Weiterbauen braucht Einfühlungsvermögen. Von diesem getragen ist
die Erweiterung des Kindergartens „Am Schlatt“ in Lustenau. Bernardo Bader
hat einem hervorragenden Bauwerk von Burkhalter Sumi Architekten
ein weiteres hinzugefügt. Beide sind aufeinander abgestimmt
und lassen sich dennoch eigenständig lesen und nutzen.

Autorin: Verena Konrad | Fotos: Petra Rainer, Adolf Bereuter

Wie geht man mit einem preisgekrönten Bauwerk um, wenn es in die Jahre kommt und sich neue Bedürfnisse auftun – etwa die nach Wachstum? Der Kindergarten „Am Schlatt“ in Lustenau liefert dafür ein hervorragendes Beispiel. 1994 errichtet, ist der Kindergarten noch heute ein sehr spezieller Bau und zeugt von den Innovationen des Holzbaus in den 1990er-Jahren, entworfen und geplant von den Holzbauexpert(inn)en Marianne Burkhalter und Christian Sumi.

Bernardo Bader und sein Team haben auf die Aufgabe, eine Erweiterung des Bauwerkes zu entwerfen, mit Qualität auf Qualität geantwortet und mit Holz auf Holz. Ein neuer Trakt wird entwickelt, der an der Nordflucht des bestehenden Gebäudes andockt. Der eingeschoßige Baukörper mit großzügiger Raumhöhe bietet Raum für den wachsenden Bedarf in der Kleinkindbetreuung und -pädagogik. „Am Schlatt“ ist nun zusammen mit dem Kindergarten „Am Engelbach“ der größte in der Gemeinde. Die Größe des Bauwerkes war auch entwurfsprägend. „Charakteristisch für die Situation ist das Zusammentreffen von Streusiedlungsstrukturen mit grün durchsetzten Binnenräumen. Als einer der wenigen großvolumigen Bauten hat der bestehende Kindergarten sowohl aufgrund seiner Nutzung als auch städtebaulich eine Sonderfunktion im unmittelbaren Siedlungs-bereich“, sagt der Architekt dazu und führt weiter aus: „Das Baufeld wird wesentlich von dem Bestand determiniert, ein feinfühlig und präzise gesetzter zweigeschoßiger Holzbau. Es war uns trotz der notwendigen Neusetzung von Volumen wichtig, dass der Bestand in seiner wohltuenden Klarheit und Präsenz erhalten bleibt und keine Schwächung erfährt.“

„Raumbeschaffungen dieser Güte animieren die Kinder zum
selbstständigen Werken und Begreifen.“

Bernardo Bader
Architekt

Diese Sensibilität ist den Gestaltern hoch anzurechnen. Dennoch entstand durch die Erweiterung auch etwas „Neues“.
Der Kindergarten spricht die Sprache der Holzarchitektur, wie wir sie heute praktizieren, mit unbehandelten oder nur leicht und ökologisch behandelten Hölzern, fein lasiert in hellem Weiß, durch das das Holz natürlich durchschimmert. Diese Freundlichkeit unterstützt das Anliegen, Räume zu schaffen, die nicht nur für optimale Bedingungen für Kinder in Spiel und Gemeinschaft bieten, sondern auch hervorragende Arbeitsbedingungen für das pädagogische Team, das in die Konzeption der Räume und ihre Ausstattung mit einbezogen war.

Nach außen wirkt der neue Trakt abgeschlossen und klar. Große Fenster geben die Sicht in das öffentliche Gebäude frei. Dahinter verläuft ein großzügiger Gang mit Garderoben und Spielmöglichkeiten, der auch ein Abschiednehmen und Willkommenheißen ermöglicht. In den Nischen der Fenster sitzt es sich gut. Der ursprüngliche Zugangsbereich des Bestandsgebäudes bleibt unverändert erhalten. Am Eingangsgelenk zwischen Zubau und Bestand sitzt fortan die Verwaltung, sie bedient zentral beide Bereiche. Gangzonen, Ausweich- und Nebenräume orientieren sich an der Bestandsraumhöhe. Gruppenräume und Außenzimmer sind deutlich überhöht und erzeugen so eine dem Bestand nicht unähnliche plastische Durchbildung. Ein Essensraum, drei Gruppenräume und ein Bewegungsraum bilden neu eine Raumfolge, die von großzügigen Außenräumen gegliedert ist. Die überschaubare Welt des Kindergartens ist in eine intensive Beziehung zum Außenraum gesetzt. „Der zum Garten hin orientierte, direkte Zugang zu jedem Kindergartenraum, verstärkt das Gefühl der Zugehörigkeit und der Verbindung zum Garten“, erläutert Bernardo Bader. Jeder Gruppenraum hat eine eigene Atmosphäre, getragen von der Eigenart der Nutzer(innen). Die Architektur gibt dieser Individualität eine Klammer, eine Verbindung, auch Ruhe durch mit Bedacht gewählten Materialien und Oberflächen.

Angelehnt an die flächigen Auskleidungen an Wand und Decke mit Birkensperrholz, wie sie den Bestand charakterisieren, soll der Neubau dahingehend variieren, dass die Holzoberflächen des Neubaus massiv und strukturgebend gearbeitet wurden. Sichtbare Balkenlagen und Massivholzbretter aus heimischen Hölzern verleihen den neuen Räumen einen robusten und atelierartigen Charakter. „Raumbeschaffungen dieser Güte animieren die Kinder zum selbstständigen Werken und Begreifen.“, ist sich Bernardo Bader zu Recht sicher.

Eine Baukulturgeschichte von
vai Vorarlberger Architektur Institut
Das vai ist die Plattform für Architektur, Raum und Gestaltung in Vorarlberg. Neben Ausstellungen und Veranstaltungen bietet das vai monatlich öffentliche Führungen zu privaten, kommunalen und gewerblichen Bauten. Mehr unter Architektur vor Ort auf www.v-a-i.at

Daten & Fakten

Objekt Kindergarten Am Schlatt, Lustenau
Bauherr Marktgemeinde Lustenau
Architektur Bernardo Bader ZT, Bregenz; www.bernardobader.com
Statik Ingo Gehrer, Höchst

Fachplanung
Örtliche Bauaufsicht: Paul Martin, Feldkirch; Landschaftsplanung: Bettina Epple, Lustenau; Geotechnik: 3P ZT, Bregenz; Haustechnik: GMI, Dornbirn; Elektro: Ludwig Schneider, Egg; Bau-­ physik: Spektrum, Dornbirn; Spielraum: Marktgemeinde Lustenau; u. a.
Wettbewerb 04/2018: 1. Preis
Ausführung 06/2019–08/2020
Bebaute Fläche 700 m2 (Neubau)
Nutzfläche 620 m2 (Neubau)
Bauweise Holzbau
Besonderheiten Dachbegrünung mit Erde aus dem Aushub

Ausführung
Baumeister: Moosbrugger, Lauterach; Innenausbau: Kaspar Greber, Bezau; u. v. a.
Energiekennwert 44 kWh/m2 im Jahr (HWB)
Baukosten 2,4 Mill. Euro

Fotonachweis: Petra Rainer: S. 4, S. 6, S. 7 Nr. 2, 3, 5; alle übrigen: Adolf Bereuter