Der erste geförderte Wohnbau in Alberschwende im Bregenzerwald
steht nicht irgendwo am Ortsrand, sondern mitten im Dorf zwischen
gepflegten Wälderhäusern. Die Architekten Cukrowicz Nachbaur meisterten die
Herausforderung, 17 Wohnungen stimmig in dieses sensible Umfeld einzubetten, mit Bravour.
Sie kleideten die zwei Neubauten in eine Fassade aus Fichtenschindeln ein, auch ihre Kubatur –
quadratischer Grundriss, drei Geschoße, flaches Walmdach – nimmt Anleihe an den benachbarten Häusern.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer

Alberschwende ist ein kleiner Ort im Bregenzerwald. Gepflegte Wälderhäuser und einige Bauten neueren Datums säumen die Hauptstraße. Alle halten sich an den ortsüblichen Maßstab, Alberschwende hat ein reges Dorfleben und mit Angelika Schwarzmann eine umsichtige Bürgermeisterin. Der erste gemeinnützige Wohnbau wurde nicht irgendwo verschämt an den Rand gedrängt, er bekam einen Bauplatz mitten im Ort. Das Grundstück war von schwierigem, unregelmäßigem Zuschnitt: Der obere, schmälere Rand grenzt schon an eine weniger dicht besiedelte, durchgrünte Nachbarschaft, seitlich führen dicht gesetzte Nachbarhäuser zu sehr eigenwilligen Baulinien. Im Süden endet die Parzelle an der Hauptstraße. Deren Verkehrsaufkommen ist sehr hoch, eine Umfahrung wurde im Gemeinderat zwar 2020 beschlossen, die Wohnqualität hat sich an der Gegenwart zu messen. Rechts und links gibt es zwei Wirtshäuser, schräg gegenüber die Bank und eine Kapelle. Wer hier wohnt, braucht eigentlich kein Auto, alles Wichtige ist fußläufig erreichbar. Die Anlage ist auch für betagtere, weniger rüstige und behinderte Menschen gut geeignet.

„Die Situation war sehr schwierig. Es gibt viele alte, historische Häuser, wir haben zuerst eine Bebauungsstudie erstellt, die auch vom Gestaltungsbeirat geprüft wurde“, sagt Architekt Anton Nachbaur. „Natürlich macht es Sinn, mitten im dichten Dorfkern auch dicht zu bauen. Es darf aber in diesem Umfeld kein Fremdkörper sein. Die richtige Setzung und Maßstäblichkeit waren essenziell.“ Cukrowicz Nachbaur setzten zwei Baukörper mit quadratischem Fußabdruck und sehr flachen Walmdächern auf das Grundstück. Der obere misst 20 x 19 Meter, an der Hauptstraße fügt er sich in die Reihe der Nachbarn. Im Erdgeschoß gibt es eine Art moderne Version des traditionellen Schopfs – also einen witterungsgeschützten, eingeschnittenen Vorbereich, dessen Pflastersteine sich bis auf den Gehsteig ausbreiten. Gleichermaßen der rote Teppich für das dortige Büro. Hanglage sei Dank, ließ sich im straßenseitigen Keller dezent die Tiefgarage integrieren.

„Natürlich macht es Sinn, ein Grundstück mitten im
dichten Dorfkern auch dicht zu bebauen.
Es darf aber in diesem Umfeld kein Fremdkörper sein.
Die richtige Setzung und Maßstäblichkeit waren essenziell.“

Cukrowicz Nachbaur
Architekten

Der untere Baukörper misst 16 x 18 Meter, gewohnt wird zu ebener Erde nur rückseitig. Die Familie, die hier eine Wohnung gemietet hat, ist sehr glücklich. „Wir haben eine Wahnsinnsgaude mit dem Garten. Den Verkehr hörst du kaum, die Fenster sind sehr dicht.“ Beide Häuser sind zur Gänze mit Fichtenschindeln verkleidet und haben – für moderne Wohnbauten – ungewöhnlich kleine Fenster mit Fensterläden aus Holz. Hier sind sie genau richtig: Ihre Proportion und Materialität unterstreichen die Wesensverwandtschaft mit den benachbarten Häusern, man erkennt sie sofort als zum Ort zugehörig.

