Die Lust am Sammeln
Worin liegt die Faszination am Sammeln von Objekten? Sammler(innen)
nehmen nicht selten große Mühen und Anstrengungen auf sich, um an diese
zu kommen und sie für die Zukunft zu sichern. Im Zentrum ihres Interesses steht
nicht nur das Objekt selbst, sondern meist eine Thematik und der Erwerb
und Austausch von Wissen zu diesem Themenfeld. Ein Blick in die
Museumswelt in Frastanz liefert dazu die passende Anschauung.
Text: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer
Sieben Sammlungen präsentieren sich in den ehemaligen Ganahl-Werken in Frastanz und vermitteln unter dem Namen „Vorarlberger Museumswelt“ Wissen und Schätze aus Technik und gesellschaftlichen Einsatzbereichen wie Feuerwehr- und Rettungswesen, aber auch großen kulturellen Themen wie dem Kino, der Fotografie, der Tonkunst oder dem Tabak und seiner Verarbeitung, Verbreitung und seinem Konsum als Teil der regionalen Geschichte.
Peu à peu, Stück für Stück, so wie beim Sammeln selbst, nehmen auch die Räume für die Vermittlung in der „Museumswelt“ Gestalt an. Das Gebäude wurde bereits vor Jahren von Joachim Schmidle aus Frastanz saniert und erweitert. Ein neuer Baukörper kam als Erschließungszone zum Gebäude hinzu, ebenso ein Biomassekraftwerk. Die hallenartigen Räume wurden von dreischiffigen Hallen mit zwei Säulenreihen in solche mit einer Mittelstützenreihe abgeändert.
Die Vorarlberger Museumswelt hat den ersten und zweiten Stock des Gebäudes gemietet. Im ersten Stock wurde bereits das Foyer nach neuem Konzept realisiert, im zweiten das Jagdmuseum nach Plänen von Heike Schlauch raumhochrosen und Szenografie-Expertise durch das Berliner Büro chezweitz.
Mit der Präsentation der Sammlungen zu den Themen Foto, Film und Tabak und dem „Grammophonicum“, weiterführend gestaltet durch das Architekturbüro Atelier Ender aus Nüziders, ist die „Museumswelt“ nun um einige hochwertige Präsentationflächen und Schauräume reicher. Eine Sammlung zu präsentieren, verlangt nicht nur Kenntnisse über die ausgestellten Objekte selbst. Die Aufbereitung, aber auch die sachgemäße Verwahrung der Objekte verlangen eigene Expertise, ebenso die Wegführungen durch das Gebäude, dessen ursprüngliche Nutzung ganz anders gelagert war. So wunderbar diese Räume für diese, neue wertvolle Nutzung sind, so herausfordernd sind sie auch. Die Museumswelt in Frastanz ist zudem kein Museum im eigentlichen Sinn. Ausgangslage ist die Sammellust ehrenamtlich engagierter Bürger(innen). Was hier Museum heißt, sind eigentlich Sammlungen und jede folgt einer eignen Logik, wird von anderen Akteur(inn)en betreut. Die Museumswelt hat sich bei der Gestaltung der neuen Sammlungen zu Tabak, Foto und Film für räumliche Inszenierungen entschieden. So werden die Exponate nicht, wie man es aus vielen Museen kennt, in einer schlichten, konzentrierten und neutralen Umgebung gezeigt, sondern in einen gestalterischen Kontext eingebunden, der Handlungsfelder und Nutzungsebenen thematisiert und die Präsentation stark mitprägt, Stimmung erzeugt.
„Die sehr differenzierte Museumsgestaltung soll die Besucher(innen)
zum Erkunden auffordern und die Interaktion zwischen Objekt und Rezipient fördern.“
Ursula Ender
Architektin
Architektin Ursula Ender, die zusammen mit Bruder Marcus Ender das Architekturbüro Atelier Ender betreibt, hat beim Gang durch die Sammlungen sichtlich Freude. „Die Vielfalt der Exponate ist beeindruckend und mehr noch die spürbare Leidenschaft der Menschen hier. Wir haben versucht dabei zu helfen, einen roten Faden sichtbar zu machen und uns auf das Erlebnis der Besucher(innen) fokussiert.“ Zentrum des Raumes im zweiten Stock ist das Grammophonicum, ein kreisrunder Vitrinenbau nach einer Idee von Heike Schlauch raumhochrosen, den Atelier Ender nun in der Detailplanung umsetzte. Er beinhaltet die Sammelstücke von Reinhard Häfele. Mehr als 70 Phonographen und Grammophone sowie Tonträger und Zubehör sind hier zu sehen. Besonders empfehlenswert mit Führung, denn nicht nur der Anblick lässt staunen. Das Grammophonicum ist vor allem auch ein akustisches Erlebnis mit dem Potenzial noch lange nachzuklingen.
Mit nicht weniger Gestaltungsfreude wartet die fotografische Sammlung und Sammlung von Fotoapparaten mit viel Zubehör auf wie auch das Thema Film mit einem gar nicht kleinen Kinosaal und historischen Abspielgeräten aus einem aufgelassenen Kino – stilecht mit roten Plüschsesseln und großer Leinwand – ein optimaler Ort, um Filme aus der Sammlung abzuspielen. Im Tabakmuseum, bereits 2017 eröffnet, werden 150 Jahre Tabakanbau in Frastanz thematisiert. Sabine Fellner und Georg Thiel haben hier als Kurator(inn)en gewirkt und so ist neben zahlreichen Einzelstücken auch die Kontextualisierung innerhalb der Tabakgeschichte gelungen und spannend vermittelt. Atelier Ender gestaltete Vitrinen, Podeste und Aufhängungen, die nochmals ein neues Gefüge in diesem Haus der viele Dinge entstehen lassen. Unterschiedlich gestaltete Zylindervitrinen fokussieren wie kleine Suchscheinwerfer auf die Objekte. Eine Vitrinenwand lädt mit ihren Gucklöchern ein, Inhalte neugierig zu erkunden.
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at
Daten und Fakten
Objekt Vorarlberger Museumswelt, Frastanz
Bauherr Vorarlberger Museumswelt, Gemeinde Frastanz; www.museumswelt.com
Architektur Raumgestaltung: Atelier Ender, Nüziders, Team: Ursula Ender, Marcus Ender, Cornelia Vonbun, www.atelierender.at; Umbau Hauptgebäude: Joachim Schmidle, Frastanz, www.joachimschmidle.at
Umsetzung „Grammophonicum“ auf Basis von Arbeiten von Heike Schlauch; www.raumhochrosen.com
Planungsdaten Wettbewerb: 2016
Planung, Ausführung: 2016–2017
Besonderheiten großer Anteil von Eigenleistungen und starke Beteiligung durch Vereinsmitglieder