Die Stadt am See
Bis 1997 verlief entlang des Bodensees von Bregenz nach Lochau
eine unterirdische Ölleitung. Die Leitung ist noch vorhanden,
ihre Nutzung wurde eingestellt. Der Name ist geblieben.
Heute ist die Pipeline eine befestigte Promenade.
Sie funktioniert als Radweg, Fußweg, Liegewiese,
Seezugang, Uferbefestigung und beliebter Treffpunkt am See.
Text: Verena Konrad, Fotos: Petra Rainer
Bregenz – Stadt am Bodensee. Die Trennung von See und bebauter Stadt durch Bahn und Straße ist ein politisches Dauerthema. Bereits in bester Nutzung ist die Gestaltung der Uferzonen des Sees. Eine Errungenschaft ist dessen öffentliche Zugänglichkeit. Was für ein Geschenk für die Bevölkerung, was für eine politische Leistung. Kein Vergleich mit dem Schweizerischen oder deutschen Bodenseeufer, das weitgehend privatisiert ist oder auch den vielen Seen in Kärnten oder im Salzkammergut, an denen Villen und private Badehäuser das Ufer säumen und nur ab und zu ein kleiner Streifen für „alle“ den Zugang zum See aufmacht. Aus dieser öffentlichen Zugänglichkeit auch einen kulturellen Mehrwert für das Stadtleben und Stadterleben zu machen, war Anlass der Neugestaltung der Pipeline.
Die Pipeline in Bregenz hat ihren Namen von einer unterirdischen Ölleitung. Heute ist sie als Promenade entlang des Sees bekannt. Sie führt vom Bregenzer Hafen bis zum Strandbad Lochau. Entlang der Strecke gibt es viele öffentlich zugängliche Bademöglichkeiten und seit über zehn Jahren auch einen kleinen „grünen“ Stadtstrand nahe dem neuen Holzsteg. Aber auch zu den übrigen Jahreszeiten ist die Pipeline ein beliebter Ort. Nicht nur Badegäste tummeln sich hier – übrigens das ganze Jahr über, denn viele Bregenzer(innen) trotzen auch den kalten Temperaturen – die Pipeline ist auch Radweg, Fußweg und Aufenthaltsort. Sie liegt entlang der Bahnstrecke, entlang einer hochfrequentierten Straße. Die Pipeline ist ein Raum mit städtischer Frequenz, mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Fortbewegung, mit Verkehr, ein Ort des Tourismus, ein Ort der Erholung. Diese vielen Nutzungsprofile machen auch Gestaltung und Planung komplex.
Pünktlich zum Sommer ist der zweite Bauabschnitt der neuen Pipelinegestaltung fertig geworden. Ein dritter folgt ab Oktober und soll bis zum kommenden Sommer fertiggestellt sein. Dabei gibt es einige Parameter, die umgesetzt werden mussten. Etwa die Trennung von Radweg und Fußweg. Der Radweg sollte fünf und der Fußweg drei Meter breit sein. Die Umbauten hatten umweltverträglich zu geschehen. Das bedeutete die Notwendigkeit eines interdisziplinären Teams.
„Die Neugestaltung der Pipeline ist eine einmalige Chance.
Dieser fantastische Naturraum hat lange unter den Eingriffen
für technische Infrastuktureinrichtungen gelitten.“
Elmar Nägele,
Architekt
Elmar Nägele, Architekt und für die Gestaltung zuständig, umschreibt das so: „Wir haben mit Geotechniker(inne)n, Ökolog(inn)en, Wasserbauer-(inne)n, Expert(inn)en aus Limnologie und Fischzucht und aus der Landschaftsarchitektur zusammengearbeitet und natürlich mit einem technischen Planungsbüro.“ Umgesetzt wurden die Bauarbeiten schließlich von Tomaselli Gabriel Bau. Eine Herausforderung war die Aufrauung des Ufers, um mehr limnologische Kapazität zu erreichen und größere Laichgründe. Eine andere Herausforderung war die Westlage, denn der Westwind prallt am stärksten ans Ufer. Das als Sitzmauer wahrgenommene Bauwerk ist so auch ein technisches Bauwerk mit Sicherheitsstandards und funktioniert zugleich als Absturzsicherung. „Damit das Ganze harmoniert und der See mit seiner Schönheit und Kraft im Fokus bleibt, haben wir uns für eine dezente Zurückhaltung entschieden und für Elemente, die sich durchziehen.“ Die harte Uferbebauung geht bis zum Flachufer in Lochau. Wo es flach ist, wird mit Kies gearbeitet. Nicht jeder Kies aus jedem Aushub ist hier geeignet.
Ein anderes Element, das sich durchzieht, sind die schlanken und eigentlich historischen Geländer aus Gusseisen, die die Stadt immer wieder nachgießen lässt. Sie stammen von einem Entwurf von Alois Negrelli. Bekannt als Verkehrsingenieur geht die Straße von Bregenz nach Lochau auf Pläne Negrellis aus dem Jahr 1831/32 zurück. Die Bahnstrecke wurde dann 1872 errichtet.
Besonders wichtig war den Architekten Nägele Waibel, aber auch der Stadt selbst, dass es Grünräume gibt und die Pipeline auch als Landschaftsraum am See wahrgenommen wird. Die Pipeline ist heute Landschaftsraum, urbaner Ort und Verkehrsraum zugleich. Das geht mit Rücksicht und mit Aufmerksamkeit, die dadurch auch gefördert werden soll. Denn Stadt, das sind wir alle, die hier leben und sich hier aufhalten.
Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at
Daten und Fakten
Objekt Ufergestaltung Pipeline Bregenz
Bauherr Landeshauptstadt Bregenz
Architektur Architekten Nägele Waibel ZT, Dornbirn, www.naegele-waibel.at
Statik Gaisberger ZT, Dornbirn, www.zt-gaisberger.at
Fachplanung Ingenieurplanung, Bauaufsicht: Rudhardt Gasser Pfefferkorn ZT, Bregenz; Bodenmechanik 3 P Geotechnik West, Bregenz; Pflanzkonzept: Vogt Landschaftsarchitekten AG, Zürich
Ausführung 2012–2022
Uferlänge 1500 Meter
Bauweise Flachufer: Fußsicherung mit vorgelagertem Böschungsstreifen; Steilufer: Stützwand aus Stahlelementen mit vorgehängten Betonfertigteilen; Brückenbauwerke aus Ortbeton; Badestege: Holzkonstruktion
Ausführung Baumeister: Tomaselli Gabriel, Nüziders; Holzbau: Gerhard Berchtold, Schwarzenberg; Schlosser: Markus Kalb, Dornbirn; Eigenleistungen: Bauhof und Stadtgärtnerei Bregenz