Die Tischlerei Rüscher gehört zu Schnepfau wie die Kirche und der „Adler“.
Begonnen hat alles 1910, als Anton Rüscher eine Hobelbank in den Stall seines
Bauernhauses gestellt hat. Seine Urenkel ließen sich nun von Simon Moosbrugger
ein Betriebsgebäude bauen, das alle Ansprüche von heute erfüllt.

 

Text: Edith Schlocker | Fotos: Simon Oberhofer

Die Liebe zum Holz hat Anton Rüscher offensichtlich an seine Söhne, Enkel und Urenkel vererbt. Existiert die Tischlerei nun doch bereits in dritter Generation und die vierte scharrt bereits in den Startlöchern. Doch der mitten im Dorf liegende Standort genügte den Anforderungen von heute längst nicht mehr. Da halfen immer wieder vorgenommene Adaptierungen, Zu- und Umbauten auch nicht, besonders die Zufahrtsituation für große Sattelschlepper entwickelte sich für das expandierende Unternehmen zu einem zunehmend untragbaren Problem. Ideen, den Betrieb komplett neu zu denken, schwirrten schon Jahre in den Köpfen von Geschäftsführer Christian Rüscher und seinen zwei Brüdern und Mitgesellschaftern Heinz und Tone herum.

Und dass eine Gemeinde mit nicht einmal 500 Einwohnerinnen und Einwohnern höchst interessiert daran war, einen Betrieb dieser Größe und Wertschöpfung im Dorf zu halten, liegt auf der Hand. Als Bauplatz wurde von den Rüschers bereits vor mehr als zehn Jahren ein knapp siebeneinhalbtausend Quadratmeter großes Grundstück am Rand des Dorfkerns gekauft. Der Problematik, in diesem kleinteilig strukturierten Kontext einen Gewerbebau mit einer Nutzfläche von 4800 Quadratmetern zu errichten, waren sich sowohl Bauherrenschaft als auch Architekt Simon Moosbrugger bewusst, der sich bereits in seiner 2015 abgeschlossenen Diplomarbeit an der Technischen Universität Wien dem Thema der idealen Tischlerei von heute gewidmet hat.

„Der hohe Planungsaufwand fand letztlich
seine Entsprechung in Form einer
präzisen handwerklichen Umsetzung.“

Simon Moosbrugger
Architekt

Fünf Jahre später war es nun soweit. Nach vielen „langen und ernsthaften Gesprächen“, wie Christian Rüscher sagt, sei die Investition für die Firma doch gewaltig. Und so wurde das Gebäude das erste, das der junge Architekt unter seinem Namen realisiert hat. Seine Entscheidung habe er keine Minute bereut, so Rüscher, auch wenn das Gebäude bereits jetzt fast zu klein sei. Was durchaus damit zu tun haben könnte, dass die 23 Mitarbeitenden an einem angenehm klimatisierten Arbeitsplatz, an dem die Abläufe räumlich perfekt funktionieren, arbeiten. Gute Räume haben Auswirkung auf das Arbeitsklima und die Arbeitsplatzzufriedenheit, was auch die Kunden merken.

Den Baukörper so sensibel in die Umgebung zu integrieren, dass dieser nicht als riesiger Fremdkörper daherkommt, war Simon Moosbrugger wichtig. Um ihn folgerichtig nicht in die Höhe zu staffeln, sondern als breit hingelagerten Zweigeschoßer zu inszenieren. Wobei sämtliche erdberührenden bzw. in Sachen Entzündlichkeit bzw. Explosionsgefahr exponierten Gebäudeteile aus Sichtbeton errichtet sind, ergänzt durch einen konstruktiven Holzbau mit hohem Vorfertigungsgrad. Eingehüllt in Fassaden aus sägerauen Fichtenbrettern, die raffiniert mittels Wechselfalzschalung einmal senkrecht stehend, dann wieder liegend oder in ihrer Gerichtetheit abwechselnd schräg angeordnet sind, wodurch fast so etwas wie eine Wellenbewegung entsteht. Mit dem Ziel, durch dieses Spiel mit Strukturen die Größe der Fassadenflächen zu relativieren. Viel Licht bringen riesige Fenster in das Gebäude, das auch in seinem Inneren bewusst durchsichtig angelegt ist. Um von der Tiefgarage über den Produktionsbereich im Erdgeschoß bis ins Obergeschoß immer mehr zum „Wohnzimmer“ zu werden. Die Büros sind offen gestaltet, die Räume für das Team großzügig dimensioniert – alle rund um ein kleines Atrium. Besonders sind auch die gelochten Kassettendecken, die dem Vorbild historischer Wälderhäuser folgen. Erschlossen werden Erd- und Obergeschoß durch ein fast schwarz eingehaustes, von oben durch ein Bullauge belichtetes Stiegenhaus. Der Bürobereich öffnet sich intern durch eine raumbreite Glasfront zu den Werkshallen darunter, inklusive öffenbarer Fenster, was die unmittelbare Verständigung angenehm unkompliziert macht. Die Wahl der Materialien für den Innenausbau hängt von der jeweiligen Funktion der Räume ab, wobei Weißtanne in den Büros, den Bereichen für Mitarbeiter(innen) und Kund(inn)en eindeutig dominiert.

Objekt Tischlerei Rüscher, Schnepfau
Bauherr Rüscher GmbH Tischlerei
Architektur DI Simon Moosbrugger Architekt ZT, Bersbuch, www.simonmoosbrugger.com
Statik i+R Holzbau, Lauterach; www.ir-bauen.com und ZTE-Leitner, Schröcken; www.zte.at
Fachplanung Heizung, Klima, Sanitär: AllesNachPlan, Wien; Elektro: elplan, Schoppernau; Geotechnik: 3P, Bregenz; Brandschutz: IHW, Weiler; Bauphysik: DI Günter Meusburger, Schwarzenberg; Außenanlagen: Landa, Dornbirn; (u. a.)
Planung 10/2020–05/2022
Ausführung 10/2021–12/2022
Grundstück 7435 m²
Nutzfläche 4800 m² (inkl. Tiefgarage)
Bauweise Holzmischbau, erdberührend Beton; Stützen: Fichte und Beton; Träger „Baubuche“
Besonderheiten Photovoltaikanlage; Halle und Büros klimatisiert und befeuchtet; Vakuumkrane und automatisiertes Plattenlager mit Aufteilsäge
Ausführung Generalunternehmen: i+R, Lauterach mit vornehmlich Bregenzerwälder Handwerksbetrieben
Energiekennwert 45 kWh/m² im Jahr (HWB Büro)
Baukosten 6,5 Mio. Euro