Wohnen in Omas alter Garage
In Dornbirn befindet sich, nahe dem Stadtzentrum in versteckter Lage, ein kleines Einfamilienhaus, das kaum auffällt. Wenn es da nicht diese eine Besonderheit gäbe. Diente das Gebäude vor einigen Jahren noch als Garage und Aufbewahrungsort, so ist dieser Eindruck heute ein ganz anderer. Dort, wo ein zweistöckiger Holzbau ursprünglich ein reines Zweckgebäude war, befindet sich jetzt ein schmuckes Wohnhaus mit ebenfalls zwei Stockwerken.
Text: Klaus Feldkircher | Fotos: Carmen Grabher, Emanuel Sutterlüty
Jeglicher Komfort, den sich seine Bewohner(innen) wünschen, ist auf 91 m2 Wohnfläche vorhanden In der Verlängerung entstand zum Hauptgebäude ein weiteres, kleineres Objekt, das eine Veranda samt dazugehörigem Abstellraum beherbergt.
„Re-use“ und „Up-cycling”
Die Begriffe „Re-use“ und „Up-cycling“ sind in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. „Bei diesem Projekt haben wir mit minimalsten Eingriffen gearbeitet“, erklärt Architektin Carmen Schrötter-Lenzi. „Upcycling“ habe, so die Architektin, sowohl in Sachen Budget als auch in puncto Nachhaltigkeit für die Bauherrschaft eine große Rolle gespielt. Die Tragstruktur des ursprünglichen Gebäudes konnte belassen werden, die bestehende Holzwand wurde gedämmt, ein neuer Holzschirm bildet nun die Fassade. Die Anbauten außen – u. a. eine Treppe, die ins erste Obergeschoß führte – wurden entfernt, damit die ursprüngliche Gebäudeform wieder in Erscheinung treten konnte. Die Kubatur des Gebäudes, das sich auf einer Grundstücksfläche von ca. 340 m2 befindet, blieb unverändert. „Bei der Umgestaltung des vorhandenen Gebäudes von einer Garage und Werkstatt zu einem kleinen Einfamilienhaus wurden sorgfältig durchdachte architektonische Schritte unternommen, um die Funktionalität zu maximieren und ansprechende gestalterische Elemente zu integrieren“, so Carmen Schrötter-Lenzi.
Das Projekt wurde unter Berücksichtigung eines Low-Budget-Ansatzes konzipiert. Im Sinne des erwähnten „Upcyclings“ wurden bestehende Ressourcen in das Konzept integriert und dadurch effizient genutzt. Die bestehende Bodenplatte erhielt den notwendigen Aufbau, heute zieren Eichendielen die Böden im Haus. Der Fußboden wird mit Erdwärme beheizt, eine Photovoltaikanlage auf dem Gründach sorgt für eine „Beinahe-Autarkie“ des Hauses. Die Balken der ursprünglichen Holzdecke wurden nicht ausgetauscht, sondern sandgestrahlt und haben jetzt ihren zweiten Lebenszyklus begonnen. Konstruktiv und statisch wurden keine großen Eingriffe vorgenommen, was die Effizienz des Projekts unterstreicht.
„Die nachhaltige Herangehensweise ermöglichte es uns, die ökologischen Auswirkungen zu minimieren und dem Gebäude eine individuelle, authentische Ausstrahlung zu verleihen.“
Carmen Schrötter-Lenzi
Architektin
Ins Licht gerückt
Einzig im hinteren Teil des Hauses wurden zur Stabilisierung zwei Stahlträger integriert. Eine architektonische Veränderung hat die Erweiterung der bestehenden Fensteröffnungen ergeben, um eine verbesserte Belichtung der Innenräume zu ermöglichen. So eröffnet im unteren Stock die große Verglasung samt Schiebetür den barrierefreien Blick in den Garten und zur gegenüberliegenden Veranda. Dies trägt nicht nur zu einer offeneren und luftigeren Atmosphäre bei, sondern unterstützt auch die Verbindung zwischen Innen- und Außenbereichen. Befinden sich im unteren Stock der große Wohn- und Essbereich sowie ein WC und der Technikraum, so bietet das OG Platz für Schlafzimmer, Bad, ein kleines Arbeitszimmer und einen weiteren Raum, der aktuell als Fernsehzimmer dient.
Ein Jahr auf der Baustelle
Was zudem imponiert, ist die Vorgangsweise beim Bau. „Wir haben sehr viel an Eigenleistung erbracht“, erklärt die Bauherrin und hebt dabei die tatkräftige Unterstützung ihres Vaters hervor. Bis sie einziehen konnte, sei nur etwa ein knappes Jahr vergangen. „Auch wenn es nicht immer angenehm war, täglich bei Wind und Wetter auf der Baustelle zu sein, es hat sich gelohnt“, blickt sie stolz auf eine arbeitsreiche Zeit zurück.
Der Umbau hat sich – so die Bauherrin – in drei Phasen gegliedert. Am Anfang stand die Planungsphase mit Architektin Schrötter-Lenzi. Die Nutzungsänderung zu Wohnraum war unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften – Raumhöhe etc. – beinahe problemlos möglich.
In der zweiten Phase wurde das Gebäude leergeräumt, die Fassade und alle äußeren Anbauten wurden entfernt. So war gewährleistet, dass die ursprüngliche Form des Gebäudes wieder in den Fokus rückte. Die Abbrucharbeiten wurden größtenteils in Eigenregie vorgenommen, so wurde aussortiert, „was noch funktionierte und was wir noch verwenden konnten.“ Die Idee zum „Upcycling“ entstand 2019, Planung und Machbarkeitsstudie folgten 2020, Baubeginn war April 2021, also in der Zeit der Pandemie. Nach eineinhalb Jahren auf der Baustelle und viel Eigenleistung konnte die Bauherrschaft zum Jahreswechsel 2022/2023 einziehen.
Daten und Fakten
Objekt: Haus S, Dornbirn
Bauherr: Julia Schwärzler
Architektur: schroetter-lenzi Architekten, Arch DI Carmen Schrötter-Lenzi ZT, www.schroetter-lenzi.com
Fachplanung: Bauphysik: DI Bernhard Weithas GmbH
Planung: 05/2020–03/2021
Ausführung: 04/2021–12/2022
Grundstücksgröße: 337 m²
Wohnnutzfläche: 90,69 m² (zzgl. Keller m²)
Bauweise: Holzriegelbauweise Bestand, liegende Fichtenfassade, Holzbalkendecken mit Aufdachdämmung und extensiver Begrünung; Heizung: Erdwärme mit PV-Anlage
Besonderheiten: Nutzungsänderung von Garagengebäude in Wohnnutzung. Sehr viel Eigenleistung durch die Bauherrschaft; Recycling/Wiederverwenden von noch brauchbaren Baumaterialien
Ausführung: Erdarbeiten: Erdbau Schertler, Dornbirn; Zimmerer: Hildebrand Holzbau, Gaißau; Fenster: Böhler Fenster GmbH, Wolfurt; HLS: Siegfried Steurer Installationen Energietechnik GmbH, Andelsbuch; Elektro: Jürgen Albrecht Elektrotechnik, Mellau; Innentüren und Möbeltischler: Tischlerei Oskar Beer GmbH, Au; Ofenbau: Kaminofenstudio Beuchert GmbH, Dornbirn; u. a.
Energiekennwert: 46 kWh/m² im Jahr (HWB)
Fotos: Bauherren, Carmen Gaber, Emanuel Sutterlüty