Die Zukunft eines zweigruppigen Betonfertigteilkindergartens in Rankweil
war ungewiss. Simone Burtscher von querschnitt architekten erweiterte
den Bestand des Baujahres 1972 sehr umsichtig und rettete so seine Existenz.
Der Mittelteil der einstigen Terrasse wurde in einen neuen Innenraum
für den Mittagstisch transformiert, die Gruppenräume bekamen
je einen Seitenteil für sich. Der Kindergarten eignet sich nun auch
als Ganztageskindergarten und kann noch viele Jahre in Betrieb sein.

Text: Isabella Marboe | Fotos: Petra Rainer

Der Kindergarten in der Merowingerstraße in Rankweil ist ein typisches Kind seiner Zeit. Er wurde 1972 aus Betonfertig-teilen in Skelettbauweise errichtet, deren Raster von 2,50 Meter den Querschnitt des Gebäudes definiert. 16,60 Meter Breite, fast 2,90 Meter lichte Höhe, 30 Meter Länge. Ein sehr menschlicher Maßstab, der Systembau bewährte sich bestens. Wie eine Mischung aus Pavillon und Container steht er leichtfüßig im Garten, die Betonfertigteile lassen seine Boden-platte einen guten Meter über dem Rasen schweben. Man betritt den Kindergarten in der Mitte in einem kleinen Foyer, rechts und links sind die Garderoben und Toiletten für je eine Gruppe angeordnet, davor verläuft ein fast drei Meter breiter Spielflur, an dessen Enden die Räume der Pädagoginnen liegen. In diesem Flur beginnt die Welt der Kinder, hier docken der Bewegungsraum in der Mitte und die zwei Gruppenräume an. Ihre durchgehenden Fensterbänder mit den niederen Parapeten sind nach Süden zum Garten orientiert.

Der Kindergarten wurde als zertifizierter Bewegungskindergarten geführt. Doch er ist alt, seine Dämmwerte sind schlecht, ein Raum für die Mittagsbetreuung fehlte. Man überlegte, ihn zum Ausweichkindergarten zu machen. Rankweil hat viel Zuzug und eine langfristige Leitstrategie für Kinderbetreuungseinrichtungen. „Wir wollen nicht immer die Getriebenen sein“, sagt Natalie Wojtech, Gruppenleiterin für Gesellschaft und Soziales. „Wir wissen, dass unsere Gemeinde wächst und immer mehr Ein- und Zweijährige einen Betreuungsplatz brauchen. Bei den Dreijährigen planen wir bereits mit 100 Prozent Betreuungsquote.“

Die Gemeindepolitik beschloss, den Altbau als Ganztagskindergarten weiterzuführen. Seine Gruppenräume sind mit 8,80 Meter Breite und 10 Meter Länge größer als heute üblich und eine Wiese wie diese – mit derart schönen, alten Bäumen, findet sich kein zweites Mal. Simone Burtscher von querschnitt erweiterte den Bestand mit großer Umsicht, ohne dessen wohlproportionierten Räume anzutasten. Einzig die Position ihrer Türen änderte sich, die große Transformation erfolgte an der Außenwand, die früher auf die Terrasse führte. Das Feld zwischen deren Stahlbetonstützen füllt nun eine schwarze Regalwand aus, rechts und links davon führen zwei Türen in den Bewegungsraum, wie eine Veranda wendet sich der neue Mittagstisch dem Garten zu.

„Mit dem Mittagstisch konnten wir dem
Kindergarten einen neuen Mittelpunkt geben.
Die Herausforderung lag darin, ihn so in den Altbau zu integrieren,
dass dessen Qualität erhalten und gestärkt wird.“

Simone Burtscher
Architektin

Die Arbeitsfläche der neuen Küchenzeile mit Herdplatte und Waschbecken ist aus Nirosta – das hält jedem Kinderansturm stand, der gelbe Korpus hat ausschiebbare Podeste, damit auch die Kleineren mitmachen können. Boden, Tischplatten und die Akustikpaneele an der Decke sind grau. Der neue Raum reicht bis zu einer Glasfassade am Garten, die dort verläuft, wo die alte Terrasse endete. Die rechts und links davon angeordneten Terrassenflächen wurden je einem Gruppenraum zugeordnet. „Mit dem Mittagstisch konnten wir dem Kindergarten einen neuen Mittelpunkt geben“, sagt Architektin Simone Burtscher. „Die Herausforderung lag darin, ihn so in den Altbau zu integrieren, dass dessen Qualität erhalten und gestärkt wird. Besonders freut mich, dass nun jede Gruppe auch ihren eigenen Zugang ins Freie hat.“

Burtscher nahm auch die Tragstruktur auf, sie erweiterte den Bestand gartenseitig um einen Betonsockel für die Terrasse, die nun dasselbe Bodenniveau hat wie die Innenräume. Die Holzstützen, die das neue Flugdach tragen, haben denselben Achsabstand wie ihre Vorgänger aus Stahl. „Die Terrasse nimmt den Dialog mit dem Bestand auf.“ Jedem Gruppenraum ist nun seine eigene Terrasse mit einer eigenen kleinen Stiege in den Garten zugeordnet, von jeder Gruppe führt eine Tür in den zentralen Raum mit dem Mittagstisch. „Es passt alles sehr gut, die Kinder mögen es“, sagt Kindergartenpädagogin Julia Kremmel.

Sie betreut die Drei- bis Sechsjährigen. Was ihnen am besten gefällt? „Natürlich die Küche. Da backen wir, kochen wir und essen zu Mittag.“ Mit diesem kleinen Zubau ist nun die Existenz des Kindergartens für die Zukunft gesichert. Bewährte Architektur, deren bauzeitspezifische Qualität und die graue Energie, die ihr Material speichert, bleiben erhalten. Upcycling statt Abriss, auch die meisten Sessel stammen aus dem gemeindeeigenen Lager, in dem alte, ausgemusterte Kindergarten- und Schulmöbel auf ihren Wiedereinsatz warten.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten und Fakten

Objekt Kindergarten Merowinger, Rankweil
Bauherr Marktgemeinde Rankweil
Architektur Simone Burtscher; querschnitt architekten zt gmbh; www.querschnitt.cc
Statik Frick & Schöch ZT, Rankweil; www.fszt.at
Fachplanung Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach
Planung 08/2020–02/2021
Ausführung 03/2021-09/2021
Nutzflächen 53 m² Mittagstisch, Terrassen 86 m²
Bauweise Zubau: Holzbau mit Streifenfundamenten 5 x 30 m
Besonderheiten Umbau im Bestand bei laufendem Betrieb; biodiverse Dachbegrünung
Ausführung Baumeister: Nägele, Sulz; Holzbau: Kaspar Greber, Bezau; Fenster: Hartmann, Nenzing; Heizung Sanitär: ETG, Rankweil; Elektrik: Kollmann, Rankweil
Energiekennwert 49 kWh/m² im Jahr (HWB Zubau)
Baukosten 512.000 Euro