Ein einfaches und doch vielschichtiges Haus, das durch unterschiedliche Bodenniveaus in Kombination mit einem einfachen Wellblechdach zu einer überraschenden Raumvielfalt führt.

Autor und Fotos: Joshua Loher

Wenn man von Altstätten Richtung Trogen fährt, erreicht man kurz vor der Ruppenpasshöhe den auf 983 m Meereshöhe gelegenen Weiler Ruppen. Diese kleine Ansammlung von Holzhäusern liegt an einem Südosthang hoch über dem Rheintal. In der seit Jahrhunderten bestehenden Siedlung an dieser ehemals wichtigen Verkehrsachse Feldkirch – St. Gallen wurden in den 1970er-Jahren zwei neue Erschließungstraßen errichtet, was in der Folge zu einer moderaten Bautätigkeit führte. Im Ruppendörfli wird vor allem geschlafen und gewohnt – gearbeitet und eingekauft wird meist in Altstätten. Die attraktive Lage mit Blick bis ins Appenzellerland ist weit genug vom Trubel der „Zivilisation“ entfernt und doch wieder nahe genug, um sich nicht völlig abgeschieden zu fühlen.

Werner Binotto, der Architekt und Eigentümer dieses Hauses, kennt diesen Ort schon lange, führte doch sein früherer Arbeitsweg ihn tagtäglich hier vorbei. Der Wunsch nach einem ländlichen Rückzugsort als Gegenpol zum Berufsleben in der Stadt bekam zusätzliche Nahrung, als er erfuhr, dass ein Grundstück zum Verkauf stand. Die Idee eines Wohnateliers für konzentriertes Arbeiten und naturnahes, einfaches Wohnen fernab der Stadt begann konkret zu werden. Das Raumprogramm sieht eine Nutzung als Wochenendhaus wie als Dauerwohnsitz vor.

Die Ostfassade mit dem großen Bibliotheksfenster als einzige Öffnung. Dass inmitten von Holzhäusern ebenfalls mit Holz gebaut werden sollte, war für den Bauherrn und Architekten eine Selbstverständlichkeit.
Blick von Südwesten aus gesehen. Das Gebäude aus unbehandeltem Fichtenholz beginnt im Westen edel zu vergrauen. Zum Tal öffnet sich das kompakte Volumen mit großzügigen Öffnungen.
Weit auskragend prägt die Terrasse den Blick von unten. Gut erkennbar ist das leichte Wellblechdach.

Bereits seine ersten Skizzen zeigten ein behutsam ins Gelände eingefügtes Volumen. Dass inmitten von Holzhäusern ebenfalls mit Holz gebaut werden sollte, war für den engagierten Architekten, der jetzt als Kantonsbaumeister tätig ist, eine Selbstverständlichkeit; der Neubau sollte sich bescheiden in die bestehende Siedlung eingliedern.

Nähert man sich dem Haus von Westen, sieht man ein winkelförmiges, geschlossenes Volumen aus unbehandeltem Fichtenholz mit hangabwärts geneigtem Pultdach. Im kurzen Schenkel ist der offene Carport auf Straßenniveau untergebracht, während sich im anderen das eigentliche Wohnhaus befindet. Zum Eingang gelangt man über eine kurze, skulptural geformte Betontreppe, die zugleich Stützmauer ist und schlussendlich zur Feuerstelle wird. Ein ungewöhnlicher Ort für einen Freisitz, der jedoch aufgrund der Westorientierung und dem Vorsatz möglichst geringe Terrainveränderungen vorzunehmen, Sinn ergibt.

„Im Bewusstsein, dass man im Alter eher in die Stadt zieht,
hat mich das Land trotzdem gereizt.“

Werner Binotto
Bauherr und Architekt

Man übertritt die Türschwelle und gelangt in einen knappen, der kleinen Hausgröße aber durchaus angemessenen Garderobenbereich. Bereits hier ahnt man das besondere Konzept, das durch unterschiedliche Bodenniveaus den Hauptraum in verschiedene Zonen gliedert. Den ruhigen Gegenpol zu den Niveausprüngen bildet das flach geneigte Dach. Die Ebenen schaffen in Kombination mit der Schräge spannende und unterschiedliche Raumsituationen.

Der große Hauptraum vereint Wohnen und Arbeiten und besticht durch seine Raumhöhe und die angenehmen Proportionen.
Der mittig platzierte Specksteinofen wird in der Übergangszeit verwendet, ansonsten wirkt eine Luftwärmepumpe als Heizung.

