Das Gauertal ist ein Hochgebirgstal am Nordhang des Rätikons und bekannt
für seine unberührte Maisäßlandschaft. Doch auch hier ist Hinschauen
geboten. Allzu schnell ist das Wenige, Originäre überformt,
falsch kopiert oder totsaniert. Um das zu verhindern,
nahm sich der Architekt Christian Vonier der Sache selbst an.

Text: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer

Unser Ausflug beginnt in Tschagguns. Wir steigen in ein gemeinsames Auto um und bilden eine Fahrgemeinschaft. Das tut nicht nur der Umwelt gut, sondern auch dem Gespräch. Christian Vonier ist im Montafon aufgewachsen. Vor 22 Jahren hat er in Göfis mit Hans-Peter Lang das Architekturbüro Lang Vonier gegründet. Dem Montafon ist er immer treu geblieben, trotz Reiselust und Neugier auf Kunst und Kultur an anderen Orten dieser Welt. 2016 übersiedelte das Büro nach Schruns. Unterwegs kommen wir an der Baustelle des neuen Fünfsternehotels im Montafon vorbei. Das gibt Diskussionsstoff – über Tourismus in der Region, über das Bauen in der Region. Dann spannt sich das Gauertal auf und es wird kurz still. Erhabenheit ist wohl das richtige Wort für das Gefühl, das diese Landschaft ausstrahlt. Umso wichtiger scheint ihr Erhalt und das Thema, das wir vor uns haben. Die Nutzung eines alten Gebäudes, das zu einem Maisäß gehört.

Im Montafon wurden ursprünglich Flächen der Landwirtschaft, die sich auf einer Seehöhe zwischen 1200 und 1600 m befinden, als Maisäß bezeichnet. Durch Bewaldung und Hanglage waren sie unbrauchbar als Ackergebiete und wurden gerodet. Die so entstandenen Flächen konnten damit als Mittelstufe zwischen dem Bauernhof im Tal und der Alpe oberhalb der Baumgrenze für das Vieh genutzt werden. Diese Nutzung war Teil der Dreistufenlandwirtschaft, die über Jahrhunderte nicht nur die Kulturlandschaft prägte, sondern auch das Leben und den Alltag der bäuerlichen Bevölkerung. Wenn man sagte „d´s Maisaß go“ waren damit die Wochen gemeint, in der Teile der Familie oder des Personals mit dem Vieh in die mittleren Lagen zogen, um dann, wenig später und Nahrungsquellen für die Tiere folgend, weiter nach oben auf die Alpe zu ziehen. Im Montafon entstanden so temporäre Siedlungen, die als solche eine große Vielfalt aufwiesen.

Seit geraumer Zeit sind Gemeinden, Institutionen, einzelne Akteure/Akteurinnen wie Initiativen dabei, die gut 150 Maisäßgebiete des Montafon zu erhalten und zu schützen. Ihr Ziel ist das Schaffen von Bewusstsein für diesen Schatz, der nicht nur in den Gebäuden liegt, sondern vor allem auch im Erhalt der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung als Grund dieses Schatzes. Credo ist die Berücksichtigung von Kontext und möglichst k(l)eine Eingriffe. So sollen etwa bauliche Veränderungen immer Rücksicht nehmen auf den ursprünglichen Gebietscharakter und Material-Echtheit anstreben. Wo immer möglich, geht Reparatur vor Neuem. Nur für Gebäude, die in ihrer ursprünglichen Form auch eine vorübergehende Wohnnutzung vorgesehen hatten, soll auch eine Umnutzung für Erholungszwecke möglich sein. So soll ein Wuchern von zu Mini-Chalets umgebauten alpinen Kleinarchitekturen verhindert werden. Für das Schurahüsli ist diese Entwicklung eine Selbstverständlichkeit. Das für diesen Kontext stattliche Gebäude wurde bereits über viele Jahrzehnte temporär bewohnt.

„Das Schurahüsli ist das Unsre geworden, ursprünglich
mit angedachter Entplastifizierung und dann weiterer Vermietung,
entpuppte sich dieses wunderbare, maßstäbliche
Gebäude als unser ganz privater Familienschatz.“

Christian Vonier
Architekt

Ein kleiner Hof für die wirtschaftlichen Tätigkeiten liegt ihm zu Füßen. „Das Schurahüsli kommt aus der Familie meiner Frau Franziska und gehört ihr“, erzählt Christian Vonier und durchschreitet dabei den kleinen Vorraum Richtung Stube. „Unterhalb gibt es noch ein weiteres Bestandsgebäude, das wir vermieten. Auch hier wurde immer schon gearbeitet und gewohnt und das ist auch heute so.“ Ein Blick aus dem Fenster zeigt unweit reges Treiben. Eine Familie wohnt dort im Sommer, kümmert sich um Tiere und Betrieb. „Das Schurahüsli selbst ist heute in temporärer Nutzung durch uns.“ Es ist ein Rückzugsort, jederzeit bezugsfertig, vor allem genützt in den Ferienzeiten, aber auch an Wochenenden, zu allen heiligen Tagen, wenn die Familie zusammenkommt.

„Am schönsten ist es zu Weihnachten – wenn die Kinder da sind. Dann rücken wir hier zusammen und verbringen ein paar intensive Tage miteinander.“ Zusammenrücken ist das Stichwort. Doch das bedeutet keinen Komfortverlust. Die Instandsetzung des Gebäudes wurde so einfach wie möglich und so aufwendig wie notwendig gemacht. „Ein wandernder Geselle hat hier in den letzten Monaten gewohnt und gearbeitet. Alles was erkennbar neu ist, stammt von ihm. Viel war schon da, wurde einfach repariert und manches auch rückgebaut. „In den 1970er- und 1980er-Jahren ist viel mit dieser alten Bausubstanz passiert, was man mit etwas Abstand gar nicht mehr verstehen kann. Heute ist die Devise natürlich, einfach, gut. Es gibt keine Kunststoffsünden mehr, die wurden alle entfernt.“ Die Sanierung der Fassade und des Daches steht noch an. „So ist das mit einem alten Haus, egal ob im Tal oder hier oben. Es bleibt immer etwas zu tun.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Montafoner Maisäß, Gauertal
Bauherrin Franziska Vonier
Architektur Lang Vonier Architekten ZT, Schruns; www.lang-vonier.com
Planung 2016–2018
Ausführung 2018–2021 und folgend
Wohnnutzfläche 94 m² (zzgl. Keller 20 m²)
Bauweise Außenwände: Strickbau innen sichtbar; gespannte Dielendecke über Erdgeschoß; Warmdach mit Blecheindeckung; Keller: Trockenmauerwerk, Erdboden; Heizung über dezentrale Luftwärmepumpe und Grundofen; Fenster: Bestand; massive Brettertüren aus Fichte mit Gratleisten; Böden: Naturstein Gneis und Fichten-Dielen gebürstet; Fassade: Bestand Rundschnittschindeln
Besonderheiten Ausführung mit großem Anteil Eigenleistung und Geduld, Sanierung außen noch nicht ausgeführt (Schindeldach, Fassaden und Fenstersanierung, Außenanlagen, etc.)