Allein schon das Portal des von Mohr Niklas Architekten geplanten Ágnes-Heller-Hauses der Innsbrucker Universität adelt dieses bewusst zeitlos angelegte, subtil mit Referenzen spielende Gebäude zu etwas ganz Besonderem.

Text: Edith Schlocker | Fotos:  David Schreyer

Das nach der ungarischen Philosophin Ágnes Heller (1929-2019) benannte neue Gebäude der Universität Innsbruck steht städtebaulich raffiniert quer zum historistischen Hauptgebäude, um auf diese Weise dessen großen Vorplatz zu rahmen und durch seinen direkt an der Straße stehenden turmartigen Teil das Quartier Richtung Westen markant abzuschließen. Der in Wien sein Büro betreibende, aus Vorarlberg stammende Architekt Günter Mohr hat mit seinem Projekt 2017 gemeinsam mit seinem Büropartner Markus Niklas den von der BIG EU-weit offen ausgeschriebenen Wettbewerb für den Neubau des Uni-Gebäudes gewonnen, auf dessen 13.000 Quadratmetern vieles und Unterschiedlichstes Platz haben muss. Das neue Audimax mit 600 Sitzplätzen genauso wie ein Hörsaal für 200, eine Mensa, eine Bibliothek, Büro- und Seminarräume, Lese- und Lernzonen, ein Ausstellungsraum und nicht zuletzt auch das kleine Museum für die Sammlung von Abgüssen antiker Statuen der nach vielen Jahren in der „Fremde“ nun wieder an den Innrain zurückgekehrten universitären Archäolog(inn)en.

Was das Haus schon von außen zu etwas ganz Besonderem macht, ist sein Haupteingang. Der viel, viel mehr als einfach eine große Tür ist, sondern durch seine mächtige, sich halbkugelig in den Baukörper hineinwölbende Laibung fast an die Portale gotischer Kathedralen erinnert. Mit seiner Breite von zwölf, seiner Höhe von sieben und Tiefe von sechseinhalb Metern wirkt die Öffnung wie ein riesiger Trichter, der den Eintretenden förmlich einsaugt. Ort, Größe und Materialität dieses Eingangs sind von den Architekten vorgegeben, seine Ausgestaltung ist allerdings das Ergebnis eines Kunst-am-Bau-Wettbewerbs, den der Tiroler Bildhauer Peter Sandbichler für sich entscheiden konnte. Um seinem Faible für die japanische Kunst des Faltens geschuldet, das die eigentlich gläserne Türe umrahmende Kuppelsegment aus 200 Modulen mit rautenförmigen Grundrissen zu puzzeln, über denen flache, in Ortbeton gegossene Pyramiden aufgebaut sind.

„Besonders freut mich natürlich, dass dieses Gebäude erstmals in der Geschichte der Universität nach einer Frau benannt wurde.“

Veronika Sexl
Rektorin, Universität Innsbruck

„Herz“ des Ágnes-Heller-Hauses ist das riesige, über fünf Geschoße offene, durch Oberlichten und Durchsichten in alle Richtungen luftig helle Atrium, das von freitragenden, nach oben zunehmend schmaler werdenden Treppen durchkreuzt wird. Was die das gesamte Gebäude dominierende klare Rasterung raffiniert dekonstruiert. Der Zugang zu den im Untergeschoß liegenden Hörsälen wird dagegen durch eine sehr breite Stiege erschlossen, die durchaus auch zum Besitzen taugt. „Wir wollten ein ganz konservatives Haus bauen“, sagt Architekt Günter Mohr. Eine im besten Sinn zeitlose Architektur, bei der bewusst auf baukünstlerische Extravaganzen verzichtet wird. Die Einbettung in die Umgebung war wichtig, unübersehbar sind Reminiszenzen an die Arkaden der Altstadt bei der Gestaltung der in die Kubatur hineingeschobenen straßenseitigen Sockelzone bzw. der Einfärbung und Oberflächenbehandlung des Betons, die jene des universitären Hauptgebäudes gleich nebenan zitieren. Was konkret bedeutet, dass die vorfabrizierten Fassadenelemente sandgestrahlt, die Fensterlaibungen geschliffen sind. Wobei die vertikalen Pfeilerelemente sich nach oben verjüngen, was man eher erahnt als bewusst wahrnimmt, das strenge Fassadenraster allerdings reizvoll bricht.

Das Ágnes-Heller-Haus besteht aus zwei Trakten. Einem langgezogenen mit fünf Geschoßen inklusive großer Dachterrasse sowie einem direkt an den Innrain gestellten zehngeschoßigen Turm. Das Grundraster der 18 Quadratmeter großen Büros prägt das Gebäude außen genauso wie innen. Die Büros sind nach außen orientiert, die Gänge werden zu großzügig dimensionierten, dezent farbig möblierten Arbeitsplätzen, die Sozialräume liegen im Inneren. Die Besprechungsräume sind weitgehend verglast, die Türen aus Holz, die Büros und die durch einen großen Lichttrichter erhellte Bibliothek haben Teppichböden, in allen öffentlichen Bereichen liegen helle Bodenfliesen aus Feinsteinzeug, in den Hörsälen Industrieparkett. Von den Hörsälen führt eine mächtige Freitreppe zur viel frequentierten neuen Campuswiese. Was den Studierenden wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein völlig neues Campus-Gefühl vermittle, so Rektorin Veronika Sexl.

 

Daten & Fakten

Objekt: Ágnes Heller Haus – Universität Innsbruck

Architektur: mohr niklas architekten ZT – GmbH
Mitarbeit: Markus Niklas, Ulf Steinbrecher, Margit Haider, Patrick Gröller, Faruch Achmetov, Emma Peneder, Gregor Laurent, Simon Thalhammer, Angela Truschzinski, Eric Sviratchev, Hannah Neumann

Auftraggeber: BIG/Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H

Projektmanager: Christian Volgger

Nutzer: Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

Statik: DI Alfred Brunnsteiner – dibral, zt GmbH

E Planung: ING-B Ingenieurbüro GmbH

HKLS: Ingenieurbüro Pratzner Ges.m.b.H.

Fassadenplanung: gbd projects zt gmbh

Gebäudesimulation: LARIX Engineering GmbH

Landschaftsarchitektur: Kieran Fraser Landscape Design e.U.

Kunst am Bau: Peter Sandbichler

Projektdaten: EU-weiter Realisierungswettbewerb 2017

Inbetriebnahme: 2023

Bruttogrundfläche: 24.800 m²

Nettoraumfläche: 21.700 m²

Nutzfläche: 12.800 m²