Vom erhöhten Ess- und Kochbereich aus führt eine vierstufige Treppe hinab in den großen, wohlproportionierten Atelierraum, der sich mit einer Fensterfront zum Tal hin öffnet. An dessen Schmalseite ist eine vierstufige Treppe angeordnet, die in den eher klein gehaltenen Schlafbereich führt. Der kurze Korridor führt an zwei Schlafzimmern, Bad und Toilette vorbei und endet in der Bibliothek, die sich mit einer großzügigen Verglasung zur Natur hin öffnet. Die geringere Raumhöhe in den Schlafzimmern ist der Tatsache geschuldet, dass hier der Fußboden angehoben ist und sich gleichzeitig die tiefste Stelle des Daches befindet. Dies verleiht den Räumen einen intimen Charakter. Im Weiteren hat dies zur Folge, dass man sogar vom Bett aus einen unverstellten Blick ins Tal hat.

Blick vom Wohnatelier in Richtung der erhöht gelegenen Küche. Das fast überall verwendete geseifte Fichtenholz wurde detailgenau und in hoher Qualität verarbeitet.
In der Bibliothek reichen die einfachen Fichtenregale bis an die Decke.
Die geringere Raumhöhe verleiht den Schlafzimmern einen intimen Charakter und hat zur Folge, dass man sogar vom Bett aus einen unverstellten Blick ins Tal hat.

Die verwendeten Materialien sind im besten Sinne einfach. Die hand­werkliche Ausführung hingegen des fast überall verwendeten geseiften Fichtenholzes ist jedoch aufwändig und edel. So sind die Einbaumöbel sowie die Türen teilweise ohne Metallbeschläge vom Sohn des Bauherrn selbst hergestellt worden.

Als Bodenbelag dient großteils ein geschlif­fener lachsfarbener Hartbeton. Die Decke ist eine in unterschiedlichen Farbtönen deckend mit Ölfarbe gestrichene Spanplatte. In den Schlafzimmern ist sie in einem dunklen Umbraton gehalten, die Terrasse weist eine blaue Farbe auf und in den restlichen Räumen wurde ein Beigeton verwendet.

Auf der eingangs erwähnten Fahrt Richtung Trogen würde man ein solcherart einfaches und doch reiches Haus kaum in diesem ruhigen Weiler vemuten. Es ist engagierten Menschen, die trotz der unbequemen Lage hier wohnen, zu verdanken, dass eine jahrhundertealte Siedlung noch immer mit
Leben erfüllt sein kann.

Der Bauherr und Architekt Werner Binotto beim abendlichen Aktenstudium am multifunktionalen Tisch im hohen Hauptraum.

Daten & Fakten

Objekt Wohnhaus auf dem Ruppen, Altstätten (CH)

Bauherr/Architektur Werner Binotto

Statik Merz Kley und Partner, Dornbirn, www.mkp-ing.com

Fachplanung Bauphysik: Studer und Strauss, St. Gallen

Planung 9/2012–1/2013

Ausführung 4/2013–9/2013

Grundstücksgröße 875 m²

Wohnnutzfläche 135 m²

Bauweise (Wellblech-)Dach und Boden: zellulosegedämmte Holzelemente (34 cm); Südfassade aus Massivholzelementen, alle anderen Fassaden aus zellulosegedämmten Holzelementen (18 cm); Innenwände: Massivholzelemente; Bodenbeläge: Hartbeton oder Holzriemenböden; verwendete Holzarten: Fichte, Lärche für horizontale Fassadenteile, Ahorn für Schwellen; Heizung: Luftwasserwärmepumpe und Specksteinofen

Besonderheiten Schwerkraftlüftungssystem, Tischlerarbeiten zum Teil ohne Metallbeschläge

Ausführung Baumeister: Erwin Heeb, Altstätten; Zimmerer: Fussenegger, Dornbirn; Fenster: Zech Fenster, Götzis; Sonnenschutz: Schenker Storen, St. Gallen; Dachdecker: Weibel, St. Gallen; Elektro: Freund, Altstätten; Sanitär und Heizung: Eichmüller, Altstätten; Schreiner: Silvan Binotto, Zürich; Hafner: Kobler, Altstätten

Energiekennwert 78 kWh/m² im Jahr (HWB)