Mellau ist ein Ort wie im Bilderbuch. Der alte Dorfplatz um Kirche,
Volksschule und Gemeindeamt, aber war mehr eine Mischung aus Parkfläche
und Wiese. Die Architekten Dorner\Matt gaben dem Ort mit ihrem eleganten
Ensemble aus zweigeschoßigem, dreigruppigen Kindergarten und transparent
verglastem Mehrzwecksaal aus Weißtanne mit Foyer und Proberaum im Keller nun einen klaren,
neuen Rahmen, der automatisch viel Leben bringt.
Eine gemeinsame Tiefgarage hält diesen vielseitigen Dorfplatz von Autos frei.

Autorin: Isabella Marboe | Fotos: Bruno Klomfar und Cornelia Hefel

Knapp 1300 Einwohner leben in dem idyllischen Ort Mellau, das in eine Bergkulisse eingebettet ist, der ihr „Hausberg“, die Kanisfluh, eine eigene Kontur verleiht. Die Bregenzer Ach und der Mellenbach durchziehen den Ort, in dem sich Häuser und Stadel mit Sattel- oder Walmdächern wie Herden um ein Straßen- und Wegenetz gruppieren, zwischen dem auch Wiesen und Bäume gedeihen. Kurz: Mellau ist ein Dorf wie aus dem Bilderbuch in einer vorbildlichen Kulturlandschaft. Kaum ein Haus, das den Maßstab sprengt. Das ist auch der Mentalität der Mellauer zu verdanken. Sie pflegen Bauten und Landschaft auf einzigartige Weise.

Der große, neue Platz aus ockerfarbenem Asphalt mit seinen Bänken und Bäumen ist zugleich das Freiluftwohnzimmer der Ortschaft.
Auch von hinten bilden Mehrzwecksaal und Kindergarten ein überzeugendes Ensemble.

Doch der Platz rund um die Kirche St. Anton, die nach Plänen der Architekten Vonier und Keckeis als moderner Zubau um den alten Turm errichtet und 1981 eingeweiht worden war, verkam zur Autoabstellfläche. Die Volksschule an seinem westlichen Rand war an einem Ende um die Hausmeisterwohnung, am anderen um den Kindergarten erweitert worden. Dort schloss das Gemeindeamt den Platz ab, der im Süden als große Wiese an die begrenzende Straße ausschwappte. Diese Dorfmitte war ein Amalgam aus befestigten Wegen und Rasenflächen, sie war meilenweit entfernt davon, ein schöner, öffentlicher Platz zu sein. 2014 schrieb die Gemeinde Mellau einen Architekturwettbewerb für einen neuen, dreigruppigen Kindergarten, einen kombinierten Sport- und Veranstaltungssaal, ein Musikprobelokal und eine Garage aus.

Transparenz ist auch hier ein wesentliches Element der Architektur von Dorner\Matt: In der raumhohen Verglasung der Eingangsfront des Mehrzwecksaals spiegeln sich der neue Kindergarten und der ganze Platz.

Die Architekten Dorner\Matt gewannen; sie nutzten dieses Anforderungsprofil optimal, um dem Dorf mit den Neubauten auch gleich eine neue Mitte zu schenken. „Unser zentrales Thema war der Dorfanger: Mehrzwecksaal und Kindergarten sollten eine Infrastruktur schaffen, die den Ort wieder belebt“, so Christian Matt. Die Architekten konzipierten die Gebäude als artverwandte Quader aus Vollholz mit viel Glas und schönen Lamellenfassaden, die im rechten Winkel zueinander städtebaulich das Pendant zu Volksschule und Kirche bilden.

„Mehrzwecksaal und Kindergarten sollten
eine Infrastruktur schaffen, die den Ort wiederbelebt.
Es ist schön, zu sehen, dass die Leute den Raum in Besitz nehmen.“

Christian Matt
Architekt

Beide Baukörper fassen den Platz am gegenüberliegenden Eck gleichermaßen ein, definieren aber mit ihrer Position zugleich auch intimere Platzräume für kleine und größere Kinder an ihren Seitenflanken. Außerdem schaffen sie durch die Tiefgarage, die alle Bauten unterirdisch verbindet, genug Raum für Autos, um einen modernen, hochwertigen und verkehrsberuhigten Platzraum im Dorf entstehen zu lassen: Hier, auf ockerfarbenem Asphalt spielen die Kinder, marschieren die einzelnen Klassen mit ihren Lehrenden zum Turnunterricht in den Saal und wird das alltägliche, öffentliche Freiluftwohnzimmer des Dorfes vor Veranstaltungen zum aufgerollten roten Teppich im Ort. Denn in Mellau gibt es viele Vereine von Musik bis zum Kabarett.

Eindrucksvolle 8,60 Meter hoch ist der neue Mehrzwecksaal mit Foyer.

„Wir wollten eine Freibühne machen. Es ist sehr schön, zu sehen, dass die Leute unseren Ansatz verstehen und wirklich den Raum in Besitz nehmen“, so Matt. Dass alle Eingänge von diesem Dorfplatz aus zugänglich und auch zu ihm orientiert sind, bringt automatisch Leben. Außerdem sind die Neubauten so geplant, dass die Durchlässigkeit im dörflichen Raum ebenso gegeben ist wie die innenräumlichen Sichtbeziehungen zueinander. Diese Form der Porosität schafft Orientierung und Identifikation.