„Wir wollten zeigen, dass man auch als gemeinnütziger Bauträger gute Resultate erzielen kann“, sagt Jürgen Loacker von der Wohnbauselbsthilfe. Sie war die Einzige, die sich über dieses komplizierte Grundstück traute. „Es war sehr schwierig zu bebauen, die Parkierung der Tiefgarage war eine extreme Tüftelei.“ Der Bau musste wirtschaftlich sein, das bedeutete: 17 Wohnungen zwischen 50 m2 und 100 m2. Cukrowicz Nachbaur organisierten diese rund um ein zentrales Stiegenhaus so, dass je eine Wohnung an mindestens einem Eck zu liegen kommt – also von zwei Seiten Licht hat. In die Ecken sind auch die Loggien eingeschnitten, ihre massive Brüstung ist Teil der Schindelfassade. Sie schaffen einen geschützten Freiraum, ohne aus dem Baukörper auszubrechen.

50 Zentimeter ungedämmtes Hohlziegelmauerwerk, verputzt und mit Mineralfarbe beschichtet, lassen die Häuser atmen. Materialien begegnen einem an unvermuteter Stelle ein zweites Mal: Die Treppengeländer sind aus Stahl geschweißt, die als Möbel gestalteten Trennwände zwischen den Terrassen auch — in derselben Stärke, mit derselben Oberfläche, aber im Tageslicht erscheinen sie anders. Auch der brasilianische Buntschiefer, der im Treppenhaus in schönem Kontrast zur weißen Wand verlegt ist, kehrt mit anderem Effekt als Belag auf dem Boden und den Wänden der Bäder wieder.

Die Architekten platzierten die Häuser so geschickt, dass sich zwischen ihnen in zweiter Reihe ein kleiner Spielplatz mit Schaukel und Sonnensegel aufspannt. Die Anleihen an die Wälderhäuser haben auch bautechnologisch Vorteile. „Durch die kleinen Fenster und die Loggien mit den geschlossenen Brüstungen haben wir kein Problem mit Überhitzung und Sonnenschutz“, sagt Loacker. „Die kompakte Bauform ist energetisch günstig, auch die Schallbelastung ist niedriger.“ Die Fassade ist langlebig und wartungsarm. „Das ist der erste gemeinnützige Wohnbau in Alberschwende“, sagt Bürgermeisterin Angelika Schwarzmann. „Hier wohnen lauter Menschen aus dem Dorf. Alleinstehende, ältere Personen, die nicht mehr im Bauernhof ohne Zentralheizung leben können. Oder junge Familien.“ Oder der 40-Jährige, der nach einem schweren Unfall hier endlich eine barrierefreie Wohnung gefunden hat.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Kreuzareal Alberschwende
Bauherr Wohnbauselbsthilfe
Architektur Cukrowicz Nachbaur Architekten ZT, Bregenz, www.cn-architekten.at
Statik Kofler Baustatik, Götzis; www.kofler-baustatik.at
Planung: 2014–2019
Ausführung: 03/2019–09/2020

Objektdaten
Grundstücksfläche: 1999 m²
Nutzfläche: 1241 m²
Fachplanung Heizung, Lüftung, Sanitär: ibee, Hard; Elektro: Willi, Andelsbuch; Brandschutz K&M, Lochau; Energiekonzept, Bauphysik: DI Bernhard Weithas, Lauterach
Bauweise Mischbauweise
Ausführung Baumeister: Mahsterbau, Sulzberg; Holzbau: i+R, Lauterach; Dach: Baldauf, Doren, Tectum, Hohenems; Lüftung: Kranz, Weiler; Heizung, Sanitär: Dorfinstallateur, Wolfurt; Elektro: Schneider, Andelsbuch; Schindeln: Hager, Mellau
Energiekennwert 19 kWh/m² im Jahr (HWB)