, Sanitärräume und einen Ruheraum mit Ausguck. Die Holzkonstruktion ist sichtbar belassen und beeindruckt besonders im Bereich der Oberlichter. Gelenktes Tageslicht kommt von allen Seiten in verschiedenen Intensitäten und unterstützt die Gliederung in Orte der Geborgenheit, der Kommunikation oder der Entdeckerfreude. In den inneren Straßen, Gassen, Alleen und Plätzen sind die Decken mit Holzwolleplatten verkleidet und der Boden mit geschliffenem Beton belegt. Die lichten Grautöne der Gangbereiche und den Honigton der verschiedenen Holzarten in den Aufenthaltsbereichen verbindet ein Mimosengelb, das je nach Umgebung warm oder kühl wirkt und alle Orte anzeigt, wo Wasser fließt. Das Farbkonzept stammt von Monika Heiss. Weitere Oberflächen wurden mit handverarbeitetem Marmormehl verputzt. Der Einfallsreichtum, mit dem im Kindergarten am Engelbach einer nur scheinbar einfachen Programmvorgabe mit engem Zeit- und Kostenrahmen begegnet wurde, macht nicht nur Kindern Freude.

HyperFocal: 0
HyperFocal: 0

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Kindergarten am Engelbach, Lustenau

Bauherr Marktgemeinde Lustenau

Architektur Innauer Matt Architekten ZT, Bezau, www.innauer-matt.com

Statik Merz Kley Partner ZT, Dornbirn, www.mkp-ing.com

Planung 02/2017–10/2019

Ausführung 09/2018–10/2019

Nutzfläche 1900 m² (sechs Gruppen)

Fachplanung Projektleitung Bauherr: Eugen Amann, Bauamt; Farbgestaltung: Monika Heiss, Dornbirn; Bauaufsicht: Wolfgang Fetty, Lustenau; Heizung, Lüftung, Sanitär: GMI, Dornbirn; Elektro: Ludwig Schneider, Egg; Bauphysik: Günter Meusburger, Schwarzenberg; Landschaftsarchitektur: Stadtland, Hohenems; Straßenraum: Besch und Partner, Feldkirch; Entwässerung: Wasserplan, Hohenems

Bauweise: Erdgeschoß Stahlbeton; Obergeschoß vorgefertigter konstruktiver Holzbau; Fassade: Holzschirm Weißtanne; innen sichtbare Holzkonstruktion; Flachdach mit extensiver Begrünung und Photovoltaik; Heizung über Erdsonden mit Komfortlüftung

Energiekennwert 12,1 kWh/m² im Jahr (HWB)

Fotonachweis: Titel/Inhalt/S. 4,5: Adolf Bereuter; alle übrigen: Cornelia Hefel