Was tun, wenn das Elternhaus zu klein für drei Generationen,
aber zu groß für eine ist? Das kompakte Split-Level-Haus
war passgerecht für eine Kernfamilie mit vier Kindern,
ließ sich jedoch nicht an den aktuellen Bedarf anpassen.
Wegen seiner Position auf dem Grundstück hätte jede Erweiterung
finstere Innenräume hervorgebracht. Diese Analyse führte zu einem Neubau
mit einem Innenhof als zentraler Begegnungs- und Verkehrsfläche,
durch den alle Räume in bestem Licht stehen.

Autorin: Claudia Rinne | Fotos: Karin Nussbaumer

In idyllischer Höhenlage im Westen von Bregenz, wo sich Satteldächer mit Flachdächern abwechseln, und Massivbau überwiegt, macht das Elternhaus aus den 1980er-Jahren Platz für das neue Mehrgenerationenhaus. Ein Innenhof oder Atrium verbindet die verschiedenen Wohneinheiten, die über einem nahezu quadratischen Grundriss errichtet werden. Die bebaute Fläche ist größer als beim Vorgänger, dafür erfüllt das neue Haus alle Wünsche der vielstimmigen Bauherrschaft: Eine offene, Gemeinsamkeit bildende Struktur, die dennoch Rückzug ermöglicht; gute Tageslichtverhältnisse dank großer, teils schon durch ihre Platzierung vor Außeneinblicken geschützter Glasflächen; viele wohnliche Außenbereiche.

Ein symmetrisch u-förmiges Erdgeschoß umschließt das zentrale Atrium im Süden, Osten und Norden. An der Westseite bildet ein flach überdachter Carport das durchlässige Scharnier zwischen Straße und Zentrum und ergänzt das U zum Quadrat. An derselben Seite, weiter im Süden und mit mehr Abstand zur Straße, wird der Carport durch die erste von drei Terrassen fortgesetzt. Sie ist komplett durch das auskragende Obergeschoß überdacht, das an der Südseite ein Drittel des bebauten Grundquadrats überhöht. Hier können große Feste gefeiert werden. Von dieser Terrasse aus führt eine gut gesicherte Tür direkt auf die Kellertreppe, während die eigentlichen Wohnungseingänge am Innenhof liegen.

Gleich links liegt die Tür zur eingeschoßigen Wohnung der älteren Generation. Ein voll verglaster Gang entlang dem Atrium mündet in die große Wohnküche, die mit seiner Hilfe von drei Seiten Tageslicht bekommt. Selbst das Abendlicht findet seinen Weg unter dem Flachdach hindurch und durch das Atrium bis in den Wohnraum. Jenseits des Gangs fädeln sich die weiteren Räume auf. Sie sind untereinander verbunden, falls man ungesehen bleiben möchte, können aber auch vom Glasgang aus betreten werden. So oder so ist die gegenüberliegende Wand im Erdgeschoß fensterlos, während das einzige Fenster im Obergeschoß so weit im Westen positioniert ist, dass der Blick den Innenhof nur streift, denn Diskretion ist eine sichere Basis für jede Gemeinschaft. In dieser Wohnung haben viele Möbel aus dem alten Haus wieder ihren Platz gefunden.

Geradeaus, dem Carport gegenüber, liegt die Eingangstür in die Wohnung der Jüngeren. Im Vorraum empfängt einen ein schöner Blick nach Osten, ehe man sich nach rechts wendet und ein paar Stufen hinab in die Küche geht. Die Stufen gleichen die leichte Hanglage aus, machen die Küche aber auch zum Gravitationszentrum. Nur eine schmale Wandscheibe unterbricht den Blick ins Freie. An der Südseite zieht sich eine lange Sitzbank unter dem Fenster entlang, bis ein erneuter Niveausprung und ein zentraler Feuerplatz den Übergang von Küche und Essplatz zum höher liegenden Wohnbereich anzeigen.

„Sichtachsen, Ausblicke und Durchblicke
weben ein Netz, das die Bewohner(innen) in ein familiäres
und idyllisches Umfeld bettet.“

Philipp Gmeiner
Gmeiner & Miatto Architekten

An dieser Stelle wird auch das Südfenster von einer massiven Wand mit einem schmalen Oberlichtband abgelöst. Die Glastüren an der westlichen Wand, der dritten Lichtrichtung in diesem langgestreckten Raum, sind durch das auskragende Obergeschoß blickgeschützt und stellen die Verbindung zur Partyterrasse her, an der Nordseite liegt das Treppenhaus zum Obergeschoß. Ein gut bespielbarer Variantenreichtum zwischen Offenheit und Geschlossenheit grundiert das Haus im Miteinander der Generationen und in jeder Situation.

In der Früh wirft man den ersten vollen Blick nach draußen durch das Fenster am oberen Treppenabsatz, denn in den Schlaf- und Badezimmern war er noch durch Jalousien gefiltert. Gleichwohl bekommt man aus mehreren Himmelsrichtungen einen Eindruck, wie das Wetter ist, spüren kann man es dann mit dem ersten Kaffee auf der Terrasse vor der Küche. Wenn in der zweiten Wohnung der Tag genauso früh beginnt, führt der Weg womöglich auf die Parallelterrasse, auch vor der Küche gelegen, auch mit Blick zur Morgensonne. Dann treffen sich die Generationen auch jenseits des Innenhofs.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Haus auf der Fluh, Bregenz
Bauherr privat
Architektur Gmeiner & Miatto Architekten, Hard; www.gmeiner-miatto.com
Fachplanung Bauphysik: Künz, Hard
Planung 01/2017 – 04/2018
Ausführung 04/2018 – 04/2019
Grundstücksgröße 1116 m²
Nutzfläche 196 m² Haupthaus + 80 m² Einliegerwohnung
Keller 97 m²
Bauweise Massivbauweise, Mineralwolledämmung mit Holzschirm und teilweise Schiefer belegt. Innenwände massiv mit Kalkputz; Böden, Parkett und geschliffener Estrich; Heizung: Luftwärmepumpe mit Fußbodenheizung
Besonderheiten Mehrgenerationenhaus; Fassade in Eigenregie vom Bauherrn ausgeführt
Ausführung Baumeister, Verputz: Burtscher, Bregenz; Erd-, Kanal- und Pflasterarbeiten: Ponik, Kennelbach; Elektrik: Kirchmann, Langen; Sanitär: Dorfinstallateur, Wolfurt; Tischler: k_m, Bregenz; Fenster: Schwarzmann, Schoppernau; Ofenbau, Fliesen: Büchele, Hard; Spengler: Lindsberger, Bregenz; Estrich: Fischer, Hard
Energiekennwert 41 kWh/m² im Jahr (HWB)