Um 1930 gebaut und etwa 50 Jahre später durch eine Bahn auf anderer Trasse ersetzt,
entsprach die Nebelhornbahn zuletzt nicht mehr den heutigen Anforderungen
und war für den ansteigenden Tourismus in den Bergen viel zu klein geworden.
So hatten die alten Betongebäude der Talstation nach knapp 90 Jahren ausgedient.

 

Text: Tanja Kronibus | Fotos: Bruno Klomfar

Wenn man die alte Nebelhornbahn in Oberstdorf im Allgäu von früher kennt, ist es schön zu erleben, welchen Mehrwert die neue Talstation bietet. Die Bahn wurde ursprünglich außerhalb des Stadtzentrums gebaut. Da Oberstdorf als renommiertes Sommer- und Wintersportzentrum immer mehr an Bedeutung gewonnen hat und die Marktgemeinde stark gewachsen ist, liegt heute die Bahnstation mitten im Zentrum. Die prägnante Lage der Station bestimmte das städtebauliche und architektonische Konzept des ausgewählten Wettbewerbsprojektes von Hermann Kaufmann Architekten. Um eine behutsame Weiterentwicklung der umgebenden kleinteiligen Bebauungsstruktur zu ermöglichen, sind die verschiedenen Funktionsbereiche der neuen Talstation auf drei Baukörper verteilt: das Stationsgebäude, das Servicecenter und die Verwaltung. Diese ordnen die Außenräume neu und fügen sich zu einem einprägsamen, attraktiven Ort zwischen Zentrum und Landschaftsraum. In Verbindung mit dem denkmalgeschützten, 400 Jahre alten Trettachhäusl, in dem heute eine Galerie zeitgenössische Kunst ausstellt, bildet das Bahngebäude mit dem Servicecenter einen verkehrsbefreiten Platz und gleichzeitig den Abschluss der Fußgängerzone. Hier können sich die Passanten Orientierung verschaffen, sich sammeln und verweilen.

Das transparent gestaltete Stationsgebäude ist ein klar gerichteter Baukörper, der die Bahntechnik frei überspannt und mit dieser nicht in Verbindung steht. Durch eine regelmäßige Reihung von 39 Holzbögen in Parabelform, die von gebogenen Sicherheitsgläsern umhüllt sind, entsteht ein transparentes, schimmerndes Volumen, das Leichtigkeit und Offenheit ausstrahlt. Je nach Fahrtrichtung wird die Struktur als Tor in die Berge oder ins Tal wahrgenommen. Von außen ist die Technik der Bergbahn erlebbar und die Umgebung spiegelt sich reizvoll in der Glasfassade. Im Innenraum fasziniert die Leichtigkeit der Konstruktion und die Offenheit zur Umgebung. Geschützt vor Wind und Wetter kann man die wechselnden Wolkenstimmungen er-leben und die Schönheit der Bergwelt bewundern.

„Wir haben uns bei der Planung Zeit gelassen,
Mut bewiesen und am Ende alles richtig gemacht.
Da freut es einen natürlich, wenn man das fertige Bauwerk
sieht und denkt, so würde ich es wieder machen.“

Alfred Spötzl
Technischer Leiter Nebelhornbahn

Der Verwaltungsbau ist unmittelbar an die Station angebunden, um einen reibungslosen Betriebsablauf zu gewährleisten. Die gesamte Anlieferung für den Seilbahnbetrieb und die Gastronomie finden auf kurzem Wege im Erdgeschoß statt. Die Büros sind im ersten Obergeschoß, von wo aus man einen guten Überblick über die Geschehnisse an der Station hat. Der Bau ist in Mischbauweise errichtet, mit Decken und einem Erschließungskern aus Stahlbeton. Die Wände sind nicht verkleidet, der ausgewaschene Beton lässt die Rauheit der Bergwelt im Innenraum spüren. Die Fassade ist aus unbehandeltem sägerauen Lärchenholz, welches aus lokalen Wäldern gewonnen ist.

Das lang gestreckte Servicecenter trennt den motorisierten Verkehr und die Parkflächen von einem großzügigen Platz in Verlängerung der Fußgängerzone. Das Gebäude umfasst verschiedene Nutzungseinheiten, darunter die Kassenhalle der Nebelhornbahn, einen großen Skiverleih im Erdgeschoß und ein Servicecenter im Untergeschoß. Aufgrund des abfallenden Geländes konnten das Untergeschoß und eine Tiefgarage entstehen. Das Servicecenter ist somit über ein offenes Treppenhaus erreichbar und direkt an die Tiefgarage einladend und ohne Zugangsschleuse angeschlossen. In diesem Gebäude wurde Holz als konstruktives und gestalterisches Element eingesetzt. Die Fassade ist aus sägerauem Lärchenholz. Die Decken innen weisen eine offene und sehr raue Oberfläche aus Lärchenleisten unterschiedlichen Querschnitts auf. Das gibt einen Vorgeschmack auf das Naturerlebnis und ist gut für die Akustik. Die Bewohner(innen) von Oberstdorf haben die neue Talstation sofort in ihr Herz geschlossen und nennen diese tatsächlich, wie schon in der Entwurfsidee angedacht, liebevoll ihr „Tor in die Berge“. Die neue Nebelhornbahn lädt auf eine spannende Reise über 5,7 Kilometer und 1400 Höhenmeter in die alpine Erlebniswelt der Allgäuer Alpen ein. Die Luftseilbahn zum Hausberg von Oberstdorf gilt als eine der längsten Personenschwebebahnen der Welt. Am Gipfel des Nebelhorns ermöglicht der Spaziergang über den Nordsteig den Rundumblick auf 400 Gipfel.

Objekt Nebelhornbahn Talstation, Oberstdorf
Bauherr Nebelhornbahn AG
Architektur HK Architekten, Hermann Kaufmann + Partner ZT GmbH, Schwarzach, www.hkarchitekten.at
Projektleitung: DI Stefan Hiebeler
Statik merz kley partner ZT, Dornbirn, www.mkp-ing.com
Fachplanung Glasbau: Glas Marte, Bregenz; Brandschutz: idl, Oberstdorf; Bauphysik. DI Bernhard Weithas, Lauterach; Elektro: Uhlemayr, Seeg (D)
Planung 06/2017–03/2020
Ausführung 03/2020–04/2021
Nutzfläche 2103 m²
Bauweise Bahngebäude Holzbau; 39 parabelförmige Dreigelenksbögen aus Lärchenleimbindern; Fassade: Glashaut; Servicegebäude Holzkonstruktion; Fassade Lärche; Verwaltungsgebäude Mischbauweise: Decken Stahlbeton, Hülle in Holzelementbauweise; Fassade: Lärche
Besonderheiten Transparenz und Schallschutzanforderung ermöglicht durch regional hergestellte Glashülle
Ausführung Glasbau: Glas Marte, Bregenz; Holzbau u. Innenausbau: Fetz, Egg; Schlosser: Felder, Andelsbuch
Baukosten 11 Mio. Euro