Fließender Übergang: Das Vordach spendet Schatten und bildet einen Rahmen für den Blick auf die Schule.
Elegant: Im Foyer nimmt ein edles Barmöbel mit fahrbarem Tresen alle in Empfang.

Dass der neue Kindergarten und Mehrzwecksaal ohne Satteldach geplant war, stieß zuerst auf profunde Skepsis. „Es gibt einfach Gebäudetypologien. Ein Mehrzwecksaal oder Kindergarten können nicht ausschauen wie ein Wälderhaus“, erklärt Christian Matt. „Die Gebäude sind extrem logisch. Alle Eingänge liegen am Platz, beides sind reine Holzbauten. Die Fassaden sind aus Weißtanne.“ Einzig die Tiefgarage ist in einer Dichtbetonwanne. Sie bildet die Basis, dass der Platz nun so leer ist, dass sich alle Kinder unbeschwert darauf bewegen können.

Überraschung: Im Untergeschoß gibt es einen wundervollen Proberaum mit hervorragender Akustik und atmosphärischem Oberlicht.
Aula: Auch im Kindergarten sorgt eine helle Aula mit Stiegenhaus in der Mitte für regen Austausch zwischen allen drei Gruppen.

Eindrucksvolle 8,60 Meter hoch ist der neue Mehrzwecksaal mit der transparenten Fassade, der nun gegenüber der Gemeinde die Stellung hält: genauso hoch wie der Kindergarten daneben. In seiner Fassade spiegelt sich die Kirche und schließt so optisch den Kreis. Im Foyer lösen sich die Seitenwände in eine lichtdurchlässige Lamellenstruktur auf, die sich bis zum Vordach vorzieht. So entsteht draußen ein witterungsgeschützter Bereich. Er schafft einen fließenden Übergang zwischen Platz, Vorbereich und Foyer. Dort zieht ein hochelegantes Möbel aus schwarzem Buchensperrholz die Aufmerksamkeit auf sich: Es birgt eine Gastroküche mit Bartresen auf Rollen in sich, die im Handumdrehen alle versorgt. Der Turnsaal ist hell und schön. Er lässt sich sehr leicht zur Bühne oder zum Veranstaltungsort für 300 Personen umbauen. Die Sorgfalt der Details entzückt immer wieder: so befinden sich unter der Bühne Schubladen, in denen man Tische für Events verstauen kann. Im Untergeschoß dann die große Überraschung: Hier befindet sich ein Proberaum, komplett in weißer Weißtanne verkleidet, mit herausragender Akustik, der von natürlichem Oberlicht in eine wunderbare Atmosphäre getaucht wird. Das oberlichthelle, zentrale Stiegenhaus im Kindergarten dient allen auch zum Herumtollen und zur Kommunikation. Es ermöglicht, in alle Gruppenräume zu schauen. Und auch auf den Platz hinaus.

Voll in Betrieb: Als Turnsaal für die Volksschule ist der große Mehrzwecksaal oft und gerne in Verwendung.
Weißtanne und Licht: Im Bewegungsraum sorgen raumhohe Fenster mit Blick ins Dorf für viel Sonne, Aussicht und Licht. Weißtanne an Decke, Wänden und Böden bringt eine warme, freundliche Atmosphäre.

Daten & Fakten

Objekt Veranstaltungssaal, Kindergarten, Turnsaal, Dorfplatz

Bauherr Gemeinde Mellau

Architektur Dorner\Matt Architekten, Bregenz www.dorner-matt.at

Statik Mader | Flatz Bregenz

Fachplanung Projektsteuerung und Bauleitung: Michael Hassler, Dornbirn; Bauphysik: Günther Meusburger Schwarzenberg; Elektro: Elmar Lingg, Schoppernau; Heizung, Lüftung, Sanitär: E Plus, Egg

Planung 6/2015–5/2018

Ausführung 4/2017–11/2018

Grundstücksgröße 6168 m²

Nutzfläche 2104 m²

Keller 1105 m²

Bauweise Saaltragwerk Baubuche; Wände gedämmter Ständerbau; Kindergarten Stahlbetondecken auf Stahlstützen; Fassaden: Dreischichtplatten mit Holzlattung; Parkett: Esche; Täfer: Weißtan­ne, Fichte; Heizung: Fernwärme

Ausführung Baumeister: Wäderbau, Schwarzenberg; Zimmerer, Holzarbeiten: Kaspar Greber, Bezau; Fenster: Böhler Wolfurt; Glas: Müller Frastanz; Böden: PÖZ, Hohe­nems; Heizung, Sanitär: Dorfinstallateur, Götzis; Lüftung: Kranz, Weiler; Elektro: Willi, Andelsbuch

Energiekennwert Saal 15 kWh/m² im Jahr, Kindergarten 11 kWh/m² im Jahr

Baukosten 7,8 Mill. Euro