Die bestehende Volksschule aus den Fünfzigerjahren wurde um einen
Kindergarten erweitert und ist nun so etwas wie ein superschöner Campus
für die jüngsten Bürgerinnen und Bürger unserer Gesellschaft.
Den Südtiroler Pedevilla Architekten ist es gelungen,
Emotionalität und wirtschaftliches Kalkül perfekt in Einklang zu bringen.
Und das macht megamäßig Spaß. Ein Besuch im neuen
Bildungszentrum Frastanz-Hofen.

Autor: Wojciech Czaja | Fotos: Kurt Hörbst

Auf den ersten Blick schaut das Haus aus, als hätte es ein Riese vom Himmel herab mit Kakaopulver zugestaubt. Außenwände, Vordächer, Vorplatz, Fenster und Markisen erscheinen in mattem, appetitanregendem Braun. Hinter dem ungewöhnlichen Farbton verbirgt sich die Idee, dem Gebäude eine erdige, mineralische Atmosphäre zu verleihen. „Wir haben – um ehrlich zu sein – weniger an Schokolade gedacht, als vielmehr an einen warmen, vulkanischen Porphyr mit Nuancen von Rosa, Violett und Melanzani“, sagt Armin Pedevilla. „Ziel war es, das heterogene Ensemble aus Alt und Neu in dieser ohnedies schon heterogenen Umgebung ein bisschen zu bändigen und zu beruhigen.“

Betreten wird die ehemalige Volksschule, die nun um einen Kindergarten und eine Kleinkindergruppe erweitert wurde, von zwei Seiten – einmal vom Osten, einmal vom Westen. Nach wenigen Schritten hat sich der Herzschlag beruhigt, es macht sich eine wohlige Muße im Körper breit. Am Boden sägeraue, unbehandelte Weißtanne, an der Decke helle Akustikplatten aus Holzwollefaser, im Raum verstreut leichtgewichtige, eigens für dieses Projekt entworfene Tische und Sessel aus geseiftem Ahorn, die sogar die Zweijährigen spielend leicht verschieben können. Um allen Altersgruppen die ideale Sitzposition zu bieten, wurden die Möbel in drei Größen gefertigt.

Die Pläne, die Volksschule aus dem Jahr 1952 zu sanieren und zu erweitern, reichen bis ins Jahr 2013 zurück. Aus einem EU-weiten, mehrstufigen Wettbewerb gingen der Südtiroler Architekt Armin Pedevilla und sein Bruder Alexander zwar als Sieger hervor, sie mussten ihren Entwurf bis zum endgültigen Gemeinde-ratsbeschluss aber sechsmal überarbeiten. 2019–2021 schließlich konnte das neue Bildungszentrum in Frastanz-Hofen nach den Richtlinien des Vorarlberger Kommunalgebäudeausweises (KGA) gebaut werden.

Eine Besonderheit des Projekts ist die sorgfältige und kritische Abwägung von Wirtschaftlichkeit und Ökologie. Um den Gedanken der Kreislaufwirtschaft aufzugreifen, wurde die in den 1990ern angebrachte, bloß acht Zentimeter starke Korkdämmung an den Außenwänden nach reichlicher Überlegung beibehalten. Und anstatt die 1998 neu eingebauten Holz-Alu-Fenster im Bestandsbau zu ersetzen, entschied man sich, lediglich die Gläser zu tauschen und die energetische Wirksamkeit dadurch zu erhöhen. Technisch versorgt wird das Haus mit Fußbodenheizung und Lüftungsanlage samt Wärmerückgewinnung. So erreicht das Gebäude 969 von 1000 „klimaaktiv“-Punkten. All das bescherte dem Projekt zuletzt den Österreichischen Staatspreis Architektur und Nachhaltigkeit.

„Dieses Haus ist wenig Schule und viel Wohnzimmer.
Am liebsten würde ich sagen: Hier ist es so schön wie daheim.
Aber das stimmt nicht. Hier ist es viel schöner.“

Angelika Summer
Leiterin des Kindergartens

„Nachhaltigkeit bedeutet nicht immer nur, welche CO2-Bilanz am Ende rauskommt, sondern hat auch damit zu tun, ob mich ein Haus berührt und mir eine angenehme Stimmung bietet“, sagt der Architekt. „Für uns ist die emotionale Nachhaltigkeit mindestens so wichtig wie die Kraft der errechneten Kennwerte.“ Und Pedevilla, so scheint es, ist ein Meister dieser Atmosphäre: Als ziemlich mutiges Kontrastmittel zu den hellen Hölzern wurden die Innenwände mit durchgefärbtem Kalkrieb verputzt, diesmal mit natürlichen, mineralischen Farbpigmenten und lokalen Zuschlagstoffen, eine Spur heller als draußen.

Highlight des neuen Bildungszentrums in Frastanz-Hofen sind die baulichen Details, die vielen kleinen sozialen und ästhetischen Überlegungen. Die Spielgeräte am Spielplatz sind in Zusammenarbeit mit einer Arbeitslosen-Initiative entstanden. Der Lehrmittelraum mit Papierlager, Kopiergerät und Computerarbeitsplatz ist als schulterhoher Holzverschlag mit jederzeitigem Sichtkontakt zwischen den Großen und den Kleinen ausgeführt. Fast wie ein Western-Saloon mit Milchka­kao statt Whisky on the rocks.
Und dann das unentwegte Spiel mit der Satteldach-Silhouette – etwa in den Zaunlatten, in den Fahrrad-Absperrbügeln, in den WC-Fliesen, in den Stiegengeländern, in der großen doppelflügeligen Glastür in der Aula, ja sogar in den Knöpfen und Knäufen der privaten Garderobenkästchen. Man kommt aus dem Suchen und Staunen nicht mehr heraus. Der Respekt, der den Schülerinnen und Schülern entgegengebracht wird, ist berührend. Da will man noch mal Kind sein.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Bildungszentrum Frastanz-Hofen
Bauherr Marktgemeinde Frastanz
Architektur pedevilla architects, Bruneck, http://pedevilla.info
Statik gbd ZT, Dornbirn; https://gbd.group/de
Fachplanung Projektsteuerung: gbd ZT, Dornbirn; Haustechnik: E-Plus, Egg; Elektro: René Fröhle, Schlins; Infrastruktur: Preuß Mähr, Koblach; Geotechnik: 3P ZT, Bregenz; Baukoordination: Kurt Gau, Feldkirch; nachhaltiges Bauen:
Vbg. Gemeindehaus, Dornbirn, Energieinstitut Vorarlberg, Dornbirn; Spektrum, Dornbirn
Planung 10/2017–02/2021
Ausführung 05/2019–02/2021
Grundstück Gesamtfläche: 8320 m²; Nutzfläche: 6800 m²
Bauweise Bestand Ziegelmauerwerk; Zubau Stahlbeton; Holzdachstuhl
Ausführung Baumeister: Jäger, Schruns; Heizung/Sanitär: Dorf-Installateur, Götzis; Lüftung: Kranz, Weiler; Elektro: Decker, Weiler; Fenster: Hartmann, Nenzing; Schlosser: Markus Kalb, Dornbirn, Böhler, Feldkirch; Verbundfassade: Kobold, Frastanz; Zimmermann: Dobler, Röthis; Spengler: IAT, Röthis, Rusch, Lauterach; Einbaumöbel: Lenz Nenning, Dornbirn; Parkett: René Bechtold, Weiler; Türen: Sternath, Hard; Möbel: Schmidinger, Schwarzenberg
Energiekennwert 25 kWh/m² im Jahr (HWB)
Baukosten 19,8 Mill. Euro