Vor wenigen Monaten wurde in Wien der DC-Tower 3
in Betrieb genommen. Der Wohnturm nach Plänen
von Dietrich Untertrifaller und BEHF Architekten
ist ambivalent und liegt irgendwo zwischen großartigem
ersten Eindruck und teurem fragwürdigen Betreiberkonzept.

Text: Wojciech Czaja | Fotos: Kurt Hörbst

An manchen Nachmittagen, wenn die Südwestsonne über die Donau streicht und das gegenüberliegende Ufer in ein goldenes Licht taucht, funkelt der neue DC-Tower 3 neben der Reichsbrücke wie eine aufgestellte Luxuspralinenschachtel von Ferrero Rocher. „Eigentlich“, sagt Much Untertrifaller, „hätte das Hochhaus noch viel stärker glänzen sollen, denn wir wollten es ursprünglich in eine hochreflektierende Haut aus eloxiertem Aluminium hüllen. Aus Spargründen ist es nun eine lackierte Metallfassade geworden.“

Die Geschichte des DC-Towers 3 hat ihren Ursprung in der abgesagten EXPO 95 Wien-Budapest. Nachdem sich die Wiener Bevölkerung in einer Volksbefragung im Mai 1991 gegen die Abhaltung der Weltausstellung ausgesprochen hatte, wurde die WED Wiener Entwicklungsgesellschaft für den Donauraum AG gegründet, ein Konsortium aus sieben Banken und Versicherungsgruppen, die mit der Stadt Wien für das 18,5 Hektar große Areal zwischen UNO-City und Neuer Donau einen ganz genauen Funktionsmix sowie einen maximalen Bebauungsschlüssel im Ausmaß von 1,65 Millionen Kubikmetern vereinbarte. Der DC3 ist einer der letzten Bausteine der neuen Donau-City. Bald wird die beschlossene Volu­mengrenze erreicht sein.

„Ein großes Problem in der Donau-City ist die hohe Windbelastung“, sagt Much Untertrifaller. „Um die Fallwinde zu reduzieren, haben wir uns entschieden, die Oberfläche mit vorgefertigten, asymmetrischen Modulen möglichst stark zu strukturieren.“ Hinzu kommt, dass man aus den Erkernischen, die wie dreidimen-sionale Pixel aus der Fassade ragen, nun in drei verschiedene Himmelsrichtungen blicken kann. Das Parapet weist eine angenehme Sitzhöhe auf und kann als Couch oder Leseecke genutzt werden. „Damit schaffen wir auch in den kleinsten Wohneinheiten eine schöne Großzügigkeit.“

„Eine städtebaulich exotische Lage,
wie man das sonst nur aus Megastädten wie Bangkok,
Hongkong oder New York City kennt.“

Much Untertrifaller
Architekt

Der 110 Meter hohe DC3, errichtet von der gewerblichen Projektentwicklerin S+B Gruppe, steht auf einer winzigen Verkehrsinsel in eingekesselter Lage zwischen Reichsbrücke, U-Bahn-Trasse und Autobahnabfahrt. „Eine städtebaulich exotische Lage, wie man das sonst nur aus Megastädten wie Bangkok, Hongkong oder New York City kennt“, schwärmt der Architekt. „Doch leider gab es eine ganze Reihe an Einsparungen, die dem Haus nicht gut getan haben.“ Die schmerzlichste davon, die gegen den Rat des Wiener Gestaltungsbeirats vorgenommen wurde, hat Ausmaße von kilometerweiter Fernwirkung: Aus Kostengründen musste der umlaufende Windschutz auf der Dachterrasse, der ursprünglich zweigeschoßig geplant war, um drei Meter gekürzt werden. Nun ragt aus der sonst eleganten Silhouette des Turms wie ein Mahnmal die schwarze Haustechnik-Zentrale hoch. Sehr banal, und leider auch echt hässlich.

Aufgrund der Verkehrslärmbelastung durch Auto und U-Bahn wäre ein klassisches Wohnhaus an dieser Stelle nicht möglich gewesen. Die S+B Gruppe verkaufte das Projekt daher vor einigen Jahren an den internationalen Residential-Developer Greystar, der auf serviciertes Kurzzeit-Wohnen spezialisiert ist und weltweit rund 800.000 Business-Wohnungen und Studierenden-Einheiten verwaltet. In Zusammenarbeit mit dem Wiener Architekturbüro BEHF schuf Greystar hier 832 Mini-Wohnungen, voll möbliert und bezugsfertig. Die Mietdauer reicht von einer Nacht bis zu einem Jahr, Verlängerungsoption inklusive.

Allein, die monatlichen Mietpreise sind – selbst für Wiener Verhältnisse – recht heftig bemessen und reichen von 610 Euro für 16 Quadratmeter bis zu 1700 Euro für 45 Quadratmeter. „Doch erstens sind die Wohnungen bis Teelöffel und Zierkissen komplett ausgestattet“, sagt Thomas Wünsche, Managing Director bei Greystar, und betont die angelsächsische Herkunft des Modells, „und zweitens ist in der Miete die Nutzung von Internet, Yoga-Raum, Fitness-Studio, Coworking-Spaces, Secret Garden und diversen Bars und Lounges bereits inkludiert. Sie kriegen also ein Wohnzimmer mit 2000 Quadratmetern Fläche!“
Fazit: Die spürbaren budgetären Einsparungen im städtebaulichen Maßstab und in der Möblierung der Zimmer sind unverzeihlich, das Angebot ist elitär, utopisch teuer und bestenfalls im Expat-Kontext beheimatet. Damit ist der DC3 eine zwar luxuriöse Pralinenschachtel mit appetitlicher Verpackung, allerdings auch ein sozialer Fremdkörper in der Skyline der Stadt.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt DC-Tower 3, Wien
Bauherr S+B Plan & Bau, Wien
Architektur Dietrich | Untertrifaller ZT, Wien, www.dietrich.untertrifaller.com
Statik KS Ingenieure, Wien, www.ksingenieure.com
Fachplanung Haustechnik: die Haustechniker, Jennersdorf; Heizung, Fassade: Dr. Pfeiler, Graz; Brandschutz: Kunz, Mödling; Strömung: Weatherpark, Wien; Verkehr: Rosinak & Partner, Wien; Bodenmechanik: 3P, Wien; Landschaft: Kieran Fraser, Wien u. weitere
Planung 05/2016–10/2018
Ausführung 11/2018–02/2022
Grundstück 6400 m²
Nutzfläche 23.600 m² (zzgl. Keller/Nebenräume)
Bauweise Stahlbeton-Skelettbau auf Pfahlgründung
Ausführung Baumeister, Hochbau: Granit, Graz; Tiefbau: i+R, Lauterach; Fassade: Alu Sommer, Stoob; Heizung, Lüftung, Sanitär: ESW, Wien; Elektro: Keider, Mistelbach; Bäder: Varis, Lendava; Metallbau: Rudolf, Leobendorf; Trockenbau: Böhm, Wien; Innen-türen: r&r, Perchtoldsdorf; Brandschutz-
türen: Ei2 Protector, Ottnang am Hausruck; Maler: Polleres, Wien; Fliesen: Rott, Wien; Signaletik: Dunkler, Wien u. weitere
Energiekennwert 24 kWh/m² im Jahr (HWB)