Die Apotheke im Feldkircher Stadtteil Tosters,
die Michelangelo Zaffignani für Renate Grotti gebaut hat,
ist alles andere als „normal“. Inszeniert in einer schwarzen Höhle,
in die die Menschen bzw. die Medikamente das Bunte einbringen.

Text: Edith Schlocker | Fotos: Stefan Hauer

Mit Apotheken verhält es sich fast wie mit Kirchen. Je älter und originaler erhalten, umso schöner sind sie. Einen großen Unterschied gibt es allerdings. Denn während es beim Update von Kirchen meist mit der Installation eines Volksaltars getan ist, sind die nicht zuletzt gesetzlichen Vorgaben, die eine moderne Apotheke zu erfüllen hat, eine höchst komplexe Angelegenheit. Weshalb es von großem Vorteil war, dass der Ort, an dem Renate Grotti ihre Apotheke einrichten wollte, komplett roh war. In einem ein paar Jahre alten mehrgeschoßigen Wohnbau neben einem Nahversorger liegenden großen Ladenlokal, das bis zu seiner Transformation durch Michelangelo Zaffignani eine riesige, mehr als fünf Meter hohe „Höhle“ war. Die der Architekt in vier Monaten Bauzeit zwar nicht in einen duftenden „Kräutergarten“, wie es der Bauherrin ursprünglich vorgeschwebt war, verwandelt hat, sondern zur schwarz ausgemalten „Bühne“ gemacht hat, um sie mit „Kulissen“, die Schränke, Regale oder Tara-Plätze sein können, zu „möblieren“. Entworfen in einem gesamtkunstwerklichen Sinn, indem sich Form und Funktion perfekt ergänzen.

Schwarz und Weiß sind die dominierenden Farben der Tostner Apotheke, das Bunte bringen die Medikamente bzw. die Menschen, die hier arbeiten bzw. sie besuchen, in den rund 25 Meter langen Raum ein. Der sich zur Straße durch eine bis in die Höhe von 4,20 Metern durchgängige Fensterfront öffnet. Vor die intern als durchlässige Barriere Regale gestellt sind, die von außen als mit wechselnder Leuchtfarbe markierte Kreuze daherkommen. In der Mitte ein komplettes, flankiert von zwei, die zusammen ein Kreuz ergeben. Um auf diese Weise schon weithin sichtbar zu machen, dass es sich hier um eine Apotheke handelt.

„Ich freue mich jeden Tag
auf meine wunderschöne Apotheke.“

Renate Grotti
Apothekerin

Renate Grotti war es wichtig, dass ihre Apotheke anders als üblich ist. Mit dem Anspruch, den rund 210 Quadratmeter großen Raum von Michelangelo Zaffignani formal kompromisslos unter den gegebenen funktionellen Vorgaben durchdeklinieren zu lassen. Zu einem Ort, dessen Anmutung durch seine Klarheit fast sakral ist und somit perfekt als Einstieg in einen Heilungsprozess funktioniert, wie die Apothekerin sagt. Was nicht zuletzt mit der Reduktion auf nur wenige pure Farben und Materialien zu tun hat. Dem Grau des geschliffenen Estrichs, dem Glas der Fenster, dem Schwarz-Weiß der Möbel, dem Schwarz der durch keine Zwischendecke amputierten inneren Hülle. In der ganz bewusst nichts kaschiert, sämtliche haustechnischen Installationen, Rohre für die Zu- bzw. Abluft offenliegen.

Die straßenseitige, von einer Fallarmmarkise beschattete Fensterfront der Apotheke Tosters wird von zwei komplett verglasten Eingängen flankiert. Einem linken für Lieferanten bzw. Personal – der etwa in Pandemiezeiten zur Schleuse werden könnte – und einem rechten für die „normalen“ Apothekenbesucher(innen). Der in der Nacht unkompliziert zum Ausgabetool für Medikamente umfunktioniert werden kann.

An den „öffentlichen“ Bereich der Apotheke ist rückseitig modulartig sozusagen der „dienende“ angedockt. Richtung Westen liegt das durch ein großes Fenster belichtete „Schaulabor“, wie es Renate Grotti nennt. Weiß leuchtende Wände bringen Helligkeit in die fensterlosen Räume Richtung Süden und Norden, wo unter anderem die Medikamente gelagert werden, die per Computer in den Verkaufsraum „gebeamt“ werden. Die schwarzen Boxen für das WC, Bad und das kleine Büro sind die einzigen Module, die eine Decke haben, der eigentlich ein Deckel ist. Ihre äußeren Binnenwände sind aus semitransparentem, schwarzem Glas gebaut, die Zwischenwände aus schwarz lackiertem Holz. Im ganz rechten hinteren Bereich ist das Nachtdienstzimmer mit höhliger Liege, Schrank und „Puppenküche“ eingerichtet. Die kleine, nobel mit Jean-Prouvé-Möbeln bestückte kleine Lounge davor wird durch eine dunkelgrüne Tapete mit haptisch fabelhafter Reliefstruktur veredelt. Das kleine Büro von Renate Grotti hat einen weißen „Deckel“, damit ihr die Decke nicht auf den Kopf fällt, wie sie selbst sagt.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Apotheke Tosters, Feldkirch
Bauherr Mag. pharm. Renate Grotti KG
Architektur Zaffignani Architektur ZT, Weiler,
Projektleitung: Katharina Lorez, www.zaffignani.at
Bauleitung Josef Burtscher, Feldkirch
Fachplanung Signaletik: Andrea Gassner, Feldkirch; Textile Kommunikation: Typico, Lochau; Licht: Bartenbach, Haustechnik: Stolz, Feldkirch; Innsbruck;
Planung 3/2021–3/2022
Ausführung 11/2021–4/2022
Nutzfläche 208 m²
Bauweise Glasfassade (Bestand), offene Möblierung im Offizin; Nebenräume in Nischen und Kuben; Lüftung, Kühlung, Beleuchtung sichtbar abgehängt
Ausführung Beleuchtung: Zumtobel, Dornbirn; Elektro: Theurer, Wolfurt; Kommissionierautomat: Gollmann, Halle (D); Lichtwände: Typico, Lochau; Sicherheit: Fiegl+Spielberger, Innsbruck; Estrich: Küng, Thüringen; Holzbau: Mayer, Götzis; Stahlbau: Jobarid, Röthis; Tischler: Mähr, Feldkirch; Raumausstattung Thomas Bechtold, Muntlix; Beschriftung: Mader, Dornbirn; Möbel: Reiter, Weiler; Maler: Eugen Summer, Weiler